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Ein unerbittlicher Freund der Musiker

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Kurt Masur: Biografie als persönliches Memorial nicht nur durch die ostdeutsche Orchestergeschichte
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Johannes Forner: Kurt Masur – Zeiten und Klänge, Eine Biografie, Propyläen-Verlag, 400 Seiten, ISBN 3-549-07153-1, € 25,–

Johannes Forner: Kurt Masur – Zeiten und Klänge, Eine Biografie, Propyläen-Verlag, 400 Seiten, ISBN 3-549-07153-1, € 25,–Ken Masur sieht in seinem Vater einen der letzten wahren Romantiker. Der Senior sich selbst als Träumer und seinen Intuitionen folgend, als einer, der Kunst und Leben nie getrennt hat. In seiner fünfzigjährigen Dirigentenlaufbahn hat sich Kurt Masur den Ruf als unerbittlicher Freund der Musiker erworben. Dazu gilt er als starrköpfiges Arbeitstier mit ziemlich unbegrenzten Reserven.

27 Jahre prägte er als Gewandhauskapellmeister nicht nur sein Orchester. Im Herbst 1989 wurde er bei den Leipziger Montagsdemonstrationen zum „Politiker wider Willen“ und zur Leitfigur einer Stadt. In New Yorks Avery Fisher Hall läutete der Dirigent in den vergangenen Jahren eine Renaissance ein. Der Leipziger Musikwissenschaftler Johannes Forner legte jetzt die Biografie des Maestros vor, entstanden in gemeinsamer fünfjähriger Spurensuche diesseits und jenseits des Atlantiks.

Kurt Masur, gebürtiger Schlesier, Jahrgang 1927, ist in der Jugend geprägt durch Krieg, Entbehrungen, aber auch durch starke Frauen – die Mutter, die Klavierlehrerin: „Spiele Mendelssohn, aber mach‘ das Fenster zu!“ 1946 begann er sein Studium am Leipziger Konservatorium. Die „Studierenden der ersten Stunde“ verdienten mit nächtlicher Tanzmusik das bitter nötige Zubrot und flogen am kommenden Morgen prompt aus der Hauptfachstunde. Die Liebe zum Jazz ist geblieben. Als 1948 am Halleschen Theater ein Repetitor mit Dirigierverpflichtung gesucht wurde, warf der Einundzwanzigjährige kurz entschlossen sein Studium hin. „Ich bin völliger Amateur“ so K.M. heute lachend.

Der Sprung ins kalte Wasser führte ihn über mehrere Theater zur ersten GMD-Position ins mecklenburgische Schwerin. Hautnah erlebte der Dirigent Musiktheatergeschichte der 60er als musikalischer Oberleiter bei Walter Felsenstein, wobei Kollisionen zwischen dem jungen und alten Giganten nicht ausblieben. Nach seiner Kündigung in Berlin folgte eine nahezu dreijährige republikweite Abstrafung. Letztlich wollte „Vater Staat“ jedoch den Dirigenten nicht ans westliche Ausland verlieren. So erst durch Gastspiele, dann als Chefdirigent der Dresdner Philharmonie wieder im Sattel, prägte sich jetzt auch zunehmend die dramaturgische Handschrift des Künstlers. Mit Spielzeit 1970/71 begann der Dreiundvierzigjährige sein Amt als Gewandhauskapellmeister der Stadt Leipzig. Das Orchester hatte zwei Jahre Interregnum hinter sich, nachdem Václav Neumann 1968, als die Panzer des Warschauer Paktes in Prag einrollten, die DDR umgehend verlassen hatte.

In Masurs Händen lagen sämtliche künstlerischen, wirtschaftlichen und administrativen Belange, die Leitungsstrukturen des Gewandhauses waren wie alle in der Diktatur ausschließlich pyramidal. Dazu kamen Gastspiele rund um den Globus. Autor Johannes Forner hat einen einmaligen Fundus von Begegnungen mit Komponisten, Dirigentenkollegen und verschiedensten Orchestern zusammengetragen. Zu den bewegenden Sternstunden zählen dabei auch die heimlichen Treffen Kurt Masurs mit Dmitri Schostakowitsch in Moskau.

Bei den Salzburger Osterfestspielen 1990, deren Gesamtleitung Masur nach Karajans Tod innehatte, wurde ihm die Leitung der New York Philharmonic angetragen. Die elf New Yorker Jahre haben die Willensstärke des Maestros noch einmal auf einen eminenten Crescendo-Kurs gesetzt. Die Philharmonics, einhundert geniale und abgehärtete Individualisten mit dem Orchestertitel „Dirigentenkiller“, sprechen heute vom „Masur-Effekt“. Wenn Kurt Masur in diesem Frühjahr nach Paris geht, hat er es trotz vieler Querelen geschafft mit seinen New Yorkern. Vielleicht auch, weil es sein Glück ist, genau zu spüren, wann er gehen muss.
„Zeiten und Klänge“, so der Untertitel der Biografie, ist ein sehr persönliches Memorial durch die ostdeutsche und osteuropäische Orchestergeschichte. Darüber hinaus ist sie eine komplexe Dokumentation mit Reichweite bis Moskau, Tokio und New York und den Wirkungen des „Masur-Effekts“ als Quintessenz. Die Synchronisationssuche zwischen Autor und Künstler glückt zunehmend. Im Mittelpunkt steht das fünfzigjährige Verhältnis des Dirigenten zum Werk, umrundet von einem Netz aus künstlerischen, politischen und privaten Begegnungen.

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