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Ziehen trotz Motorschlitten und Carusophon den Kürzeren: Robert Scott (Rolando Villazón, re.) und sein Team. Foto: Wilfried Hösl
Ziehen trotz Motorschlitten und Carusophon den Kürzeren: Robert Scott (Rolando Villazón, re.) und sein Team. Foto: Wilfried Hösl
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Expedition ins ewige Eis der Breitwandoper

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„South Pole“ von Miroslav Srnka und Tom Holloway wurde an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt
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Im ewigen Eis erwartet uns vor allem eines: unser eigenes Ich. Zu diesem wenig überraschenden Schluss kommen Miroslav Srnka und sein Librettist Tom Holloway bei ihrem Blick auf die konkurrierenden Antarktis-Expeditionen Robert Scotts und Roald Amundsens. Ihre Oper „South Pole“, die in München uraufgeführt wurde, hat dort ihre überzeugenden Momente, wo sie sich auf die Innenschau konzentriert und klar zu machen versucht, was eine solche Extrembelastung mit einem anstellt.

Dafür muss aber erst einmal der äußere Handlungsrahmen auf die Bühne gestemmt, der Staatsopernapparat in Bewegung gesetzt werden. Srnka und Holloway haben den historischen Wettlauf zum Südpol als „Doppeloper“ angelegt. Die Gegner sind also zunächst gleichzeitig auf der Bühne, die Vorbereitungen und Teile des finalen Marsches verlaufen parallel: Aus dem englischen Grammophon tönt Bizet, aus dem norwegischen Grieg, das Scott-Team kümmert sich um seine Ponys, das Amundsen-Team um seine Hunde – später werden beide ihre Tiere erschießen müssen.

Für das Textbuch ergeben sich daraus einige Redundanzen, aber auch reizvolle Spiegelungen, gleichzeitig werden die unterschiedlichen Strategien und Mentalitäten deutlich. Musikalisch ist diese hektische Doppelbetriebsamkeit indes eher problematisch. Miroslav Srnka hat alle Hände voll zu tun, dem Struktur zu verleihen. Im permanenten Gesangsüberdruck, der sich in weder sanglichen noch prägnanten Phrasen dem Riesenorchester entgegenzustemmen versucht, geht vieles unter. Als dann, eher beiläufig, auch noch Scotts Gattin und Amundsens Ex-Geliebte als Visionen auftauchen – reine Männeropern machen eben doch nicht soviel her – droht das Ganze gegen Ende des ersten Teils aus dem Ruder zu laufen.

Hier nun besinnt sich Srnka auf eine Stärke, die er schon in seiner Kammeroper „Make No Noise“ bewiesen hatte.

Aus einem beinahe unisono verlaufenden Duett der Kontrahenten heraus (bezeichnenderweise ist Amundsen bisweilen eine Spur vorneweg), entspinnt sich zusammen mit den Damen (betörend: Tara Erraught und Mojca Erdmann) ein nur sparsam begleitetes Quartett. In der kunstvollen Verschränkung der vier Stimmen wird endlich einmal ein konzentrierter Zustand erreicht, der äußere Zeitfluss verwandelt sich in einen musikalischen. Gelungen ist auch das anschließende, wie selbstverständlich sich entspinnende Gespräch der beiden Männer, bis sie sich in einem finalen Accelerando daran erinnern, ihren Wettkampf wieder aufzunehmen.

Im zweiten Teil sind die Sphären dann weitgehend getrennt: Amundsen erreicht als erster das Ziel, die Posaunen quäken ihm mit Wah-Wah-Dämpfer die Sinnlosigkeit des Ortes ins Ohr. Scott bleibt nur schale Besserwisserei (er glaubt, den 90. Breitengrad genauer lokalisiert zu haben) und ein demoralisierter, tödlicher Rückweg.

Die Begegnung der Norweger mit einer Möwe gibt dem Komponisten weitere Gelegenheit, seiner Instrumentationsfantasie freien Lauf zu lassen. Mehrfach geteilte Streicher, die immer wieder in überraschenden Konstellationen und Lagen genutzten Bläsergruppen, das üppige Arsenal an Schlagwerk: Srnka gelingt es durchaus, unerhörte Klangfelder aufzuspüren, auch wenn vieles im vordergründig Illustrativen verbleibt. Der große, etwas unmotivierte Kulminationspunkt (der kühle Amundsen wird angesichts der bevorstehenden Heimkehr von seinen Gefühlen übermannt) bleibt vordergründig. Mit der ihm eigenen Sorgfalt und Souveränität hält Kirill Petrenko das bravouröse Staatsorchester und das ausgezeichnete Gesangsensemble zusammen und spannt, so gut es geht, die fahl schimmernden Farbflächen und Lichtpunkte, das rhythmisch zerfaserte Geflecht und die groben Auszackungen unter einen Bogen.

Regisseur Hans Neuenfels hält sich bei all dem vornehm bis desinteressiert zurück. Der blendend weiße, mitunter leicht farbig schimmernde Eisraum (Katrin Connan) und die in stilisierten Tierkostümen steckenden Komparsen erinnern stark an seinen Bayreuther Ratten-Lohengrin. Das Publikum blickt gleichsam unter ein nach hinten gekipptes Zeltdach mit schwarzem Stangenkreuz, ein niedriger Balken auf dem Boden trennt das schwarze Team Scott vom grauen Team Amundsen. Realistische Requisiten – der Motorschlitten der Engländer, die Skier der Norweger, die Grammophone, gefrorenes Fleisch – stehen in einer nicht weiter nutzbar gemachten Spannung zum abstrakten Ambiente.

Die immer wieder konfliktgeladene Gruppendynamik auf beiden Seiten inszeniert Neuenfels routiniert, ohne die gewohnte Finesse der Personenführung. Darstellerisch weitgehend auf sich gestellt scheinen die beiden Protagonisten. Thomas Hampsons Amundsen ficht das nicht an; mit natürlicher Bühnenpräsenz verleiht er der in seiner Geradlinigkeit durchaus gefährdeten Figur Autorität und Glaubwürdigkeit. Sein prächtiger Bariton setzt sich mühelos durch und er wäre zu mehr Zwischentönen fähig, als Srnka ihm in die Stimme geschrieben hat.

Da hat Rolando Villazón, das zweite Zugpferd dieser von der Staatsoper mit üppigem Begleitprogramm und großem Marketingaufwand bedachten Produktion, Mühe mitzuhalten. Seinem Tenor fehlt die heldische Durchschlagskraft, die oft notwendig wäre, als Schauspieler wirkt der sonst so inspirierte Sänger überfordert.

Umso erleichterter ließ er sich am Ende vom begeisterten Publikum feiern, das ihn ebenso in seine Ovationen miteinschloss wie das gesamte Team und den von der Reaktion ehrlich überwältigten Komponisten. Dieser Jubel kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Srnka und Holloway aufgebrochen sind, um die große Breitwandoper zu entdecken, am Ende aber dort angekommen sind, wo ein deutlich kleiner dimensioniertes, kammerspielartiges Werk die Mühe eher gelohnt hätte.

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