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Ehrwürdige Koryphäen, echte Entdeckungen

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Das Festival Jazz Lines in München 2002: eine Nachlese
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Wenn man es genau nimmt, in das Festival „Jazz Lines“ inzwischen Münchens einziges wirkliches Jazz-Festival. Sicher, da gibt es noch den Rumpf-Klaviersommer, der als verschlankte Variante des ursprünglichen Spektakels im Bayerischen Hof fortgesetzt wird. Und auch die Jazzmusiker-Initiative J.I.M. lädt immer wieder zu einem eigenen Konzerttreffen ein. Der Vorstellung eines Festivals jedoch kommt „Jazz Lines“ am ehesten entgegen.

Wenn man es genau nimmt, in das Festival „Jazz Lines“ inzwischen Münchens einziges wirkliches Jazz-Festival. Sicher, da gibt es noch den Rumpf-Klaviersommer, der als verschlankte Variante des ursprünglichen Spektakels im Bayerischen Hof fortgesetzt wird. Und auch die Jazzmusiker-Initiative J.I.M. lädt immer wieder zu einem eigenen Konzerttreffen ein. Der Vorstellung eines Festivals jedoch kommt „Jazz Lines“ am ehesten entgegen.Denn die Organisatoren Annelie Knobloch und Sepp Dachsel buchen nicht einfach nur Künstler in einen Saal, sondern versuchen, Musik und Raum mit einem thematischen Konzept zu verbinden. Sie haben das Glück, von kompetenter Seite unterstützt zu werden, zum einen von Dieter Dorn und dem Bayerischen Staatsschauspiel, das Theaterbühnen und Logistik zur Verfügung stellt. Zum anderen von der BMW Group, die ihr Sponsoring von der Vorgängerreihe „Jazz & More“ auch auf die aktuellen Veranstaltungen übertragen hat. Nur das Kulturreferat der Stadt München hat sich weitgehend aus der Unterstützung zurückgezogen, den Sparzwang der Verwaltungsgremien im Genick.

Trotz dieses kleinen Wermutstropfens jedoch konnte „Jazz Lines“ in vollem Umfang stattfinden und hatte 22 zum Teil hervorragende Konzerte zu bieten. Das Spektrum reichte von der intellektuellen Fraktion amerikanischer Improvisatoren wie Carla Bley, Pharoah Sanders und dem Tin Hat Trio über schrill-kreative Gestalten wie Erika Stucky und Diamanda Galás bis hin zu den ehrwürdigen Koryphäen der europäischen Jazzmoderne wie Gianluigi Trovesi, Louis Sclavis und Henri Texier.

Es gab manche Enttäuschung wie den Münchner Saxophonnarziss Günther Klatt, der sein Konzert in der Glyptothek nur zur überzogenen Selbstdarstellung nutzte. Es gab erwartete Highlights wie Trovesis Armstrong-Hommage, Fresus filmisch unterstützte Sardinien-Suite „Sonos ’e Memoria“ oder auch Rabih Abou-Khalils neues Quintett mit dem sagenhaften Gabriele Mirabassi an der Klarinette.

Die Überraschungen jedoch lagen manchmal im Detail. Louis Sclavis etwa hatte mit dem Trompeter und Livesampling-Spezialisten Médéric Collignon ein berauschendes Talent in die Band geladen, das aus der Verknüpfung von Elektronik und Spiel ungewohnt neue Effekte herleitete. Der Wiener Akkordeonist Otto Lechner wiederum schaffte es mit einer anregend unterhaltsamen Mischung aus Postfolklore, Pop-Persiflage und zeitgenössisch jazzender Klangentwicklung, das Publikum betörend in seine Ausdruckswelt zu geleiten. Da die Konzerte überhaupt erfreulich gut besucht waren, bestätigt auch das Publikum die Ahnung, die man bereits hatte: München braucht ein Festival wie „Jazz Lines“, damit es kulturell konkurrenzfähig bleibt. Und natürlich auch, weil es Spaß macht.

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