The Boosey Woodwind Method. Bassoon (Book 1/2) *** Gernot Wolfgang: Dual Identity for Solo Bassoon *** Wolfgang Amadeus Mozart: Sonate B-Dur für Fagott und Violoncello (Basso Continuo) KV 292b (196c) *** Pascal Gallois: Die Spieltechnik des Fagotts
The Boosey Woodwind Method. Bassoon (Book 1/2), hrsg. v. Chris Morgan.
Boosey & Hawkes, ISMN 979-006011683
Zwar ist die Auswahl an Fagottschulen noch immer gering, doch die unbestrittene Dominanz der anderthalb Jahrhunderte lang bewährten Weissenborn-Schule ist vorüber. Das vorliegende (leider nur) englischsprachige Schulwerk für den Einzel- und Gruppenunterricht ist Teil der „Boosey Woodwind and Brass Method“, eines einheitlichen Konzepts für Blasinstrumente. Die Gestaltung der zwei Bände ist aufgelockert, aber etwas unübersichtlich. Der Lehrer könnte, wenn er wollte, auch ohne eigene Ergänzungen ganz der methodischen Führung folgen. Es gibt illustrierte Erläuterungen, Rhythmus- und Improvisationsübungen sowie Anregungen zu selbständigen Aktivitäten für die Entwicklung musikalischer Fähigkeiten, Checklisten für den Abschluss jeder Lektion und nicht zuletzt Begleit-CDs (sowohl mit als auch ohne Solostimme) für die stilistisch abwechslungsreichen Solo-, Duo- und Ensemblestücke. Auch ein Unterricht, der nicht auf dieser Schule basiert, wird sicher von einzelnen Materialien profitieren können.
Gernot Wolfgang: Dual Identity for Solo Bassoon.
Doblinger 5514
Gernot Wolfgangs kompositorisches Schaffen erstrebt nach eigenen Angaben „eine Symbiose zwischen der rhythmischen Energie des Jazz und der europäischen E-Musik-Tradition“. Dieses kurze einsätzige Werk bezieht seine Spannung aber vor allem aus einer anderen Dualität, nämlich zwischen der „lyrischen“ und der „energischen“ Seite des Fagotts, die in profunder Kenntnis der Ausdrucksmöglichkeiten des Instruments abwechselnd exponiert werden: der lyrische Charakter oft unter Verwendung des hohen Registers (bis zum des’’), die energischen Abschnitte mit Sprüngen und Staccati. Strukturiert wird das Stück unter anderem durch variiert wiederkehrende rhythmisch-melodische Patterns; in jazzartigen Abschnitten finden sich im Sinne von „dirty notes“ drei verschiedene Mehrklänge, deren Notation und Ausführung zuvor erklärt werden. Mit einem gewissen Anspruch an technisches und rhythmisches Können ist dieses Stück sicherlich eine Bereicherung für das Repertoire mindestens fortgeschrittener Fagottisten.
Wolfgang Amadeus Mozart: Sonate B-Dur für Fagott und Violoncello (Basso Continuo) KV 292b (196c), hrsg. v. Henrik Wiese, Generalbass-Aussetzung v. Wolfgang Kostujak.
Urtext Henle HN 827
Mozarts B-Dur-Sonate ist bekannt als Duo für Fagott und Violoncello. Nun kann die Unterstimme auch als unbezifferter Generalbass aufgefasst, ausgesetzt und mit einem Tasteninstrument ausgeführt werden (entsprechend etwa den Devienne-Sonaten). Diese Erkenntnis dürfte sich mit der vorliegenden Ausgabe weiter verbreiten. Der Aussetzungs-Vorschlag mag vielleicht den, der die zweistimmige Fassung im Ohr hat, irritieren: Die Klavier-Oberstimme, oft in hoher Lage, erweitert das Werk über lange Strecken zur Dreistimmigkeit und verändert damit dessen Gesicht erheblich, und gelegentlich erscheinen dem Außenstimmensatz fremde Harmonien. Daneben findet sich die „traditionelle“ zweistimmige Fassung für Fagott und Violoncello in Partituranordnung, bei der jeder Satz mit Hilfe von Ausklapp-Seiten ohne Umblättern gespielt werden kann; auch die (schon lange nötigen!) Vorschläge zur Korrektur wahrscheinlicher Fehler in den Quellen und weitere Bemerkungen tragen zum großen Nutzwert dieser Ausgabe bei.
Pascal Gallois: Die Spieltechnik des Fagotts; Bärenreiter (2009), BVK 1860, mit zwei Audio-CDs,
ISBN 978-3-7618-1860-2, € 49,95
Pascal Gallois, der renommierte Neue-Musik-Fagottist, stellt in diesem dreisprachigen Heft systematisch und detailliert das praktische Wissen über Spieltechniken und Klangmöglichkeiten des Fagotts dar, verglichen mit den „Neuen Klängen für Holzbläser“ von Bruno Bartolozzi aus den 1960er-Jahren ausführlicher und auf einem weiterentwickelten Stand. Komponisten und Fagottisten erhalten jeweils eigene Hinweise. Dem eigenen Erarbeiten dienen präzise Anweisungen zu Griffen, Lippenstellung und Blasdruck (etwa bei extremen Höhen, Flageoletts, Mehrklängen, „Samt-“ und „Gespensterklängen“ oder „Rolltönen“), gelegentlich auch Übungsmaterial (zum Beispiel zur Zirkularatmung); ein paar knappe theoretische Abschnitte ergänzen die Übersicht. Die Techniken und Klänge (unter anderem noch verschiedene perkussive Effekte, Mikrotonalität, Glissando, Tremoli, Vibrato-Arten) werden überdies in einer differenzierten Notation dargestellt und auf zwei beiliegenden CDs demonstriert. Im Ganzen: vermutlich das neue Referenzwerk.