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Klavier, Saxophon, Schlagzeug - eine typische "Neue-Musik-Besetzung". Was ja noch nichts heißen muß... Aber von Darmstadt hätte ich etwas anderes erwartet, als ein derart langweiliges, unspezifisches und durch und durch enttäuschendes Konzert gestern in der Orangerie. Die drei Interpreten von Weltklasse-Format (Yukiko Sugawara, Klavier; Marcus Weiss, Saxophone; Christian Dierstein, Schlagzeug) waren eine wahre Verschwendung für derart (oh nein, nicht schon wieder!) allgemeinplatzalarmnahe Neue Musik... Einzig das Stück von Olga Neuwirth konnte mich zum Zuhören verführen (was nicht primär daran liegt, dass ich mich einzig von Frauen gerne verführen lasse... ihr Stück war einfach das einzig Erhörenswerte...).
Pierluigi Billone schrieb - ich weiß, das wird jetzt für Nicht-Neue-Musik-Kenner wie eine Bestätigung ihrer Vorurteile klingen - eine Musik, die eine angeschlagene, angeriebene, angeritzte Autofelge als klingendes Material entdeckt. Und das konnte für fünf Minuten nicht nur erstaunen, sondern sogar faszinieren. Aber diese Faszination über die klingende Farbigkeit einer Autofelge war nach kurzer Zeit eben ausgereizt und konnte den Ärger über die anschließenden 20 Minuten Ödnis rückwirkend nicht entschuldigen. Um es mit einem Wort von Max Goldt zu sagen: "Würg."
Auch der momentan vielfach herumgereichte Hans Thomalla steuerte ein "Lied" zu dem Konzert in der Orangerie bei. Einzig überzeugend an seiner bisherigen Performance in Darmstadt ist, dass sein Vortrag heute Morgen ("What is a Melody?") exakt so langweilig und nichtssagend war, wie sein gestern aus der Taufe gehobenes Werk - immerhin gefördert von der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung...
Gerade ging ein Podiumsgespräch zuende, bei dem der eigentlich sympathische Manos "Suada" Tsangaris (der hier in Darmstadt - analog zu den beliebten T-Shirts mit "Polizei"-Rückenaufdruck - ein Sweatshirt mit dem Schriftzug "Komposition" trägt) ganz schwach und oberflächlich über den aktuellen "Vermittlungs-Wahn" bezüglich Neuer Musik in Deutschland polemisierte (ohne den Mut zu haben, ganz konkret gegen das "Netzwerk Neue Musik" zu sticheln...). Fragen aus dem Publikum wurden nicht zugelassen. So mußte man also weitere Allgemeinplätze ("Worte schaden der Musik", "Musik ist ja selbst schon eine eigene Sprache" usw.) stumm leidend ertragen.
Natürlich widerspricht niemand. Auch die beiden Gesprächspartner nicken nur stumm. Tsangaris merkt an: "Oh, but we have to fight!" (Lacher.)
Wie gesagt, Fragen aus dem Publikum wurden nicht zugelassen. Gestern hat der Moderator Maoul Rörchen (Entschuldigung, mein altes Problem, er heißt: "Raoul Mörchen") schon ein Statement-Verbot ausgesprochen: "Bitte nur Fragen, keine Statements."
Das heißt also, ich muß mich in den kommenden Tagen in der Kunst üben, Statements zwanghaft in eine Frage zu packen... ("Mrs. X, Ihr gerade präsentiertes Stück hat nichts, wie just von Ihnen behauptet, mit komponierter Dekonstruktion zu tun. Erst klingt es wie früher Webern, dann wie Philip Glass, und dann wieder wie Webern. Können wir bitte das Fenster öffnen?")