Wird Jung-Siegfried sich als Drachentöter aller im Wege stehender Probleme erweisen oder lauern an allen Ecken verschiedene Hagens mit ihren Speeren? Das ist die bange Frage, die sich Dozenten wie Studenten, die interessierte Öffentlichkeit wie die Fachmusiker-Szene angesichts der Wahl von Siegfried Jerusalem zum jüngsten Rektor der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg gleichermaßen stellen. Jerusalem setzte sich im Senat deutlich gegen den engagierten Geigen-Professor Ulf Klausenitzer durch, ohne jedoch neue Gräben aufzureißen. Beide versprachen nach der Wahl eine kooperative und loyale Zusammenarbeit, wenn Jerusalem am 1. Oktober seine vierjährige Amtszeit beginnt.
Wird Jung-Siegfried sich als Drachentöter aller im Wege stehender Probleme erweisen oder lauern an allen Ecken verschiedene Hagens mit ihren Speeren? Das ist die bange Frage, die sich Dozenten wie Studenten, die interessierte Öffentlichkeit wie die Fachmusiker-Szene angesichts der Wahl von Siegfried Jerusalem zum jüngsten Rektor der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg gleichermaßen stellen. Jerusalem setzte sich im Senat deutlich gegen den engagierten Geigen-Professor Ulf Klausenitzer durch, ohne jedoch neue Gräben aufzureißen. Beide versprachen nach der Wahl eine kooperative und loyale Zusammenarbeit, wenn Jerusalem am 1. Oktober seine vierjährige Amtszeit beginnt.Dass es überhaupt zu einer Kampfabstimmung kam, war nicht unbedingt nach dem Geschmack des Gründungspräsidenten Franz Müller-Heuser. Der hatte nicht nur in geschickter Klüngelmanier eine Satzungsänderung eigens für seinen Favoriten (und Gesangslehrer-Kollegen) beim kommunalen Träger-Zweckverband durchgesetzt, sondern auch schon das Personal-Tableau für spätere Führungsaufgaben entworfen. Der 61-jährige Jerusalem hätte nach dem Bayerischen Hochschulgesetz eigentlich nicht kandidieren dürfen, weil er vor Ende der Amtsperiode bereits das 65. Lebensjahr erreicht hätte. Diesen Passus setzte die Verbandsversammlung, ohne den eigentlichen Hintergrund zu kennen, außer Kraft.Aber gegen die von Müller-Heuser dargelegte Einheitsliste bei den konstituierenden Senats-Wahlen regte sich auch hausinterner Widerstand und so traten die alternativen „Allegro“- und „Con fuoco“-Listen an. Trotz seiner kargen Absichtserklärungen setzte sich der gefeierte Wagner-Tenor, nicht zuletzt wegen seines immensen Bekanntheitsgrades, durch. Diese Popularität und seine internationalen Kontakte will er auch für das Renommee des jungen, noch auf äußerst wackligen Füßen stehenden Instituts einsetzen. Das hört man gerade in Nürnberg sehr gerne. Denn der Fächerkanon, den Franz Müller-Heuser für die Hochschule durchsetzte, erscheint entgegen aller vollmundigen Ankündigungen von Seiten des Multi-Musik-Funktionärs alles andere als innovativ und ungewöhnlich: Einem Überhang an Streicher- und Gesangs-Studienplätzen stehen die gestrichenen Kernfächer Komposition, Dirigieren und Kirchenmusik gegenüber. Von den Stärken des ehemaligen Meistersinger-Konservatoriums konnte sich einzig der Jazz behaupten.
Alte Musik oder Elementare Musikpädagogik wurden auf den Rang von Nebenfächern und Zusatzqualifikationen heruntergedimmt.
In der neuen Hauszeitschrift „La voce“ formuliert der scheidende Gründungspräsident, der sich vor Ort auch wegen seiner mangelnden Präsenz nicht viele Freunde machte, seine Vision in blumigen Worten: „Musikhochschulen sind lebendige Organismen, die ständig bereit sind, neue Wege zu beschreiten, auf gesellschaftliche Veränderungen und neue Berufsfelder zu reagieren.“ Genau diese Reaktion auf das veränderte Berufsbild Musiker fehlt vielen in der neuen Hochschul-Konstitution.
Auch den Umgang mit den vielfältigen Medien hebt Müller-Heuser hervor, ohne das immense interne Informationsdefizit, das sowohl Studierende wie Dozenten im Haus beklagen, beseitigt zu haben. Die Klagen über den mangelnden Informationsdrang von Kanzler Hans Werner Ittmann häufen sich. Und auch in ihrer Außenwirkung und Öffentlichkeitsarbeit wirkt die Hochschule rückständig und gelähmt. Medien erhalten keine rechtzeitige Übersicht über Veranstaltungen. Ansprechpartner verweisen immer wieder auf mangelnde Kompetenz. Hier wartet vor allem auf den künftigen Leiter der Nürnberger Abteilung, Prorektor Wolfgang Manz, eine Menge Arbeit. Als beispielsweise im Dezember der langjährige Leiter des Meistersinger-Konservatoriums, Robert Seiler, verstarb, gab es kein offizielles Gedenkwort, keine Traueranzeige noch eine musikalische Feier für eine führende Persönlichkeit der Nürnberger Kultur, die sich nachhaltig für die Höherstufung zur Hochschule verdient gemacht hat. An einen professionellen Öffentlichkeitsarbeiter hat Müller-Heusers Kölner Beraterstab jedenfalls nicht gedacht. Und folglich gibt es keinen Etat für diese lebenswichtige Stelle. Dabei wäre solch ein Posten bei der Vielzahl der Fragen, die sich mit dem Umzug ins Übergangsquartier Sebastiansspital, mit der leihweisen Nutzung des Heilig-Geist-Saales als Konzertsaal in der Altstadt oder bei der Koordination zwischen den beiden Standorten stellen, dringend vonnöten.
Große Erwartungen
Eine gewisse Skepsis begleitet auch den menschlich sympathischen und sich offen gebenden Siegfried Jerusalem. Wird er den Full-Time-Job des ers- ten Gesamtrektors mit dem nötigen Zeitpensum versehen? Jerusalem kündigte an, dass er seine Gesangsklasse in vollem Umfang weiter führen wolle und auch seine Tenor-Karriere längst noch nicht an ihr Ende gekommen sei. Von größtem Interesse wird also sein, ob sich der Sänger mit Wohnsitzen in der Nähe Nürnbergs und in Kanada als Mehrfachtalent wie Placido Domingo erweisen wird, der neben seinen Gesangsauftritten auch noch die Opernhäuser von Washington und Los Angelos sowie seinen Gesangswettbewerb in Mexiko leitet.
Studenten-Vertreter Dirk Eidner vom Konvent der Studierenden gibt sich gespannt: „Wir warten ab, was kommt. Und sicher ist es von Vorteil, dass die neue Führungsmannschaft unvoreingenommen durch die bisherigen Personalquerelen ans Werk gehen kann.“ Aber aus den wenigen konkreten Andeutungen, die Jerusalem vor seiner Wahl machte, geht hervor, dass ihm vor allem die Opernschule und die Orchesterarbeit am Herzen liegen.
Dennoch soll die Hochschule ja in ihrer gesamten Ausbildungsbreite zu den etablierten, staatlichen Schwes-ter-Instituten aufschließen. Keine Frage ist, dass Siegfried Jerusalem – nicht nur in seinen 22 Bayreuther Jahren – Ausdauer, Standvermögen und Wandlungsfähigkeit bewiesen hat. Genau diese Qualitäten werden von ihm nun einzufordern sein. Sein Credo lautet: „Mit Leistung wollen wir überzeugen.“ Aber für diese Leis-tung müssen eben auch die Voraussetzungen stimmen. Manche Klasse ist schon auf ein Format geschrumpft, das ihre Überlebensfähigkeit infrage stellt.