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Die Allgemeinplatz-Phobie verfolgt mich noch immer...
"Ich möchte eigentlich nicht viel zu meiner Musik sagen - sie spricht für sich selbst." (Falsch.)Diese Worte stammen von James Clarke, der Komponist der gestrigen Klavierkonzert-Uraufführung. Seine Kammermusik, die ich sehr mag und seit einigen Jahren kenne, klang im Vergleich zu Orchesterstücken aus seiner Feder schon immer wie die eines ganz anderen Komponisten. Und obwohl er ja eigentlich nicht über seine Werke sprechen will, stand er dann doch heute Morgen nach der allgemeinen Begrüßung von Solf Schaefer mehr als eine Stunde Rede und Antwort. (Warum?) Aber eine richtige Diskussion kam nicht zustande - wie überhaupt mir die Stimmung hier sehr träge und kein bißchen kontrovers erscheint. Anschließend gab es "Open Space": Zwei orientierungslose Komponisten werden auf eine Bühne gesetzt und sprechen über irgendein Thema. (Kein Witz, das ist das Konzept.) Irgendwann versuchte Manos Tsangaris (der neben Klaus Lang gesetzt wurde) es mit einer Provokation. Die Zeiten, in denen ein Komponist Neuer Musik sich als politisch und gesellschaftlich empfunden habe, seien vorbei. "Oder ist heute jemand hier, der noch so denkt?" Natürlich meldet sich niemand. Die Frage ist ja auch viel zu blöd gestellt. Man ist hier wohl lieber nach außen hin lieb zueinander und frißt seine musikalischen Abneigungen in sich hinein. Nach einem gähnend langweiligen Vortrag von Marco Stroppa ging die Orientierungslosigkeit weiter. Keiner weiß, wo er wann wohin muß. Die Organisation ist mehr als nur schlecht, es gibt kein W-LAN, nur eine einzige Unterrichts-Liste hängt offiziell aus - alle anderen anwesenden Kompositions-Dozenten sind schon "ausgebucht". Vordrängeln hilft. Aber darauf habe ich keine Lust. Die wahnwitzige Häßlichkeit dieser Stadt kommt zum bedeckten Himmel erschwerend hinzu. Aber dafür spielt Thomas Hell nachher alle Klavieretüden von György Ligeti. Unfaßbar, wie man das an einem Abend überhaupt körperlich bewältigen kann...