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Wacher Geist, Musikalität und Fachkenntnis

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Nachruf Herbert Blendinger (3. Januar 1936–15. Mai 2020)
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Herbert Blendinger, Komponist und Bratschist, ist am 15. Mai 2020 nach langer Krankheit im Alter von 84 Jahren verstorben. Geboren am 3. Januar 1936 in Ansbach, studierte er Viola und Komposition bei Willy Horváth und Max Gebhard am Konservatorium in Nürnberg, anschließend von 1961 bis 1963 an der Musikhochschule München bei Georg Schmid und Franz Xaver Lehner, sowie zusätzlich Schulmusik. Als Komponist erhielt er unter anderem Anregungen durch Paul Hindemith.

Seine künstlerische Karriere begann 1961 als Solobratschist des Rheinischen Kammerorchesters Köln. Es folgten Engagements bei den Bamberger Symphonikern, dem Bayerischen Staatsorchester München, sowie eine solistische und kammermusikalische Konzerttätigkeit u. a. mit dem Bamberger Klavierquartett, dem Stross-Quartett und dem Sinnhoffer-Quartett. Er konnte auf Aufnahmen mit Wolfgang Sawallisch (Brahmssonaten, 1980) oder Wolfgang Schneiderhan (Mozart: Konzertante Symphonie, 1980) verweisen. Selbst vielfach ausgezeichnet war Herbert Blendinger u. a. Mitglied der Jury des ARD-Musikwettbewerbs.

Blendinger lehrte zuerst am Richard-Strauss-Konservatorium München und der Musikhochschule Würzburg. Von 1981 bis zu seiner krankheitsbedingten Emeritierung im Jahre 1988 war er Professor für Viola an der Musikhochschule Graz. Danach konzentrierte er sich verstärkt auf die Komposition.

Zu seinen wichtigsten Werken gehört die Oper „Versuchung“ (1984) nach Franz Werfel, zwei Bratschenkonzerte, „Concerto tonale“ für Violoncello, Konzert für Streichquartett und Orchester, Klavierkonzert, Klarinettenkonzert, Fagottkonzert, Concerto barocco für Trompete, Symphonie concertante für Brassquintett, Orgelkonzert, Sinfonietta, ein Requiem für Soli, Chor und Orchester, mehrere Kantaten und zahlreiche Kammermusik: 4 Streichquartette, Streichquintett, Fagottquintett, Streichseptett, 2 Streichtrios, Duos, Klavierquartett, 2 Klaviertrios, zahlreiche Sonaten und Stücke für Violine, Viola, Violoncello, Flöte, Saxophon u. a. mit Klavier bzw. Orgel/Cembalo, Solowerke für Viola, für Harfe, Klavier, Orgel, zahlreiche Lieder und geistliche Werke.

Aufführungen seiner Werke erfolgten vor allem im deutschsprachigen Raum, darunter Uraufführungen durch das Bayrische Staatsorchester in München unter Wolfgang Sawallisch (Konzert für Streichquartett und Orchester 1976, Media in vita 1980 und Divertimento concertante 1985), im Dom und in der Heilandskirche in Graz (Choralfantasie op. 49 (1989), Kantate Mich ruft zuweilen eine Stille op. 58 (1992), Kantate Allein den Betern kann es noch gelingen (1995)). Das ALEA-Ensemble brachte seine Quartette Nr. 2, 3 und 4 auch international zur Aufführung (München, Rom, New York).

Im Juni 1983 erlitt Herbert Blendinger während einer Konzertreise einen Schlaganfall, dessen Folgen – arm- und gesichtsbetonte halbseitige Lähmung – jedes weitere Wirken als Instrumentalist unmöglich machten. Dennoch nahm Blendinger bereits im Wintersemester 1983/84 seine Lehrtätigkeit wieder auf und setzte diese unter großen Anstrengungen bis 1988 fort – und betreute bis 1990 weiterhin interimistisch Kammermusikensembles an der Kunstuniversität Graz.

Seine Tonsprache war oft kontrapunktisch geprägt, von einer gewissen Herbheit mit manchmal schmerzhaften Dissonanzen, jedoch stets in einem fasslichen und verständlichen formalen Kontext eingebunden – und immer vom Publikum sehr geschätzt.

Da er körperlich stark eingeschränkt war, komponierte er nach 2003 nicht mehr allzu viel Neues. Dennoch, als ich ihn 2012 um ein Streichtrio für ein Konzert des ALEA-Ensembles in London bat, kam er diesem Wunsch doch nach. Die „Suite für Streichtrio“, op. 89, dürfte eines seiner letzten Werke, oder sein allerletztes, sein.

In den letzten 15 Jahren durfte ich ihn als lieben Freund bezeichen; ich schätzte nicht nur seinen immer wachen Geist, seine Musikalität und Fachkenntnis, sondern auch seine stets liebenswürdige, ruhige und kaum jemals aufgeregte Art und menschliche Wärme. Sein im Rahmen eines Interviews zu seinem 75. Geburtstag (2011) geäußerter Herzenswunsch, noch einmal Bratsche spielen zu können, sollte leider nicht in Erfüllung gehen. Mit ihm verliert die Musikwelt einen seiner profiliertesten und hochklassigsten schöpferischen Geister.
 

Werkverzeichnis von Herbert Blendinger online als PDF abrufbar auf: www.steirischertonkuenstlerbund.at à Publikationen/STB-Mitteilungen 2003

Neu: „Herbert Blendinger – Kammermusik“, ALEA-Ensemble
Inhalt: Streichquartette 1-4, Klaviertrios 1-2, Streichtrio, Klavierquartett,
Duo concertante für Violine und Klavier, Drei Stücke für Cello und Klavier
Die Doppel-CD ist beim ALEA-Ensemble erhältlich: 18 Euro + Porto
Kontakt: www.alea.at, praesent [at] utanet.at (praesent[at]utanet[dot]at)

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