Corona zum Trotz: Volles Programm bei den Salzburger Festspielen +++ Sommer-Open-Airs in Schwerin und Neustrelitz beendet +++ Kunst und Musik - 32. «Kulturelle Landpartie» erstmals im Sommer +++ Rund 2000 Zuschauer bei «Klassik am Odeonsplatz» +++ Niedersächsische Musiktage erkunden «Rituale»
Corona zum Trotz: Volles Programm bei den Salzburger Festspielen
Georg Etscheit, dpa
Salzburg - Eigentlich sollte es dieses Jahr wieder eine (fast) normale Salzburger Festspielsaison werden, ein volles Programm mit 168 Aufführungen aus Oper, Schauspiel und Konzert an 46 Tagen in 17 Spielstätten. Doch immer noch hängt die Corona-Pandemie wie ein Damoklesschwert über dem weltgrößten Musik- und Theaterfestival (17. Juli bis 31. August).
Erst vor wenigen Tagen mussten das City of Birmingham Symphony Orchestra & Chorus die Teilnahme absagen. Unter Chefdirigentin Mirga Grazinyté-Tyla sollte das einst durch Simon Rattle weltbekannt gewordene Orchester Benjamin Brittens monumentales «War Requiem» aufführen. Die neuen Reiserestriktionen für Großbritannien vereitelten dies.
In alle Eile suchte die Festspielleitung Ersatz und zimmerte aus Mitgliedern des Gustav Mahler Jugendorchesters, des ORF Radio-Symphonieorchesters sowie dem Wiener Singverein einen neuen Klangkörper für Brittens Meisterwerk. Erstmals verfügen die Festspiele damit über ein eigenes Festivalorchester. Aus der Not geboren, vielleicht ein Modell für die Zukunft?
Auch der Hugo von Hofmannsthals Open-Air-Dauerbrenner «Jedermann» steht im Zeichen der nicht enden wollenden Epidemie. Unverhofft gibt es dieses Jahr eine Neuinszenierung des Stoffes vom «Sterben des reichen Mannes». Weil fast das gesamte Darstellerteam ausgetauscht wurde, entschied man sich kurzfristig gegen eine Wiederaufnahme der 2017 herausgekommenen, technisch aufwändigen und etwas prosaischen Produktion von Michael Sturminger. Der österreichische Regisseur bringt nun abermals eine komplette Neudeutung des Mysterienspiels auf den Salzburger Domplatz, mit dem Berliner Schauspielstar Lars Eidinger in der Titelrolle und der Salzburgerin Verena Altenberger als Buhlschaft.
In schwierigen Zeiten will Sturminger eine betont einfache Inszenierung realisieren: «Etwas roh, wenig glamourös und, wenn doch, wild-glamourös.» Ob die berühmten «Jedermann»-Rufe vom Anfang des Stückes wieder, wie vom Dichter vorgesehen, in die Bankettszene zurückverlegt werden, wollte Sturminger nicht verraten. Mit Mavie Hörbiger, Enkelin von Paul Hörbiger, soll erstmals eine Frau den Teufel spielen. Sturminger kann sich sogar vorstellen, dass in einigen Jahren eine Frau auch die Titelrolle übernehmen könnte. Und ein Transsexueller? «Wenn eine Regisseurin oder ein Regisseur eine Idee dazu hat, warum nicht?»
Weil auch die Salzburger Festspiele mit Einnahmeausfällen zu kämpfen haben, gibt es dieses Jahr neben Wiederaufnahmen und Übernahmen nur zwei Opern-Neuinszenierungen: Wolfgang Amadeus Mozarts «Don Giovanni» in der Regie des italienischen Bühnenkünstlers Romeo Castellucci sowie »Intolleranza 1960» von Luigi Nono, ein Schlüsselwerk der Nachkriegsmoderne. Anna Netrebko darf natürlich nicht fehlen: Sie singt die Titelrolle in Giacomo Puccinis Ohrwurm-Evergreen «Tosca», einer Übernahme von den Osterfestspielen Salzburg.
Weniger gerupft ist das Schauspielprogramm mit vier Neuproduktionen. Neben dem «Jedermann» gibt es unter anderem eine Shakespeare-Adaption unter dem Titel «Richard The Kid & The King» mit Lina Beckmann in der Hauptrolle sowie Friedrich Schillers Klassiker «Maria Stuart», in Szene gesetzt von Martin Kusej, dem Wiener Burgtheaterchef und früheren Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele.
Die großen Namen der Klassikwelt sind wie eh und je im Konzertprogramm zu finden, darunter der italienische Maestro Riccardo Muti, der während der Festspiele nicht nur seinen 80. Geburtstag feiert, sondern auch sein 50. Salzburger Bühnenjubiläum. Zu diesem Anlass spielt er mit den Wiener Philharmonikern Ludwig van Beethovens «Missa solemnis», eines der unbestrittenen Gipfelwerke sakraler Musik.
Sommer-Open-Airs in Schwerin und Neustrelitz beendet
Die Corona-Pandemie hat auch 2021 ihre Spuren bei den Theater- Open-Airs in Mecklenburg-Vorpommern hinterlassen. Doch während die Störtebeker-Festspiele auf Rügen erneut ausfielen, brachten die Theater in Schwerin und Neustrelitz ihre Sommerstücke auf die Bühnen.
Schwerin/Neustrelitz (dpa/mv) - Die Schlossfestspiele in Schwerin sind am Samstagabend zu Ende gegangen. Nach 22 Aufführungen des Musicals «Titanic» beendete das Mecklenburgische Staatstheater seine Sommerspielzeit auf der Freilichtbühne zwischen Theater und Schloss. Im Innenhof des Schlosses stand zudem das Narrenspiel «Die Schildbürger» letztmals auf dem Spielplan.
Wegen der coronabedingten Abstandsregeln konnten die Besucherränge nur teilweise gefüllt werden. So waren auf der großen Freilichtbühne bei «Titanic» nur maximal 600 statt der sonst üblichen 2000 Besucher erlaubt. «Wir waren bereits kurz nach den Premieren für die gesamte Saison ausverkauft. Ohne Corona-Beschränkungen hätten wir sicherlich mehr als doppelt so viele Karten verkauft», sagte Generalintendant Lars Tietje.
Es sei aber gut gewesen, nach der langen Corona-Pause wieder Theater spielen zu dürfen. «Beteiligten und Publikum war gleichermaßen anzumerken, wie sehr es gefehlt hat», stellte Tietje fest. Nach seinen Angaben schauten sich insgesamt etwa 13 700 Zuschauer das «Titanic»-Musical an, das Treiben der «Schildbürger» etwa 3700. Nach Theaterangaben konnte nur eine der «Titanic»-Vorstellungen wegen starken Regens nicht zu Ende gespielt werden.
Nach gut dreiwöchiger Spielzeit gingen auch die Operettenfestspiele in Neustrelitz (Mecklenburgische Seenplatte) zu Ende. Nach Angaben der Veranstalter waren alle Aufführungen von Jacques Offenbachs musikalischer Parodie «Pariser Leben» ausverkauft. Allerdings waren auch dort die Plätze auf ein Drittel reduziert worden. Die Stimmung sei zwar etwas gedämpfter gewesen als sonst. Aber viele Zuschauer hätten sich bedankt, dass sie «mal für drei Stunden Corona vergessen durften», sagte der Intendant der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz, Sven Müller.
Das landesweit größte Theater-Open-Air, die Störtebeker-Festspiele auf Rügen, hatte ebenso wie die kleinere Müritz-Saga in Waren wegen der Unsicherheiten in der Corona-Pandemie die Spielzeit wie im Vorjahr komplett abgesagt. Das Piraten Open Air in Grevesmühlen (Landkreis Nordwestmecklenburg) hingegen will am 23. Juli Premiere für sein actionreiches Familienspektakel «Ein Königreich vor dem Wind» feiern und bis Mitte September spielen. Die Vineta-Festspiele auf Usedom als landesweit ältestes Theater-Open-Air laufen seit Anfang Juli.
Kunst und Musik - 32. «Kulturelle Landpartie» erstmals im Sommer
Die «Kulturelle Landpartie» und die Sommerlichen Musiktage in Hitzacker finden erstmals fast zeitgleich statt. Ende Juli gibt es reichlich Auswahl an Kultur im Wendland.
Lüchow (dpa/lni) - Erstmals gibt es einen kulturellen Hochsommer im Wendland. Die 32. «Kulturelle Landpartie» ist wegen Corona von Mai auf die Zeit vom 28. Juli bis 8. August verschoben worden und die Sommerlichen Musiktage in Hitzacker werden vom 31. Juli bis 8. August stattfinden. «Für uns ist das doppelter Aufwand, weil für Mai geplant war», sagte eine Sprecherin der «KLP». Neu ist eine App für Termine (app.kulturelle-landpartie.de).
Künstler und Kunsthandwerker öffnen für zwölf Tage Höfe und Ateliers. Auch mit Musik, Theater und Kabarett zieht das Festival im Kreis Lüchow-Dannenberg alljährlich Zehntausende Besucher an. Entstanden ist es 1989 aus der Widerstandsszene gegen die Atomenergie. Sie soll zeigen, dass das Wendland mehr zu bieten hat als die Proteste der Atomkraftgegner.
Die für den 7. August geplante «Widerstandspartie» an den Atomanlagen in Gorleben ist unterdessen wegen der Pandemie abgesagt worden. Das Ausscheiden des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager sollte gefeiert werden. Das soll 2022 nachgeholt werden.
Angesichts sinkender Corona-Inzidenz und der Möglichkeit der Platzierung im Schachbrettsystem sollen auch die 76. Sommerlichen Musiktage in Hitzacker wie geplant vonstatten gehen. Zehn Uraufführungen stehen auf dem Programm von Deutschlands ältestem Kammermusikfestival unter dem diesjährigen Motto «Schubert.JETZT!». Die Künstler widmen sich den Kammermusikwerken des Wiener Komponisten Franz Schubert (1797 - 1828). Manche Konzerte gibt es doppelt, die Künstlerinnen und Künstler spielen zweimal.
Rund 2000 Zuschauer bei «Klassik am Odeonsplatz»
München (dpa/lby) - Nach Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ist in München eines der größten Open-Air-Konzerte seit Monaten über die Bühne gegangen. Etwa 2000 Zuschauer lauschten am Freitagabend in der Münchner Innenstadt dem Konzert der Münchner Philharmoniker. Solistin des Abends war die weltbekannte Pianistin Yuja Wang.
Zur Konzertreihe von «Klassik am Odeonsplatz» konnten vor der Pandemie jeweils bis zu 8000 Besucher kommen. Nach Angaben der Veranstalter war das Konzert die erste kulturelle Großveranstaltung unter freiem Himmel in diesem Jahr.
Im Rahmen eines Modellprojekts ließ die Stadt bis zu 2000 Zuschauer zu. Nach Angaben von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wird das Projekt wissenschaftlich begleitet. Erkenntnisse daraus wolle man für künftige Kunstveranstaltungen verwenden, die dann womöglich in noch größerem Rahmen stattfinden könnten. Nach Angaben des bayerischen Kunstministeriums waren bisher kulturelle Veranstaltungen unter freiem Himmel mit bis zu 1500 Zuschauern möglich.
Niedersächsische Musiktage erkunden «Rituale»
Hannover (dpa/lni) - Zu fast 60 Konzerten und Veranstaltungen an 40 verschiedenen Orten laden die Niedersächsischen Musiktage 2021 ein. Das Festival findet vom 28. August bis zum 2. Oktober statt. Der Vorverkauf beginnt nach Angaben der Veranstalter am kommenden Donnerstag (15.7.). Das Motto der Musiktage lautet «Rituale»: Musik gehöre zu vielen menschlichen Ritualen wie Tanz, Gebet oder Feier, heißt es auf der Webseite des Festivals. Auch Konzerte hätten ihre eigenen Rituale, die auf moderne Weise erkundet werden sollen.
Auf dem Programm stehen Kammer- wie Orchestermusik, Soul und Jazz, Liederabende wie Lesungen. Ein Projekt verbindet strenge polyphone Musik der Renaissance mit der ebenso formbewussten Kampfkunst Karate. Die Auftaktkonzerte erklingen im Emsland, das Festival endet mit Aufführungen aller Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven in Hannover.
Im vergangenen Jahr hatten die Niedersächsischen Musiktage wegen Corona nur eingeschränkt stattfinden können. Doch das 2020 entwickelte Format «Festivals aufm Platz» mit Musik und Literatur auf öffentlichen Plätzen wird fortgesetzt.