Um unseren Themenschwerpunkt Musikjournalismus (siehe nebenstehendes Editorial unseres Herausgebers sowie die Seiten 3 und 17 bis 19) nicht zur reinen Nabelschau verkommen zu lassen, haben wir eine junge Autorin danach gefragt, warum sie Musikjournalismus studiert und worin sie dessen Aufgaben sieht. Ein Perspektivenwechsel:
„Bitte, was studierst du?“ Eine beliebte Nachfrage auf meine Antwort, wenn ich sage, dass ich Musikjournalismus an der TU Dortmund studiere. Aber ganz ehrlich, ich freue mich jedes Mal, wenn ich über meinen Studiengang sprechen kann. Ich erkläre dann, dass mein Studium wie eine Art Doppelbachelor aufgebaut ist, Journalistik und Musik, Hauptfach Klarinette; natürlich mit Kursen, die beides miteinander verbinden. „Und was machst du dann damit später so? Die Zeitungen sterben doch alle aus.“ Häufig eine der nächsten Nachfragen. Ehrlicherweise ist diese auch berechtigt. Printmedien sterben aus, das ist Fakt. Und der Beruf des Journalisten ist momentan auch nicht einer der angesehensten, auch wenn ich mich davon als Musikjournalistin ein bisschen distanziere. Den Begriff „Fake News“ oder „Lügenpresse“ habe ich im Zusammenhang mit Musikjournalismus eigentlich noch nie gehört.
Aber was heißt Musikjournalismus für mich? Das erste Bild, das ich davon hatte, war, glaube ich, das klassische: Ich gehe jeden Abend ins Konzert und schreibe in der Nacht darüber, was mir gefallen, aber auch was mir nicht gefallen hat. Unsere Dortmunder Definition von Musikjournalismus ist aber generell die Kommunikation über Musik in den Medien. Das bedeutet für mich nicht nur den Gang ins Konzert und den Nachbericht darüber. Im Gegenteil – das ist ein Arbeitsalltag, von dem ich mich schon im ersten Semester distanziert habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich die Freude am Konzertbesuch erhalten kann, wenn man jeden Abend mehr oder weniger gezwungen ist, in ein bestimmtes Konzert zu gehen und darüber zu berichten. Dabei will ich aufrichtig sein: Ich schreibe ja auch Konzertkritiken, und es macht mir Spaß. Aber im Moment bin ich durch mein Studium natürlich auch noch in der glücklichen Lage, mir die Konzerte aussuchen zu können, die ich rezensieren möchte. Ich befürchte, dass man nach vielen Jahren im schlimmsten Fall einfach nur noch genervt ist und fast schon nach Fehlern in der musikalischen Darbietung sucht, damit man etwas hat, worüber man schreiben und sich aufregen kann – vielleicht eine klischeebehaftete Vorstellung.
Aber wo sehe ich mich denn dann: als Musikjournalistin oder als Kulturredakteurin? Ich beantworte die Frage damit, dass Musikjournalismus ein unglaublich weites Feld ist. Der klassische Journalismus ist da natürlich eine Möglichkeit. Man kann für eine Print-Zeitung schreiben, oder aber auch für eines der vielzähligen Online-Magazine, von denen es immer mehr gibt: „niusic“, das „van-magazin“ und „nachtkritik“ sind da nur einige Beispiele, die für jungen, verständlichen, modernen Musikjournalismus, häufig auch mit alternativen Ansätzen, stehen. Es ist wichtig, dass die junge Generation – meine Generation – lernen kann, sich für klassische Musik zu begeistern. Und das geht durch neue Ansätze, welche die Distanz überwinden, die für junge Menschen oft zur klassischen Musik besteht. Das ist für mich eigentlich der entscheidende Aspekt von Musikjournalismus: klassische Musik so zu vermitteln, dass mehr und mehr Menschen Freude und Interesse daran gewinnen. Ansonsten stirbt diese Form der Musikkultur immer weiter aus. Und das wäre in einer Welt, die momentan immer mehr aus den Fugen gerät, nicht gerade vorteilhaft. Denn Musik – und vor allem auch klassische Musik – vermittelt so viel Emotionalität, so viel Zwischenmenschliches, und das auf eine Art und Weise, die keine Worte braucht; sie kann so viel lehren über das Leben, ohne es laut auszusprechen.
Musikvermittlung wird auch im Radio immer wichtiger. Junge, neue Formate mit gebauten Beiträgen über Werke und Künstler, CD-Rezensionen und Konzertberichten. Aber alles so verständlich und in gewisser Weise auch locker formuliert, dass man den (jungen) Zuhörer abholen kann.
Ein weiterer Bereich, der heutzutage natürlich nicht mehr wegzudenken ist: die sozialen Medien. Es gibt kaum mehr eine Redaktion ohne Social Media Account, egal ob es sich dabei um Facebook, Twitter, Instagram oder sogar Snapchat handelt – meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, um mit Bildern, Videos und kleinen Teasern vor allem junge Leute zu locken.
Für mich ist Musikjournalismus aber nicht nur Journalismus. Es ist auch PR – der berühmte „Seitenwechsel“. Oder auch Dramaturgie: Konzerteinführungen halten und Programmhefte schreiben beispielsweise. Meiner Meinung nach kann man sogar in den Bereich Musik- und Kulturmanagement gehen, vielleicht braucht man dafür aber noch eine Art (studentische) Weiterbildung.
Tja, und wo genau sehe ich mich da jetzt? Ehrliche Antwort: überall ein bisschen. Ich kann mir nicht vorstellen, mein Leben lang in der ersten Anstellung zu bleiben. Für mich ist Musikjournalismus so vielfältig, dass ich mich nicht auf einen Aspekt beschränken möchte. Vielleicht bin ich ein paar Jahre lang beim Radio tätig und schreibe nebenbei für ein Print- oder Online-Magazin. Vielleicht bin ich aber auch Dramaturgin an einem Konzerthaus oder mache PR für die Oper. Wer weiß?
Musikjournalismus geht meines Erachtens weit über das Beschreiben eines musikalischen Ereignisses hinaus. Es geht um Musikvermittlung, um die Darstellung komplizierter musikalischer Gebilde, um das aktuelle Geschehen der Kulturlandschaft Deutschlands und der Welt, um kulturpolitische Zusammenhänge – einfach um die Kommunikation über Musik. Wichtig ist es dabei, sich immer wieder neu auf Dinge einzulassen, „out of the box“ zu denken und vor allem immer in offener Diskussion mit anderen Journalisten zu stehen.