Colosseum, Sistina, Papst – alles schön und gut. Mein Lieblingswahrzeichen in Rom aber, das ist ein unscheinbares Loch aus dem 16. Jahrhundert. Das Loch wurde aus der Decke der wundervollen „Biblioteca Vallicelliana“ geschnitzt, unter der sich das berühmte Oratorium Filippo Neris befindet. Entfernt man einen Stöpsel aus besagtem Loch, dringt von unten Musik nach oben und belüftet die Hirne.
Es handelt sich hier, davon bin ich überzeugt, nicht um eine Proto-Stereo-Anlage, da diese dem Raum ja etwas hinzufügen würde, zum Beispiel einen Lautsprecher. Das Loch hingegen fügt dem Raum etwas hinzu, indem es von ihm etwas fortnimmt. Ein Mehrwert-Loch! Wenn man mal Ruhe brauchte, machte man’s einfach dicht. Angesichts der löchrigen Schönheit verliert auch der Prunk umstehender Gebäude seine einschüchternden Wirkungen – ist er nur die Schutzhülle für das Nichts. Verschwendung und Verschwindung gleichzeitig! Hurra!
„Ha!“ ruft der mitlesende Schlaubi und wendet forsch ein: „Ist kein Austausch, geht nur in eine Richtung. Alles wie immer: Musike lüftet Hirne durch, aber wer lüftet Musike durch?“ „Pah, Schlaubi!“ entgegne ich so dreist wie frohgemut: Drumherum trifft man sich in gefühlten 753 Espressobars auf 42 Quadratmetern. Dafür sind die doch da! Und außerdem... – ach, wurscht – stringente Argumentationslinien sind für Anfänger. Ich vermute: Das Loch markiert, was schon einmal ganz gut und schön war – und was wieder besser sein könnte. Es fehlen Löcher. Vorschlag fürs Neue Jahr: Baut Löcher!