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7. Tag: Nieder mit der Mafia!

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Mafiöse Strukturen (und entsprechendes Verhalten) gibt es überall dort, wo es um Geld und/oder Macht und/oder Ruhm geht - auch in der Kunst. Obwohl es sie überhaupt nicht geben sollte - am wenigsten in der Kunst. Und da unter den Künsten die Neue Musik die geringste Außenwirkung hat, ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt, wie die Neue-Musik-Szene hierzulande von mafiaähnlichen Abläufen gesteuert und – wenn es so weiter geht – auf absehbare Zeit zerstört wird. Das klingt ja jetzt erst einmal selbst wie ein Allgemeinplatz - und was hat das Ganze mit den Darmstädter Ferienkursen und beispielsweise mit dem Konzert gestern in der Orangerie (20.30 Uhr), zu tun, an das sich (nach dem Hören der nominierten Werke, natürlich perfekt gespielt vom Arditti Quartett) die Verleihung des Staubach Preises anschloss? Ein "Problem" der Kunst ist ja, dass die Mafiabosse weniger leicht entlarvt werden können, als beispielsweise in der Wirtschaft. Schließlich ist Kunst selbst weniger "entlarvbar", codiert, Interpretationssache – Kunst eben. Ein schlechter Komponist kann immer noch als ein guter Komponist wahrgenommen werden, wenn er beispielsweise selbst hervorragend Klarinette spielt und durch seinen Interpreten-Status auch freundschaftliche Beziehungen zu anderen sehr guten Musikern pflegt, die wiederum den Aspekt des Musikantischen an ihm schätzen – und folglich seine durchaus effektvollen Werke spielen. Egal wie substanzlos und unbedeutend sie in Wirklichkeit sind. Gestern reichte allerdings schon ein Blick ins Programmheft, in die Biographien der sieben nominierten Komponisten: Alle Nominierten waren oder sind Schüler der hier anwesenden Dozenten (Stroppa, Ferneyhough und Co). Ein von mir sehr geschätzter Kollege (der vielleicht aufregendste junge Komponist in Deutschland überhaupt) hatte sich – dessen ehemaliger Lehrer kein Darmstadt-Dozent ist - auch um die Teilnahme an der Endrunde beworben – erfolglos. Und das, obwohl sein eingereichtes Werk (und das hätte man allein schon am Partiturbild erkennen können) interessanter ist, als das beste Werk des gestrigen Abends, Kristian Irelands Streichquartett "clearing (II)" – eine einzige differenziert-ausgehörte, feinsinnig zum Schwingen, Klingen, Zittern und Obertonkitzeln gebrachte Knarzfläche. Und: nein, der Stücktitel ist keine heimliche Werbung für die Scientology… Den Preis bekam allerdings Felipe Lara, für ein Werk, das sich nicht sonderlich heraushob. Und warum? Schon weit vorher stand fest, dass Lara ein Kompositionsauftrag für die Donaueschinger Musiktage 2010 erhalten wird und da Lara noch nicht sonderlich bekannt ist, muss er gefördert, langsam zum Star gemacht werden – nur damit Mafia-Bo…, Entschuldigung, Donaueschingen-Chef Armin Köhler (der – Zufall? – natürlich auch im Konzertsaal anzutreffen war) eine Legitimation für diesen offensichtlichen Fehlgriff hat und/oder ihn 2010 als "seine" Entdeckung feiern kann. Man hätte sich sogar nicht wundern dürfen, wenn Birke J. Bertelsmeier (die das erste Werk des Abends zu verantworten hatte) mit dem Preis ausgezeichnet worden wäre. Immerhin ist sie Schülerin von Rihm (zwar hier Dozent, aber noch nicht eingetroffen…), was schon auf ungute Weise in ihrer Biographie anklingt, in der sie (lächerlich) aufzählt, dass sie (erst 1981 geboren) schon Opern-, Theater-, Film-, Orchester-, Kammer- und was-sonst-noch-so-geht-Musik "komponiert" hat (analog zum viel zu viel komponierenden Rihm, von dem nur jedes zehnte Werk interessante Aspekte hat). Aber ihr Werk fiel schon bei den Musikern des Arditti Quartetts, denen es beim Applaus sichtlich peinlich war, dieses Werk gerade eben uraufgeführt zu haben, selbst durch. Schlimmer als die Tatsache, dass das Werk wie ein misslungener früher Bartók-Satz (der solch eine Musik – so ein Komponistenkollege aus Kalifornien nach dem Konzert zu mir – aus Scham "never published" hätte) mit, wen wundert`s?, schlechten Rihm-Anklängen wirkt, ist, dass das Werk überhaupt zugelassen wurde und dass gegen solche Vorgänge niemand konkret protestiert. Aus Angst, weniger häufig aufgeführt zu werden. Claus-Steffen Mahnkopf hat sich vor Jahren gegen die mafiösen Strukturen unserer Szene gewehrt. Mit welchem Ergebnis? Solange Armin Köhler die Donaueschinger Musiktage zu verantworten hat, wird dort kein Mahnkopf-Werk erklingen. Von mir wird man dort übrigens auch kein Stück hören, da ich letztes Jahr leider nicht anders konnte, als Köhler in einem öffentlichen Podiumsgespräch massiv zu kritisieren. Jetzt wissen Sie bescheid. Denken Sie das nächste Mal dran, wenn Sie wieder in ein Konzert mit Neuer Musik gehen und es Sie wieder einmal langweilt – und Sie sich vielleicht fragen, ob es an den Komponisten der Neuen Musik selbst liegt… oder vielleicht an dem Zustandekommen dieses Konzerts, bei dem die Frage der Qualität niemals eine gewichtige Rolle spielte… Genug für heute. Gleich habe ich Unterricht bei Vykinatas Baltakas. Vorhin präsentierte ich Manos Tsangaris mein gerade entstehendes Orchesterstück (für 119 Musiker…). Er würde es sehr gerne hören. Ich auch.

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