Zu jedem Topf gibt es einen Deckel. Auch musikalisch. Hip Hop gehört nach New York, Grunge nach Seattle und Jazz nach New Orleans. Aber gehören Bach, Gershwin oder Mozart nach Soweto? Einem südafrikanischen Township, dem Drogen, HIV, Gewaltverbrechen, Morde und Hoffnungslosigkeit deutlich näher und besser stehen als Kultur und Klassik?
Geht es nach Rosemary Nalden, dann darf es keinerlei Zweifel daran geben, dass desgleichen im Armenviertel Soweto, einer mittlerweile von Johannesburg eingemeindeten Industriemetropole, Klassik und Kultur eine Berechtigung haben. Die britische Bratschistin ging 1993 nach Soweto und gründete dort die „Buskaid Musikschule“. Mit einer Spendenaktion in London erbettelte sie zum Start ihres Projektes 6000 Pfund. Kinder aller Altersstufen sollten so nicht nur die Werke Bachs, Mozarts oder Bartoks kennenlernen, sondern auch spielen lernen.
Ein freilich knallhartes Kontrastprogramm, das Regisseur Mark Kidel in seiner knapp einstündigen Dokumentation „Soweto Strings“ filmisch festhält. Achtjährige marschieren mit dem Geigenkoffer durch ein Meer an Wellblechhütten. Zehnjährige üben Geigenstücke in ärmlichen Lehmhütten. Aber sie lachen. Sind glücklich. Ein Verdienst der Bratschistin Rosemary Nalden. Die, das zeigt der Film fühlbar, längst keine Musiklehrerin mehr für die Kinder und Jugendlichen ist. Vielleicht noch am Rande. Vielmehr ist sie Ersatzmutter, Ratgeberin, Motivatorin. Eigentlich scheint sie für die Mitglieder des „Buskaid String Orchestra“ Hoffnung zu sein. Nicht auf ein besseres, reicheres Leben. Doch auf ein anderes.
Mit unglaublicher Hingabe, absolut utopischem Idealismus aber auch klassisch britischer Strenge hat sie ein Orchester aufgebaut, das mittlerweile in Europa und den USA auf Tournee geht und große Anerkennung findet. Immer wieder blitzen im Film Momente auf, in denen man Rosemary Nalden anmerkt, dass sie eine große Bürde mit sich schleppt. Dass sie trotz aller Inspiration unter großem Druck steht.
Aber da gibt es zum Beispiel Samson. Ein ehemals kleiner Junge, der sich ihr aufdrängte, den sie zunächst nicht in die Musikschule aufnehmen konnte. Nun, Samson steht einstweilen vor einer großen Karriere. Inzwischen 26 Jahre, studiert er in Manchester Musik uns spielt bereits als Student neben Profis in den großen britischen Orchestern. Samson ist für Rosemary Nalden der Ansporn weiter zu machen. Natürlich werden diesen Weg nicht alle gehen können. Aber Samson kann Rosemary Nalden helfen, den Kindern und Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen.
Großes Lob für einen Film, der 2005 gedreht wurde, den Alltag der Musikschule und ihrer Leiterin Rosemary Nalden zeigt und den Zuseher für eine Stunde in eine andere, fast nicht vorstellbare Welt entführt.
Der Film endet mit einem Konzert des „Buskaid String Orchestra“ in der Pariser „Cité de la Musique“. Leider. Irgendwie hat man an dieser Stelle das Gefühl, es könnte erst richtig los gehen.
Wiederholungen:
ARTE „Soweto Strings“ am Sonntag, 30.08.2009 um 06:00 Uhr.
SWR Fernsehen FASZINATION MUSIK, "Soweto Strings", am Sonntag, 27.09.09 um 00:00 Uhr.
Soweto Strings
Montag, 17. August 2009 um 23.25 Uhr
Großbritannien, 2007, 60 Minuten, WDR, Regie: Mark Kidel
Wiederholungen: 30.08.2009 um 06:00