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Portrait: Ein Mann mit sonnenbraunem Teint, und kurzen grauen Haaren und gestutztem Vollbart.

Matthias Deichstetter. Foto: VdM

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Engagement und Weiterbildung

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Ein Interview mit Matthias Deichstetter, Stellvertretender Bundesvorsitzender des VdM
Vorspann / Teaser

Matthias Deichstetter studierte an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin Diplom-Orchestermusik und Pädagogik mit Hauptfach Trompete. 2004 wurde er Leiter der Musikschule des Kyffhäuserkreises „Carl Schroeder Konservatorium“. 2014 wurde er außerdem zum Amtsleiter für Kultur und Tourismus im Kyffhäuserkreis berufen. Seit 2009 ist er Vorstandsmitglied und seit 2012 Vorsitzender des Verbandes deutscher Musikschulen Landesverband Thüringen e.V.

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neue musikzeitung: Sie sind seit 2022 Mitglied im Bundesvorstand des VdM, seit April Stellvertretender Vorsitzender – und seit fast 12 Jahren Vorsitzender des Landesverbands in Thüringen. Was motiviert Sie, sich in diesem Bereich zu engagieren?

Matthias Deichstetter: Ich habe diese Arbeit im Bundesverband, auch im erweiterten Bundesvorstand immer als sehr gewinnbringend für meine eigene Einrichtung empfunden. Ich verstehe die Arbeit auf Bundesebene nicht nur so, dass ich mich selbst einbringen kann. Jede Sitzung ist für mich auch wie eine Weiterbildungsveranstaltung. Ich kann sehr viel für die eigene Arbeit übernehmen.

nmz: Gibt es bestimmte Themenfelder, für die Sie sich im Bundesvorstand besonders engagieren wollen?

Deichstetter: Das wichtigste Thema, das für mich über allem steht: Wir müssen es schaffen, wieder in einer breiten Öffentlichkeit gesehen zu werden. Wenn wir bei Verbandstagungen, Hauptarbeitstagungen oder Bundes-

kongressen sind, scheint es so, als würden wir komplett in der Öffentlichkeit stehen. Die Arbeit im Detail und vor Ort zeigt aber, dass das nicht so ist. Wenn Musikschullehrende teilweise von Eltern oder Schülern gefragt werden, was sie denn beruflich machen, dann ist das ein deutliches Signal. Ich finde es ungemein wichtig, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass man weiß, was Musikschulen sind und was in den Häusern passiert. Ganz viele unserer Themen auf Bundes- oder Landesebene und auch vor Ort hängen unmittelbar damit zusammen.

nmz: Gibt es schon Ideen, wie das passieren kann?  

Deichstetter: Ich habe zwei Arbeitsgruppen übernommen, in denen wir uns mit Fachleuten darüber unterhalten, wie wir es in der heutigen Medienlandschaft schaffen können, uns in den Fokus zu rücken. Da ist es nicht mehr ausreichend, wenn man hin und wieder beim Radiointerview erscheint, oder hin und wieder mit einem Presseartikel an die Öffentlichkeit geht. Das ist eine Arbeit, die tagtäglich stattfinden muss. In unserer Generation reden wir eigentlich nur über die Sozialen Medien, ohne sie richtig zu verstehen. Ich habe mir sehr kompetente junge Leute in das Team mit hineingeholt, die uns dort vielleicht auch kräftig den Kopf waschen und uns zeigen, wie so etwas funktioniert. Das Thema wird die nächsten zwei Jahre in Anspruch nehmen, bis wir ein Konzept und eine Struktur haben. Das möchte ich auch gerne in der Geschäftsstelle unseres Verbandes implementieren.

Es soll ein großes Netzwerk daraus entstehen, weil bundesweit alle mitmachen sollen. Wenn ich über 900 Musikschulen in dem Netzwerk habe, dann ist der Content, den wir dafür benötigen, auch relativ einfach zu generieren. Aber das muss erst einmal aufgebaut werden.

In meiner Musikschule fange ich gerade an, so etwas mit Jugendlichen umzusetzen, mit Schülerinnen und Schülern aus dem Haus, die auf diesem Gebiet sehr fit sind. Die empfinden es als anerkennend, wenn sie für die Musikschule tätig sein können. Und wir können ihnen dafür zum Beispiel eine Gebührenermäßigung anbieten.

nmz: Wenn dies die Basis für alle Herausforderungen ist: Was sind dann die größten Herausforderungen?

Deichstetter: Die größte Herausforderung ist sicher die Fachkräftenachwuchsgewinnung. Wenn wir aber von einer breiten Öffentlichkeit gar nicht gesehen werden, ist das umso schwieriger, abgesehen davon, dass wir für künftige Fachleute Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen haben müssen, die attraktiv sind. Dafür müssen wir Weichen an anderer Stelle stellen, auch auf politischer Ebene. Genau deshalb müssen wir gesehen und ernst genommen werden und dürfen keine Randerscheinung sein.

nmz: Wie steht es an Ihrer eigenen Musikschule mit dem Fachkräftemangel?

Deichstetter: Ich generiere mir tatsächlich meine Lehrkräfte zum größten Teil selbst. Es kommt selten vor, dass wir eine Stelle ausschreiben und nicht im Vorfeld schon Menschen angesprochen haben. Derzeit sind wir mit unserem kommunalen Träger darüber in Verhandlungen, dass wir duale Studienplätze schaffen, dass wir Schülerinnen und Schülern der Musikschule anbieten können, ein Pädagogikstudium in Weimar durchzuführen. Sie können dann parallel an der Musikschule unterrichten und bekommen dadurch quasi das Studium bezahlt. Im Gegenzug verpflichten sie sich, anschließend für die Musikschule tätig zu sein. Kinder und Jugendliche, die hier aufgewachsen sind, die hier ihr soziales Umfeld haben, können sich das eher vorstellen als solche, die Sondershausen vielleicht gar nicht kennen.

nmz: Sie sind nicht nur Musikschulleiter, sondern auch Amtsleiter für Kultur, Tourismus und Musikschule im Landkreis. Hilft Ihnen das andererseits auch bei der Musikschularbeit?

Deichstetter: Das hilft mir sehr. Die Musikschule sitzt ja nicht in der Kreisverwaltung, sondern in einem separaten Gebäude. Ich bin jetzt seit 2013/2014 im Landratsamt und habe zwei Büros. Seitdem geht nichts mehr an mir vorbei. Das ist unglaublich gewinnbringend für das Haus. Wir können viele Dinge auf ganz kurzem Weg klären, und davon profitiert die Musikschule.

nmz: Seit 2022 gibt es das Thüringer Musik- und Kunstschulgesetz. Wie kam es dazu, und wie ist der Stand heute?

Deichstetter: Ausgangspunkt war, dass es keine gesetzliche Verankerung für die Musikschulen gab. Wir haben über viele Jahre versucht, einen Gesetzentwurf hinzukriegen. Das ist lange Zeit nicht gelungen. Als Benjamin-Immanuel Hoff hier Minister für Kultur wurde, hat er uns im Antrittsgespräch gesagt, dass er ein Kulturfördergesetz plant, welches auch die Musikschulen beinhaltet. Sollte das nicht kommen, könne er verstehen, wenn wir ein Musikschulgesetz fordern. Das Kulturfördergesetz ist nicht gekommen. Dann haben wir uns mit den Jugendkunstschulen zusammengetan. Wir haben einen Gesetzestext entworfen, den wir zeitgleich an alle Thüringer Landtagsfraktionen verschickt haben. Wir haben aber vorher bereits sehr viele persönliche Ansprechpartner kontaktiert. Als dann im Juni 2022 das Gesetz verabschiedet wurde, mit einem eistimmigen Beschluss ohne Enthaltungen und ohne Neinstimmen, ist mir die eine oder andere Träne übers Gesicht gekullert.

Wir sind jetzt so weit, dass die Musik- und Jugendkunstschulen ihre Anerkennung haben. Derzeit wird die Förderung für die Schulen ausgerechnet, so dass wir damit rechnen können, dass jetzt auch der Förderbescheid für die institutionelle Förderung ins Haus flattert.

Wir hatten ganz große Unterstützung von einzelnen Landtagsabgeordneten und die persönlichen Kontakte zu ihnen. Das war am Ende der Schlüssel zum Erfolg.

nmz: Eine persönliche Frage zum Schluss: Schaffen Sie es noch, selbst als Musiker tätig zu sein?

Deichstetter: Selten. Durch meine Tätigkeit als Amts- und als Musikschulleiter schaffe ich es nicht mehr persönlich zu unterrichten. Ich betreue aber eine eigene Band hier im Haus, und da spiele ich selbst auch mit. Ich spiele außerdem in Dresden in einem Kammerorchester. Wenn dort Projekte stattfinden, bin auch ich gezwungen, mir täglich eine Stunde freizuschaufeln und das Instrument in die Hand zu nehmen, um dann entsprechend fit zu sein. Das ist für mich wichtig. Ich habe schließlich Musik studiert, um Musik zu machen. Das kann ich nicht komplett ablegen, auch wenn mir das Management großen Spaß macht. 

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