Krieg ist eine schmutzige Sache. Und es scheint so, als würden sich die Reaktionen daraufhin über die Jahrhunderte hinweg perpetuieren. Man zieht in die Schlacht mit Siegesgeschrei, mit Hasstiraden auf den Feind, man feiert verklärend die Erfolge, man beklagt das Elend der Niederlage. Man spricht direkt, Subtilität steht nicht auf der Kriegstagesordnung.
Uli Otto, Eginhard König: „Ich hatt’ einen Kameraden...“. Militär und Kriege in historisch-politischen Liedern in den Jahren 1740 bis 1914. ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 1999. 934 Seiten, mit Doppel-CD, 198 Mark. Krieg ist eine schmutzige Sache. Und es scheint so, als würden sich die Reaktionen daraufhin über die Jahrhunderte hinweg perpetuieren. Man zieht in die Schlacht mit Siegesgeschrei, mit Hasstiraden auf den Feind, man feiert verklärend die Erfolge, man beklagt das Elend der Niederlage. Man spricht direkt, Subtilität steht nicht auf der Kriegstagesordnung. class="bild">Ein Theodor Körner etwa, vormals von Schiller geschätzt, konnte im antinapoleonischen Taumel schon mal Worte wie diese niederlegen: „Ha, welche Lust, wenn an dem Lanzenknopfe Ein Schurkenherz zerbebt, Und das Gehirn aus dem zerspaltnen Kopfe Am blutgen Schwerte klebt.“ Oh Feinde, nicht diese Töne, möchte man da entgegnen!
Doch immer wieder neue Kriege lösen immer wieder ähnliche verbale Tiraden aus; das geht bis heute in die Bildzeitung oder in die Münder von Verteidigungsministern jeglicher Couleur, wenn es gilt, einen Einsatz (schein-)argumentativ zu untermauern. Naturgemäß sind die Lieder von den Schrecken des Krieges, vom Elend, vom Leid oder auch kritische Akzente in den militärischen Gesangsbüchern nur dünn gestreut.
Eine Sammlung von Kriegsliedern oder von Liedern zum Krieg liest sich aus diesem Grunde wie ein Schattenkabinett längst verkohlter Ideale, die gleichwohl wie ein schrecklicher Phönix immer wieder in neuer Gestalt zum Leben erweckt werden. Und so wird das Buch spannend, zumal man sich der außerordentlichen Sorgfalt der Autoren durchweg sicher sein kann. Viel Arbeit wurde in die fast 1000 eng beschriebenen Seiten verpackt, sammelnde, kritisch prüfende, auswählende, kommentierende und zusammenfassende. Eine gewisse Schwerpunktsetzung ist für den bayerischen Raum auszumachen, was wohl der bequemeren Erreichbarkeit der diversen Archive geschuldet ist. Doch geht es trotz der Fülle von über 450 dokumentierten Liedern ohnehin nicht um Flächendeckung. Der Irrsinn des Krieges und seine literarisch-musikalische Reflexion beziehungsweise Apotheose lässt sich an jedem Ort dokumentieren. Es entsteht ein zeitgeschichtlicher Aufriss zwischen 1740 und 1914 aus der Perspektive des gemeinen Infanteristen. Und beim Überschauen der einzelnen Perioden – das Buch gliedert sich in fünf Großetappen jeweils mit geschichtlichem Aufriss und dokumentarischem Teil – wird verblüffend klar, mit welch trivialen Mitteln Kriege inszeniert werden.
Und schnell, jedenfalls mir erging es so – vergisst man die Frage nach Recht oder Unrecht des Krieges. Denn auch Körner mag durchaus einiges Recht auf seiner Seite, auf der der antinapoleonischen Allianz, gehabt haben. Viel bedeutsamer wird der Zugriff der kriegerischen Gewalt auf die Sprache und ihre musikalische Einkleidung. „Lieb Vaterlang, magst ruhig sein“ wird zur permanenten Farce; und die Wachsamkeit gegenüber der „Wacht am Rhein“ mit ihren tausend Chamäleonfarben wird bei der Lektüre geschärft. Hierin erweist sich das Buch, besonders wegen seiner außerordentlichen Sorgfalt, als wichtiger Baustein einer kritischen Sichtung militärischen Bewusstseins, das freilich weit über das nur Militärische hinaus weist.