Ohne finanzielle und ideelle Unterstützung sind Klassikkarrieren für junge Musikerinnen und Musiker kaum möglich. Ein seriöser und effektiver Katalysator ist seit 40 Jahren der Wettbewerb (DMW) des Deutschen Musikrats, der vom 16. bis 28. März 2015 erstmals in Lübeck stattfand. Beim Eröffnungskonzert in der Musikhochschule Lübeck (MHL) zeigten Frank Dupree (Klavier), Johannes Fischer (Schlagzeug) und das Duo Riul (Sebastian Manz, Klarinette und Martin Klett, Klavier) in hervorragenden Darbietungen von Repertoire der Romantik bis zu aktueller Musik, wie aus ehemaligen DMW-Preisträgern arrivierte Solisten werden können (siehe unten).
In zehn Kategorien (Solisten: Violine, Viola, Kontrabass, Klarinette, Saxophon, Fagott / Kammermusik: Klavierpartner Instrumentalmusik, Klavierduo, Streichquartett, Ensembles für Alte Musik) waren mehr als 150 Teilnehmende angetreten, ein Stipendium oder einen Preis zu erlangen. Das Konzept des DMW beschreibt Professor Rico Gubler, Präsident der MHL, so: „Ich war das erste Mal überhaupt in einer Jury und habe auch den Wettbewerb als solchen erst bei dieser Gelegenheit genauer kennengelernt. Mir ist die hohe Anzahl der Runden und das beträchtliche Ausmaß des zu absolvierenden Programms aufgefallen, das sowohl eine enorme Herausforderung war als auch eine große Befriedigung darstellen konnte, insbesondere wenn die jungen Musiker in die dritte oder gar vierte Runde gekommen sind. Dann war es bis zum Stipendium nicht mehr so weit. Daran erkennt man, dass dieser Wettbewerb, statt einzelne Sieger zu bestimmen, mit langfristigen Stipendien, anschließenden Konzerten und CD-Aufnahmen breite, nachhaltige Förderungsmöglichkeiten bietet.“ Am Ende der Selektionsphasen hatten sich die Fachjurys und schließlich die Gesamtjury für elf Solisten, drei Kammermusikensembles, drei Klavierbegleiter und ein Klavierduo als Stipendiaten und zwei Preisträger entschieden: Bettina Aust (Klarinette), die an der MHL studiert hatte, und Wies de Boevé (Kontrabass) von der Hanns Eisler Hochschule Berlin, die auch je einen Sonderpreis der Marie-Luise Imbusch-Stiftung erhielten. Ausgezeichnet wurden außerdem die Finalisten: Angelo de Leo, Jonian Illias Kadesha und Liya Petrova (Violinen) mit einem Stipendium der Deutschen Stiftung Musikleben und das Klavierduo Karolin & Friederike Stegmann mit einem Förderpreis der Carl Bechstein Stiftung. Der Preis des DMW „Komposition“ / Preis des Deutschlandfunk 2015 ging an Damian Scholl für sein Werk „Ghostbird“ für Violine, Klarinette und Klavier, das beim Festival Heidelberger Frühling vom Stipendiaten Trio Pierrot uraufgeführt wurde.
Die beiden Preisträgerkonzerte präsentierten einige der erfolgreichen jungen Musikerinnen und Musiker in Bestform: etwa wie im Großen Saal der MHL die Violinistin Johanna Pichlmair ironisch den Monolog „Lachen verlernt“ von Esa-Pekka Salonen intonierte oder wie der Saxophonist Johannes Pfeuffer und Florian von Radowitz (Klavier) die Mysterien der „Légende“ von Florent Schmitt enthüllten und das Goldmund Quartett feinsinnig Allegro und Très doux aus dem Streichquartett von Maurice Ravel interpretierten. Ein Triumph des DMW wurden dann die Solistenkonzerte in der Musik- und Kongresshalle Lübeck vor rund 1.000 Besuchern: großartig, die souveräne Stimmführung von Wies de Boevé beim Kontrabasskonzert Nr. 2 von Giovanni Bottesini und die nuancierten Phrasierungen, die Bettina Aust beim Klarinettenkonzert Nr. 1 von Carl Maria von Weber hervorbrachte. Wesentlicher Faktor für diese positive Resonanz waren unter der Leitung von Johannes Klumpp die Lübecker Philharmoniker, deren differenzierte und flexible Begleitung die Solisten vorbildlich unterstützten. Dafür wurde das Orchester ausdrücklich von der Wettbewerbsleitung gelobt. (siehe die Presseerklärung unten)
Auch und vor allem hat das rege Publikumsinteresse diesen DMW zum kulturellen Ereignis über Lübeck hinaus gemacht. Kurze Wege – außer für Kontrabass im Brahms-Institut konnten alle Vorspiele im Gebäude der MHL stattfinden – für Solisten, Ensembles und Besucher waren dabei ein unschätzbarer Vorteil und haben die Reputation sowohl der MHL als auch der Hansestadt Lübeck als Zentrum klassischer Musik in Norddeutschland gestärkt.
Aus der Presseerklärung der Jury des Deutschen Musikwettbewerbs:
„Mit großem Befremden hat die Jury des Deutschen Musikwettbewerbes aus der Presse von erneuten Sparmaßnahmen am Lübecker Theater erfahren. Die mit Preisen ausgezeichneten Lübecker Philharmoniker wären mit der Einsparung von 3 Stellen direkt betroffen. Dadurch würde der Stellenplan des Orchesters auf ein Niveau sinken, mit dem kein romantisches Repertoire ohne teurere Zu- und Ersatzbestellungen mehr spielbar wäre. Worin besteht der Sinn eines anerkannten Wettbewerbs, wenn Jugendlichen sig-nalisiert wird, dass Kultur an Bedeutung verliert und die als immaterielles Weltkulturerbe anerkannte deutsche Theater- und Orchesterlandschaft dem Rotstift zum Opfer fällt? (...) Die Gremien des Deutschen Musikwettbewerbs fordern die Landespolitik sowie insbesondere die zuständigen Verantwortlichen in der Hansestadt Lübeck auf, dieser Entwicklung ein Ende zu setzen und sich zu ihrer Kultur zu bekennen.“