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César Cuis „Der gestiefelte Kater“ in der Werkstattbühne der Berliner Staatsoper. Foto: Matthias Baus
César Cuis „Der gestiefelte Kater“ in der Werkstattbühne der Berliner Staatsoper. Foto: Matthias Baus
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Rote Karte für den falschen Freier – und fürs Programmheft: César Cuis „Der gestiefelte Kater“ in der Werkstatt der Berliner Staatsoper

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Nachdem die Werke des 1918 in Petrograd verstorbenen Komponisten César Cui viele Jahre kaum auf den Opernbühnen und im Konzertsaal zu erleben waren, erfreut sich die 1913 in Petersburg uraufgeführte Oper „Der gestiefelte Kater“ in Berlin, Dresden und Straßburg neuer Beliebtheit.

Der 1835 in Vilnius geborene César Cui ist ein Unikum der Musikgeschichte. Der Komponist von fünfzehn Opern, diversen Orchesterwerken, Chören und Kammermusik, gehörte zum „Häuflein der Mächtigen“ und proklamierte einen russischen Nationalstil. Aber seine Kompositionen haben kein russisches Klangidiom. Auch die Partitur seiner im Jahre 1913 komponierten Kinderoper „Der gestiefelte Kater“, die den Erfolg seiner vorangegangenen Perrault-Dramatisierung des „Rotkäppchen“ als Kinderoper fortsetzen konnte, erfüllt die französische Märchenvorlage von Charles Perrrault im besten Sinne mit einer westlich-spätromantischen Vertonung.

Nach knapp fünfzig ausverkauften Vorstellungen der Märchenoper „Aschenputtel“ von Ermanno Wolf-Ferrari setzte die Staatsoper im Schillertheater ihre Erfolgsschiene der Kinderoper mit der Wiederaufnahme von Cuis „Der gestiefelte Kater“, in einer Produktion vom November 2010, fort. Wie bei Wolf-Ferraris früher Oper „Aschenputtel“, so hat Douglas Brown auch bei Cui den Orchesterapparat heftig reduziert, diesmal auf die solistischen Instrumente Violine, Violoncello, Klarinette, Posaune, Klavier und Schlagzeug. Dirigent Boris Antifantakis leitet die Aufführung vom Klavier aus. Nur einmal wird der satte Wohllaut gestört, wenn Cui die groteske Angstmache des Menschenfressers kakophonisch charakterisiert, und so der erklärte avantgardistische Ansatz des russischen Komponisten hörbar wird.

In rasanter Kürze wird das Märchen von den drei Brüdern mit ungleichem Erbe, deren jüngster nur den väterlichen Kater bekommt, welcher aber in Stiefeln zum königlichen Berater aufsteigt und Jean, den jüngsten Bruder, zum Gemahl der Prinzessin macht. Regisseurin Isabel Ostermann erzählt die personenreiche Handlung mit nur fünf Sängerdarstellern, die – nach einer Einlass-Situation als Möbelspediteure – in verschiedene Rollen schlüpfen, sowie mit einem sechzehnköpfigen  Kinderchor. Beim Spiel wird manchmal zu dick in kindlicher Komik aufgetragen, was dann nur bei einigen der allerjüngsten Besucher ankommt. So auch, wenn der König zur Erzählung der ersten Tat des Katers ein Kaninchen mimt oder wenn der höfische Ball durch ein Fußballspiel ersetzt und der falsche Freier die „rote Karte“ gezeigt bekommt. Die Opernproduktion richtet sich an ein familiäres Publikum, bei dem sie in der vorabendlichen Premiere auch rundweg gut ankommt.

Musikalisch ist die generell doppelt und in der Titelpartie sogar dreifach besetzte Produktion auf sehr hohem Niveau angesiedelt. Köstlich der Bariton Michael Rapke als mittlerer Bruder und als König und der Bassist Kai Wegner als älterer Bruder, der mikrofonverstärkt und als Schattenriss agierend zum Menschenfresser mutiert. Zunächst arg nasal, dann sich frei singend gestaltet der Tenor Matthias Siddharta Otto den Jean, ihm zur Seite stimmschön Maraike Schröter als Prinzessin. Und wirklich hinreißend in ihrem Spiel und mit kernigem Mezzo verkörpert die junge katalanische Sängerin Anna Alàs I Jové die Titelpartie. Der von Vinzenz Weissenburger einstudierte Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden singt und spielt mit Begeisterung, inklusive einem kleinen Solisten als Herold.

All zu dürftig ist wieder einmal das Programmheft ausgefallen: nur „Kater-Poesie und Mäuse-Lektüre“ (von Perrault, E.T.A. Hoffmann, Daniil Charms, sowie Gedichte von Heinz Erhardt und Robert Gernhard), aber nicht ein Wort über den Komponisten oder über seine Oper.

Weitere Vorstellungen: 9., 10., 11., 12., 14., 15., 16., 17., 18., 19., 21.,25., 28., 29. Januar 2012

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