Musik von und mit: Bernd Alois Zimmermann, Ruth Velten, Aloys Kontarsky, David Tudor, Eduard Steuermann, Fabien Lévy, Andor Foldes, Ensemble Song Circus, Fabien Lévy, Ruben Sverre Gjertsen, Steve Reich, Herbert Henck, Claude Helffer, Kristi Becker, Massimiliano Damerini, Ole-Henrik Moe und Nicolas Hodges.
Die 7-CD-Box mit Klaviermusik von 1948 bis in die Gegenwart vermittelt den Eindruck, dass das Beste an „Darmstadt“ momentan sein Archiv ist. Dank kontinuierlicher Dokumentationsarbeit ist es heute eine Goldgrube, was die Interpretationsgeschichte der neuen Musik seit 1945 angeht. Viele der Aufnahmen aus den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten bürgen für größtmögliche Authentizität, manches hat historische Bedeutung. Peter Stadlen mit Webern, Eduard Steuermann mit Schönberg, Andor Foldes mit Bartók, David Tudor mit Stockhausen und Evangelisti, Aloys Kontarsky mit Xenakis und Clementi, Castiglioni mit Castiglioni, Boulez mit Boulez: Ein Who is Who der Klaviermusik der Vor- und Nachkriegszeit. Später kommen Herbert Henck, Claude Helffer, Kristi Becker, Massimiliano Damerini, Nicolas Hodges und viele andere dazu. Mit „Speaking Pianists“ und „Piano extended“ bilden die beiden letzten CDs neuere musikalische Entwicklungen ab. (Neos)
Nicht minder gewichtig sind die zwei Werke aus der ersten Schaffensperiode von Bernd Alois Zimmermann, die Peter Hirsch mit dem WDR-Sinfonieorchester eingespielt hat: Das Konzert für Streichorchester von 1948 – die Umarbeitung eines Streichtrios aus Kriegszeiten – und die Sinfonie in einem Satz von 1951. Die in einer späteren Revision geglättete Sinfonie erklingt hier in der Erstfassung. Mit ihren explosiven Tutti, den wilden Orgelpartien und heftigen Kontrasten springt sie den Hörer förmlich an. Die verdrängte katastrophische Ostfronterfahrung Zimmermanns scheint hier an die Oberfläche zu drängen, und Hirschs packendes Dirigat arbeitet die Kanten und Abgründe der Musik unerbittlich heraus. Zwei Ballettmusiken aus den 1960er-Jahren, der „Roi Ubu“ und die mit „Giostra Genovese“ betitelten Tänze nach alten Meistern, kontrastieren das nur scheinbar. Das Katastrophische ist auch ihnen in maskenhafter Form eingeschrieben. (Wergo)
Unter dem Titel „Different Traces“ hat die fabelhaft aufspielende Saxophonistin Ruth Velten sechs Werke veröffentlicht, die auf unterschiedliche Weise einen instrumentalen Dialog mit dem Tonband führen. Von Berios Sequenza VIIb, wo nur der Ton h als tonale Achse diskret hörbar ist, über die von der Saxophonistin selbst erstellte Version von Steve Reichs „New York Counterpoint“ mit elfstimmiger Zuspielung reicht der Bogen bis zur mehrstufigen Interaktion mittels Aufnahmetechnik bei Gordon Kampe. Das klanglich raffinierteste Stück stammt indes von Fabien Lévy: „L’air d’ailleurs“. Die elektronisch stark verarbeiteten Saxophonklänge eröffnen eine weit dimensionierte Klanglandschaft, in der sich das live gespielte Instrument quasi verliert. Intelligent kontrastiert wird das durch die in der Zuspielung enthaltenen konkreten Klappengeräusche, die dem Spiel auf der afrikanischen Mbira ähneln. (Genuin classics).
Mit einem aufnahmetechnisch hochwertigen Sound erzeugt das norwegische Ensemble Song Circus virtuelle Klangräume. In „Landscape with Figures“ von Ruben Sverre Gjertsen verstreuen helle Frauenstimmen darin Melodiefetzen und Textsilben unter anderem von James Joyce, gemischt mit metallisch eingefärbten Geräuschklängen. Leider weiß man nicht, um was dabei es geht, die Texte sind offenbar irrelevant. „Persephone“ von Ole-Henrik Moe besteht aus stärker zusammenhängenden Klangereignissen, was einige musikalisch reizvolle Momente ergibt. Aber auch hier teilt sich nicht mit, was die von Computerklingklang begleiteten Vokalaktionen uns mitteilen wollen. Etwas mehr Hintergrundinformation wäre nützlich gewesen.