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Trompeter Till Brönner: Der Erfinder des Berliner House of Jazz sucht neue Mitspieler. Foto: Martin Hufner
Trompeter Till Brönner: Der Erfinder des Berliner House of Jazz sucht neue Mitspieler. Foto: Martin Hufner
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Leucht-Turmbläser [update, 22.4.]

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Nachschlag 2017/04
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Radialsystem oder Neuköllner Oper in Berlin, Theaterhaus in Stuttgart, Schwere Reiter in München, IRCAM in Paris, ZKM in Karlsruhe, Ensemble Modern Akademie in Frankfurt, INNM in Darmstadt, Hellerau in Dresden – die Akteure der Neuen Musik, neuerdings auch als Gegenwartsmusiker unterwegs, zählen meist genauso zu einer freien Szene wie die Kollegen aus dem Jazzsektor. Augenscheinlich haben sie es jedoch wesentlich besser verstanden als die Jazz-Kollegen, sich zentrale Orte für ihre Musik zu schaffen.

Vergleichbare Zentren für Jazz und improvisierte Musik existieren in Deutschland dagegen nicht und deswegen horchte man auf, als der ehemalige Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) und der prominente Trompeter Till Brönner im November 2016 mit einer vom Kulturstaatsministerium finanzierten Machbarkeitstudie für ein „House of Jazz“ mit Konzertsälen, Akademie und einem festen Ensemble an die Öffentlichkeit gingen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte 12,5 Millionen Euro zur Sanierung der „Alten Münze“ in der Nähe des Berliner Roten Rathauses bereitgestellt und Tim Renner, Brönners früherer Label-Boss, hatte schon länger über die kulturelle Nutzung des ehemaligen Prägewerks in Berlins bester Lage nachgedacht. Nicht geklärt war, wie mit den Nutzern der Räumlichkeiten – derzeit etwa 30 Künstler/-innen – umgegangen werden sollte und wer überhaupt für die Kosten des laufenden Betriebs aufkommen würde.

Die Freude über den schönen Plan war kurz: Denn die 12,5 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss des Bundestages im November 2016 für Till Brönners „House of Jazz“ bereitgestellt hatte, sind für Renners Nachfolger, den neuen Kultursenator Klaus Lederer (Die LINKE) ein „vergiftetes Geschenk“. Er sagt, in den Ateliers der Alten Münze arbeiteten ja bereits Künstler und glaubt daher, es mache mehr Sinn, in Sanierung und Sicherung von Kulturstrukturen der freien Szene zu inves-tieren als in neue Leuchttürme wie ein „House of Jazz“. Für den LINKEN-Politiker heißt Kulturpolitik in erster Linie Stadtentwicklung bei zunehmender Gentrifizierung – es genügt Lederer vermutlich, dass die Porschefahrer den Prenzelberg zugeparkt haben, woanders muss das nicht auch noch sein.

Doch die Idee stand im Raum und die Debatten waren nicht mehr aufzuhalten: Brönner und seine Agentur hatten mit ihrem Think Tank sämtliche kulturpolitischen Akteure der Berliner aber auch der bundesweiten Jazzszene links liegen lassen und sich gleichzeitig in diversen Passagen sehr nah an das Konzept des Kölner Stadtgartens für ein „Europäisches Zentrums für Jazz und aktuelle Musik“ angelehnt, das 2018 an den Start gehen wird.

Die Berliner IG-Jazz, die Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) und die Bundes­konferenz Jazz waren auch nicht faul und machten sich umgehend an die Ausarbeitung von eigenen Konzepten. Mittels Positionspapieren schärfte man das Profil einer solchen Einrichtung und grenzte sie von den Aufgaben des Kölner „Europäischen Zentrum für Jazz und aktuelle Musik“ ab.

Die Absage Lederers an die ursprüngliche Brönner-Idee entpuppt sich auf einen zweiten Blick als Gewinn: Die kulturpolitischen Akteure, die sich zunächst durch den Alleingang Brönners düpiert fühlten, finden sich mittlerweile konstruktiv zusammen und haben vielleicht bald ein neues Mitglied in ihren Reihen. „Nach dem Think Tank ist vor dem Think Tank“, sagt Till Brönner inzwischen und will selbst Mitglied der Bundeskonferenz Jazz werden. Denn ohne die Unterstützung durch die Verbände ist sein Einsatz für ein „House of Jazz“ vergebens. Kultursenator Lederer jedoch sollte eine derartige Einrichtung nicht als Etat-verschlingenden Leuchtturm fürchten, sondern als beste Strukturförderung für die Berliner freie Jazzszene. Und da Jazzer qua Musikstil immer international und interkulturell agieren, bekäme er hier neben drei Opernhäusern und acht Orchestern den Jazz-Leuchtturm für die Hauptstadt quasi als Nebeneffekt mit dazu.
 

[update, 22.4.]

Trompeter Brönner fordert Kultursenator Lederer zum Gespräch auf 

Berlin (dpa) - Startrompeter Till Brönner (45) hat sein in Berlin geplantes «House of Jazz» noch nicht aufgegeben. «Die Idee trage ich seit 15 Jahren mit mir herum», sagte Brönner in einem Interview des Berliner «Tagesspiegels» (Samstag). Darin fordert er Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zu einem Gespräch auf. 

Das «Haus für die Basiskultur», das Klaus Lederer wolle, stehe nicht im Widerspruch zu dem «House of Jazz». «Der Standort Alte Münze verfügt über etwa dreimal so viel Fläche, wie für unser Projekt skizziert», sagte Brönner. 

Brönner hatte in Absprache mit dem früheren Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) die Alte Münze in der Nähe der Roten Rathauses zu einer zentralen Spielstätte für den Jazz ausbauen wollen. Die Haushaltspolitiker des Bundes bewilligten dafür Ende vergangenen Jahres 12,5 Millionen Euro. 

Lederer kündigte an, sich beim Bund für eine Umwidmung der Mittel einzusetzen. Nach Ansicht des Kultursenators sollte die Alte Münze zu einem Kultur- und Kreativhaus werden, in dem Jazz eine wichtige Säule neben anderen ist. «Wir brauchen nicht nur Leuchttürme, wir brauchen vor allem Arbeits- und Produktionsräume für Musiker der freien Szene», hatte Lederer der Deutschen Presse-Agentur gesagt. 

 

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