Hauptrubrik
Banner Full-Size

Lagrimose S-Klassik

Untertitel
Sade live in Concert, bei Sony auf DVD erschienen
Publikationsdatum
Body

Man fasst es kaum: Ein angeblich marodes Konzept lockt noch immer so viele Menschen vor die Bühne. Bei den PR-Strategen mancher Klassik-Labels sorgt es für Katerstimmung, im Madison Square Garden wurde es 2001 in der Gestalt von Sade umjubelt: die Zeitlosigkeit allgemein-menschlicher Affekte.

Man fasst es kaum: Ein angeblich marodes Konzept lockt noch immer so viele Menschen vor die Bühne. Bei den PR-Strategen mancher Klassik-Labels sorgt es für Katerstimmung, im Madison Square Garden wurde es 2001 in der Gestalt von Sade umjubelt: die Zeitlosigkeit allgemein-menschlicher Affekte.Noch verwunderlicher wird die Sache, wenn man weiß, dass die englische Soul-Prinzessin der Musikwelt zuvor acht Jahre lang abhanden gekommen war: Keine Songs, Interviews oder Konzerte. Nur ihrer Tochter widmete sie sich, die PR-Maschinerie hatte sie ausgebrannt. Dann kam das neue Album und die Tournee, aus der Sony nun das New-York-Konzert veröffentlicht: Madonna wechselte halbjährlich das Image, Sade trug noch immer den selben Zopf wie auf den ersten Pressefotos vor 16 Jahren. Bei anderen Pop-Sternchen leisten Anonymus-Bands Domestiken-Dienste; Sade spielt seit Jahrzehnten mit den gleichen Musikern, die sich im Madison Square Garden in minutenlangen Jazz-Kaskaden austoben dürfen.
Nur die sanften Elegien, Offenbarungen aus dem beschädigten Leben, die haben sich verändert, sind noch intensiver im Ausdruck. Zumal auf der Bühne gewinnen sie an Dichte und Dringlichkeit. Noch kräftiger klingt Sades Mezzo in der Tiefe, in der Höhe aber runder, gleißender. Dennoch behält das Timbre das herb-süße Lila eines reifen Port. Im zweistündigen Set mit Klassikern wie „No Ordinary Love“, „Smooth Operator“ und vielen Songs aus dem aktuellen Album „Lovers Rock“ wird die Diva von ihrer Rhythmusgruppe auf Händen getragen. Die Gitarristen gießen eine gehörige Portion Benzin ins lagrimos lodernde Feuer.
Wohltuend ist auch, dass man sich keine hyperaktive Mega-Show antun muss. So ähnlich, fährt es einem durch den Kopf, würden sich Sade und Band auch verhalten, wenn sie im eigenen Wohnzimmer jammten. Nie hat man den Eindruck, dass ein Weltstar sich selbst feiert. Nur der nervöse Bildschnitt wird dem stilvollen Anlass nicht immer gerecht. Ohnehin geht es primär um Aussage und Atmosphäre. Man hofft, dass es nicht wieder acht Jahre dauert bis zur nächsten DVD.

Sade: Lovers Live; Backstage-Material, Foto-Galerie, Film „Message to Sade”, Video „King of Sorrow”; Regie: Sophie Muller Sony DVD 201564 9 (116’)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!