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Zeitgenössische Musik – verschwunden im Fördernebel? Foto: Martin Hufner
Zeitgenössische Musik – verschwunden im Fördernebel? Foto: Martin Hufner
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Leipziger Malaise

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Nachschlag 2023/02
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Bach, Mendelssohn Bartholdy, Schumann, Wagner – Leipzig ist eine Musikstadt. Und international glänzende Institutionen wie Gewandhausorches­ter und Thomanerchor sind Ausweis dieser Reputation. Doch wie hält es Leipzig mit der zeitgenössischen Musik? Dieses Verhältnis ist seit jeher etwas komplizierter – und aktuell drohen die Verhältnisse endgültig zu kippen.

Schon in der Förderrunde für kulturelle und künstlerische Projekte im Jahr 2022 fiel auf, dass einige hochqualifizierte Akteure leer ausgingen und ambitionierte Projekte nonchalant mit einer Absage beantwortet wurden. Und trotzdem lag da die Sache noch anders: Immerhin 51.000 Euro bezog damals ein (einziger) Akteur der zeitgenössischen Musik in der Institutionellen Förderung, und für Projekte wurden 44.000 Euro verteilt. Summa summarum 95.000 Euro wurden so im Rahmen des sogenannten 1. Verfahrens ausgegeben.

Doch nun verschärfte sich die die Lage. Zu Jahresbeginn veröffentlichte das Kulturamt seine Förderergebnisse für das Jahr 2023: Die an Projekte der zeitgenössischen Musik verteilten Mittel sanken von 44.000 auf nur noch 26.050 Euro, und der eine Akteur in der Institutionellen Förderung verschwand aus ebenjener. Die Förderungen brachen ein, von insgesamt 95.000 auf 26.050 Euro, damit auf nur noch rund ein Viertel des Vorjahreswertes. 26.050 Euro für ein ganzes Jahr ergeben 2.170,83 Euro pro Monat. Wer jemals ein Konzert auf die Beine gestellt hat, weiß, was mit 2.170,83 Euro realisierbar ist – nämlich (fast) nichts (es sei denn, man redet dem Discount das Wort).

Das Kulturamt sagt, so könne man das nicht sehen. Die Sparten würden bei der Beurteilung nicht getrennt betrachtet, sondern jeder Antrag, egal, ob Chor, Klassik oder Neue Musik, für sich geprüft und mit einer Priorität versehen. Die Forderung der freien Szene der zeitgenössischen Musik muss dann heißen: Entweder sitzen im Beirat Mitglieder, die ohne Rücksicht auf Verluste für Projekte der zeitgenössischen Musik votieren; oder die Stadt muss sich zur Bedeutung der zeitgenössischen Musik erklären und die Fördermittel dieser Sparte gedeckelt budgetieren.

Aus den Reihen des Beirats ist zu vernehmen, man verbitte sich die Kritik, vor allem die Frage, ob dieser für Angelegenheiten der zeitgenössischen Musik ausreichend Kompetenz bei sich versammele. Vielmehr wird auf die Antragstellenden zurückverwiesen: Wenn Anträge „einer inhaltlichen und sachlichen Prüfung nicht standhalten, sagt das vielleicht auch etwas über die Anträge“. Nun mögen Anträge tatsächlich mal stärker, mal schwächer sein – aber dass die versammelte Leipziger freie Szene nicht imstande gewesen sein soll, qualifizierte Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 26.050 Euro zu formulieren, möchte man dem Beirat nicht abnehmen.

Dass dabei Beiratsmitglieder häufig auch selbst Akteure der freien Szenen sind, ist keine Seltenheit, weder in Leipzig noch anderswo. Irgendjemand mit Ahnung wird gebraucht, und die Schnittmengen der verschiedenen Rollen und Ämter sind kaum zu vermeiden. Einen Beigeschmack haben kann es dennoch, wenn viele Akteure, deren Qualifikation und Kreativität (wenigs­tens außerhalb des Beirats) unstrittig sind, leer ausgehen, während Beiratsmitglieder selbst mit ihren eigenen Projekten beim Förderverfahren Erfolg haben. Insbesondere der Fall jenes Beiratsmitglieds hinterlässt eine Irritation, dem es gelang, mit seinem eigenen Projekt der zeitgenössischen Musik die vergleichsweise üppige Förderung in Höhe von 16.450 Euro zu gewinnen – von 26.050 Euro sind das rund zwei Drittel. Zwei Drittel von allem, was der freien Szene der zeitgenössischen Musik vom Kulturamt der Stadt Leipzig in diesem Jahr zuteil wird.

An Akteuren, Fachleuten, Impulsen und Konzepten mangelt es dieweil keineswegs. Mit großem Engagement entstehen neue Formate, werden Uraufführungen realisiert oder Reihen initiiert. Hat die freie Szene selbst die aktuelle missliche Lage mitzuverantworten? Pflegen die Akteure womöglich nicht ausreichend den Dialog mit der Stadt, mit dem Kulturdezernat und mit dem Kulturamt, fehlt ihnen noch eine robustere kulturpolitische Lobby? Nicht auszuschließen, dass Erwartungen und Bedarfe effektiver kommuniziert werden könnten. Doch schon jetzt zeichnet sich eine erhebliche Intensivierung der Kontaktaufnahmen mit den zuständigen Stellen sowie erfrischte Aktivität ab, sich als freie Szene der zeitgenössischen Musik noch besser intern zu verständigen und zu organisieren, um die eigenen Interessen mit noch mehr Nachdruck kommunizieren zu können. Fest steht: In der freien Szene brodelt es, Unzufriedenheit und Enttäuschung sind groß, und die Stadt dürfte sich auf deutlich vorgetragene Bekundungen und Forderungen einstellen müssen. Der Musikstadt Leipzig mag indessen nicht ganz willkommen sein, dass sich die Malaise nun auch überregional herumspricht.

Am 16. Januar kündigte die Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur Skadi Jennicke auf Instagram an, eine Maßnahme der kommenden Jahre würde unter anderem „die Weiterentwicklung der Leipziger Festivallandschaft und deren Erweiterung um die freie Szene sein“. In der zeitgenössischen Musik würde sie damit offene Türen einrennen. Jedoch dürften viele Akteure froh sein, wenn sie nicht erst noch weitere Jahre warten müssten.

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