Richard Heller wurde 1954 in Wien geboren, studierte zunächst in seiner Vaterstadt parallel zum Kompositionsstudium bei Erich Urbanner Mathematik und abstrakte Logik, bevor er sich ganz der Musik zuwandte. Sein Schaffen umfasst Kammermusik und sinfonische Werke.
Er ist Vorsitzender des Tonkünstlerverbandes Augsburg-Schwaben und lehrt seit 1979 in Augsburg nunmehr an der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg Musiktheorie. Richard Heller bekennt sich auch als Künstler zu seinen außermusikalischen Wurzeln: „Mathematiker denken gerne in abstrakten Inhalten und rechnen ungern Ergebnisse aus. Im 20. Jahrhundert hat man häufig das Rechnen zur Grundlage der Musik gemacht, aber das ist für einen Mathematiker weder eine schöne Logik noch ein eleganter Beweis. Ich möchte in meiner Musik die abstrakte Logik und die Klangsinnlichkeit miteinander verbinden. Das Technikhörige 20. Jahrhundert hat diese Verbindung auch in der Musik vernachlässigt und allzu oft, ganz analog zu den technischen Möglichkeiten, das Maß der Wahrnehmungsmöglichkeiten überschritten. Nicht das technisch Machbare, sondern das vom Zuhörer mit den Mitteln der Sinneswahrnehmung Erfassbare sollte daher wieder im Mittelpunkt stehen“, fasst er sein Credo zusammen.
Besonderen Wert auf die harmonische Gestaltung legend, und beeindruckt von der Klanglichkeit Maurice Ravels, Claude Debussys und Alban Bergs bezeichnet er sich andererseits fast als geborenen Kontrapunktiker, der die Balance zwischen Linie und Vertikalität sucht.
So haben ihn kompositionstechnisch drei Komponisten besonders beeindruckt: „Alexander Skrjabin mit seiner exzessiven Linearität und Harmonik; der Heinrich Schütz, der – in seinem Spätwerk fast ohne Melodie und Rhythmus – enorme sinnliche Wirkung erzielt hat; und Joseph Haydn, der glasklare Logik und das Spielen, das Unterhalten auf hochgeistigem Niveau miteinander verbindet. Allen drei gemeinsam ist, dass sie in ihren jeweiligen Epochen an einem Punkt der Entwicklung standen, wo sich lineare und vertikale Gestaltung getroffen und überlagert haben.“ Anregungen von Melodik und Harmonik ebenso wie gewisser repetiver Momente des Jazz (Riffs, Patterns) finden sich in seinen Werken. Jedoch fehlen im Gegensatz zum Jazz in seiner total komponierten Musik improvisatorische aleatorische Elemente. Heller will mit seiner Musik in die Tiefe gehen, Strukturen verändern und trotzdem die Sinnesorgane ansprechen. „Der Zuhörer reagiert auf einen mehr oder weniger äußerlichen Reiz, aber man kann sozusagen den Genuss noch steigern, wenn man dem, der nicht nur hört, sondern auch analysiert, zeigt, dass unter der Oberfläche noch mehr verborgen ist“, beschreibt Heller sein Anliegen. Individualität bedeutet für ihn, in seinem Schaffen nicht nur verstanden, sondern auch in seiner spezifischen Klanglichkeit, (den „inneren Klang, der neben den logischen Prozessen ein gleichberechtigtes Gestaltungsmittel darstellt“) als Person erkannt zu werden. Er setzt dieses Anliegen auch in „Klangfarbenbeschreibungen“ um, wie seinem Origano (Duo für Orgel und Klavier) oder der Cellophonie für acht Violoncelli. Intensiv befasst sich Heller mit der Rückbesinnung auf die Ursprünge der europäischen Musiksprache. „Musik ist Kommunikation und man kann nur kommunizieren, wenn man sich versteht. Die schiere Abkehr von der Tradition hat zu Verständnislosigkeit zwischen Komponist und Zuhörer geführt. Jetzt steht man wieder in einer Aufbauphase, in einer Renaissance im Sinne einer Wiederentdeckung, die zu Neuem führt. Dazu gehört die Rückbesinnung auf die von der Obertonreihe abgeleitete Tonalität als quasi Naturgesetz und eben auch die Wiederentdeckung des Zuhörers. Es geht nicht mehr um tonal oder nicht tonal, sondern um erfassbare Synthesen.“
Sein großer Anspruch, Musik als Kommunikation umzusetzen, bezieht sich sowohl auf das Wirken zwischen den Musikern als auch auf das Publikum. Er zitiert etwa neben alten Formen wie der dreiteiligen Liedform als Urform der Kontrastbildung oder die klassische Sonatenhauptsatzform als einen Archetyp menschlicher Gespräche. „Es gibt große Linien, Umwege, Abgrenzungen und Distanzen und in einer guten Reprise ist jeder ein anderer, jeder beeinflusst den anderen“, und er gibt seinen Werken Titel, die menschliche Kommunikation und Erzählungen, Gespräche andeuten: Ballade, Dialog, Poème, Statement, Diskurs, Essay. Dabei lehnt er bewusst Programmmusik für seine Werke ab und zeigt sich, wie in seinem Concertino für Orchester, dem Concerto per fiati, dem Konzert für Violine und Orchester, seinem Konzert für Marimba und kleines Orchester oder auch in seiner Sinfonietta (für Blasorchester) als ein Verfechter der absoluten Musik. Er beruft sich dabei auf Schönbergs Forderung, dass die Musik optimalerweise sogar beim Lied nur zum Anfang die Stimmung des Textes aufnehmen und sich dann autark als absolute Musik weiterentwickeln sollte. Ganz Mathematiker will Heller mit abstrakten Formeln eine abstrakte Aussage treffen, um somit abstrakte Empfindungen klanglich auszulösen. „Ich will nichts ausdrücken, was man auch mit Worten beschreiben kann.“ In dieses Denken passt auch seine Idee, dass Musik, gerade weil sie nicht von der gesellschaftlichen Entwicklung getrennt sein kann, als eigener Kosmos mit eigenen Gesetzen die Möglichkeit hat, die Harmonie der Welt, in der etwas positiv Utopisches möglich ist, hörbar zu machen.