Johann Christian Bach: Sonate Es-Dur op.17/3, Heinrichshofen N2422
Johann Christian Bach: Sonate Es-Dur op.17/3, Heinrichshofen N2422Die Sonate Es-Dur erschien bisher in einer zweisätzigen Fassung (Allegro assai, Allegro), was nicht weiter verwunderte, da die Sammlung op. 17 sechs sowohl zwei- als auch dreisätzige Sonaten enthält. Die vorliegende dreisätzige Ausgabe mit einem eingefügten Andante beruft sich auf die Entdeckung des Autographs im Museum Carolino Augusteum in Salzburg. Interessant ist, dass sich diese Sonate in der Musikaliensammlung der Familie Mozart befand. Der jüngste Bach-Sohn nahm sich seiner an und beeinflusste die kompositorische Entwicklung Mozarts nachhaltig. J.Chr. Bach’s Schaffen wiederum wurde geprägt durch die Erfahrungen, die er in Italien sammelte, und durch die Verbindung zur Mannheimer Schule. Er entwickelte einen galanten Klavierstil, und mit seinem „singendem Allegro“ hatte er wesentlichen Anteil an der Entstehung der Sonate. Im Gegensatz zur tonartlichen Einheit barocker Suiten steht nun der langsame Satz in einer verwandten Tonart (hier in B-Dur). Der Dualismus zweier Themen in der Exposition ist bereits hochentwickelt, indem das zweite Thema durch seinen gesanglichen Charakter kontrastiert und seine Spannung auch harmonisch durch die Dominanttonart unterstreicht – also eine schon fast „klassische“ Themenaufstellung. Im Andante zauberte Bach eine Arie aufs Klavier, unterlegt mit Akkordbrechungen, die Ruhe ausstrahlen, als wollten sie den Verlauf der Melodie nicht stören. Filigrane Verzierungen deuten wohl eher auf die Ausführung am Cembalo hin, obwohl Bach das Hammerklavier als Möglichkeit offenhielt, was damals gängige Praxis war.Muzio Clementi: 6 Sonaten op. 1, Schott ED 9029
Clementi beeinflusste die Entwicklung der Sonatenform nachhaltig, klavierpädagogische Werke wie das „Gradus ad Parnassum“ sind noch heute in Gebrauch. Über 100 Klaviersonaten und -sonatinen sind überliefert, was ihm wohl auch den Ruf eines „Vielschreibers“ einbrachte. Die sechs Sonaten op. 1 entstanden in Fonthill Abbey, als Clementi dort von 1766–1773 auf dem Gut seines Gönners Peter Beckford weilte. Dass er die Gattung Klaviersonate für seine frühen Kompositionsversuche wählte, verwundert nicht. In den zumeist zweisätzigen Sonaten verschmelzen jugendlicher Elan und technische Brillanz; als Pianist sorgte er für einen absolut flüssigen Klavier-satz und Perfektion im Schriftbild (teilweise ausnotierte Verzierungen) zugunsten einer unmissverständlichen Interpretation. Bevor junge Klavierspieler die Sonaten der „großen“ Klassiker einstudieren, sollten sie als Einstieg mit den reizvollen und dankbaren Sonaten Clementis beginnen.
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Adagio und Presto agitato b-moll, Josef Weinberger Musikverlage Frankfurt
Dieser Erstveröffentlichung liegt ein Manuskript zugrunde, das eine verblüffende Ähnlichkeit zum Capriccio III op. 33 des Komponisten aufweist. Beide Stücke sind zudem noch mit dem gleichen Entstehungsjahr versehen, so dass sich die Frage nach dem zuerst entstandenen förmlich aufdrängt. Das „Adagio und Presto agitato“ ist während des Englandaufenthaltes des jungen Mendelssohn komponiert worden. Er widmete es Maria Alexander, einer Freundin, die eine begeisterte Sammlerin von „Albumblättern“ war. Das Manuskript ist unterzeichnet mit „London, August 1833“, wobei man davon ausgehen muss, dass das Stück bereits im Juli des Jahres vollendet wurde und es sich hierbei um eine Reinschrift handelt. Zum anderen teilt Mendelssohn 1834 Karl Klingemann in einem Brief mit, dass er an Capricen arbeite und das Stück für Maria Alexander, welches Klingemann wohl kannte, in veränderter Form mit einbringe. Als die „Trois Caprices“ 1836 als sein op. 33 erschienen, trugen sie eine Widmung an Klingemann. Vergleicht man beide Stücke, so erkennt man schon am Notenbild deckungsgleiche Teile im Presto. Kleinere Veränderungen in der Notation, Oktavierungen, Wiederholung von Motiven, Hinzunahme von Stimmen lassen das Double (absichtlich?) virtuoser erscheinen. In den beiden Adagios dagegen gibt es keinerler Parallelen. Die erste Fassung beginnt im 3/4-Takt, hat mehr einleitenden Charakter (35 Takte), ist in sich stimmiger und geht nahtlos ins Presto (4/4-Takt) über. Sachlichkeit, eine gewisse Unruhe durch immer wiederkehrende Sechzehntel-Motive, eine Zäsur in F-Dur nach 20 Takten (hier allerdings im 4/4-Takt) und eine kurze kraftvolle Modulation über den Septakkord nach b-Moll lassen diese später erschienene Fassung etwas gekünstelt wirken. Vielleicht hielt Mendelssohn sein erstgeschriebenes Werk für verschollen, weshalb er es später in der „aufbereiteten“ Form rückdatierte. Oder orientierte er sich in seiner ersten Fassung an den pianistischen Fähigkeiten von Maria Alexander? Trotz dieser offener Fragen lohnt es sich, diese Erstveröffentlichung zur Hand zu nehmen.
Steffen Schleiermacher: Zwölf Klanglandschaften im Klavier, Edition Breitkopf 9137
Die hier vorliegende Sammlung kann als Vorzeigeobjekt für den verantwortungsvollen Umgang mit neuer Musik gelten. Die Ästhetik der Stücke und (das ist besonders lobenswert) die klavierpädagogischen Aspekte zeugen von absoluter Kompetenz; schließlich ist Schleiermacher Komponist und Pianist. Er weiß, worauf es ankommt: seine Stücke sind gut durchdacht (auch hinsichtlich der Spieltechniken), die Dramaturgie stimmt, er verzichtet auf Effekthascherei, das Notenbild ist sehr übersichtlich. Begleittexte mit Hinweisen zur Umsetzung des Notentextes sowie eine vom Komponisten meisterhaft eingespielte CD verdeutlichen zudem seinen Wunsch nach präziser Interpretation. Die experimentelle Beschäftigung mit dem Instrument lässt wahrhaftig Klanglandschaften im Klavier entstehen: der Einsatz an sich bekannter Techniken (beispielsweise Abdämpfen, Zupfen, Sreichen von Saiten, stummes Drücken von Tasten, die Verwendung des Sostenuto-Pedals auch in Verbindung mit Clustern), die Behandlung von Metrum und Rhythmus, die Ausschöpfung des gesamten Tonumfangs, Virtuosität, Klangkultur, die Auswahl der Themen (zum Beispiel „Am Bergsee“, „Im Schiefergebirge“, „In der Höhle“, „Nach dem Erdbeben“, „In der Burgruine“, „Auf der Autobahn“) und deren stilsichere Umsetzung werden zu einem stimmigen Ganzen. Die Stücke haben verschiedene Schwierigkeitsgrade, verlangen jedoch eine mehrjährige fundierte Ausbildung sowie die Fähigkeit zum Hin(ein)hören.