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Absturzgefahr WinWin. Foto: Hufner
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Agentur für Musikaussteiger

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Uraufführungen 2021/03
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Am Vorabend des zweiten Lockdown traf sich der Autor dieser Kolumne mit einem ehemaligen Instrumentalisten und Komponisten. Am Ecktisch einer Kneipe erzählte der Ex-Musiker, wie er schon vor Jahren jeglichem Musikschaffen entsagt habe, da er es leid gewesen sei, sich von einem Förderantrag zum nächsten Projekt mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Er habe sich daher eine andere Einnahmequelle besorgt, eine schöne lange Reise gemacht, dort eine liebe Frau kennengelernt und geheiratet. Nun sei er Familienvater, es ginge ihm besser denn je und das Musikmachen vermisse er im Übrigen überhaupt nicht.

Nun wolle er seine schlechten und guten Erfahrungen anderen Musikerinnen und Musikern – einschließlich erfolgreichen, aber unglücklichen – zugutekommen lassen, indem er mit einer „Agentur für Musikaussteiger“ Wege aus dem unerquicklichen Musikgeschäft zeigen wolle. Pandemiebedingt gäbe es hier in den nächsten Jahren schließlich mehr als genug zu tun. Für alle stumm zu stellenden Musiker, Sängerinnen und Komponisten seien individuell zugeschnittene Exitstrategien zu entwickeln. Die Aussteiger benötigten beim Musikentzug vor allem während der ersten Monate intensive Betreuung, psychologische Beratung, Arbeits-, Hobby- und Partnervermittlung, Selbsthilfegruppen, Notdienste bei Rückfällen, Beschaffung von Ersatzstoffen, Tipps für Reisen, Ernährung, Sportarten, Netflixserien … Vermutlich müsse er Mitarbeiter und Fachleute einstellen, denn ein runderneuertes Leben ohne Musik mache nun einmal viel Arbeit. Die Agentur müsse auch öffentlich gefördert werden, gerade jetzt, wo Musikschaffende wegen Corona ohnehin keine Auftrittsmöglichkeiten, Einnahmen und Perspektiven hätten. Die Abwerbeagentur würde den städtischen Kulturämtern, Kulturministerien und Stiftungen geradezu zuarbeiten, da diese dann nicht länger von den zum Ausstieg Bekehrten mit aufwändiger Beratung, Bearbeitung und Finanzierung von Anträgen belästigt würden. Das erspare viel Geld und Zeit, die sich anderweitig sinnvoller einsetzen ließen, zum Beispiel bei der Finanzierung seiner Abwerbeagentur. Das sei doch eine echte Win-Win-Situation, ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell, in das vielleicht auch der Musikwissenschaftler einsteigen wolle?

Das bei Bier und Wein entwickelte Szenario wirkte wie eine diabolische Realsatire. Musikschaffende sollten von ihrem mit viel Mühe, Fleiß, Disziplin und Entbehrungen eingeschlagenen Berufsweg auf andere Pfade gezogen werden. Die von den meisten als Berufung verstandene Musik wurde zum Beruf unter anderen ausgenüchtert, der sich gegen andere Branchen austauschen lasse. Vor allem aber erhellte die Idee einer „Agentur für Musikaussteiger“ den momentanen Grad der Verzweiflung, Lähmung und Zukunftsangst tausender „Soloselbständiger“, die in prekären, selbstausbeuterischen Verhältnissen permanent umorganisieren, planen, verwerfen, neu planen, für nicht stattfindende Konzerte üben oder für die Schublade komponieren. Schon jetzt verwirklichen immer mehr Musikschaffende einen Plan B oder C, werden Lehrer, ergreifen Pflegeberufe, kommen im elterlichen Betrieb unter, machen irgendwas im IT-Bereich … Wer aber hält durch? Wer beginnt heute noch ein Musikstudium? Wer macht in zwei, drei oder zehn Jahren noch Musik?

Uraufführungen (unter Vorbehalt):

05.03.: Naji Hakim, Ave Maria nach Schubert für Chor und Orchester, Herz-Jesu-Kirche München

06.03.: Ondrej Adámek, Where are you? Liederzyklus für Mezzosopran und Orchester, musica viva, Gasteig München

19.–28.3.: Bernard Parmegiani, Marisol Jiménez, Carlos Gutiérrez Quiroga, Beatriz Ferreyra, Mena Mark Hanna, Sofia Jernberg, Mazen Kerbaj, Ute Wassermann, Jürg Frey, Manuel Rodríguez Valenzuela, neue Werke, zudem Filme, Diskussionen, Vorträge online unter https://www.berlinerfestspiele.de/de/maerzmusik/start.html

27.05.: Peter Wittrich, Der kleine Prinz, Concerto poetico, Heidelberger Frühling, Aula Universität

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