Im Juli 1887 hat der Magistrat der Stadt Landsberg am Lech den Musikunterricht an der Volksschule insofern neu geregelt, als zwei Lehrkräfte, der Pfarrkirchenchorregent Bernhard Heinrich und der städtische Musikmeister Xaver Aigner, dafür Extrastunden zugesprochen bekamen und für diese aus dem Stadtsäckel auch extra entlohnt wurden.
Fast 50 Jahre später, im Jahr 1931, hat der damalige Bürgermeister diesen Beschluss als Gründungsdatum der Einrichtung, zu der Zeit trotz ebenfalls angebotenen Instrumentalunterrichts nur „Singschule“ genannt, festgelegt. Somit kann die Städtische Sing- und Musikschule Landsberg am Lech heuer auf stolze 125 Jahre Bestehen zurückblicken. Ein solches Ereignis wirft seine Schatten voraus, die Jubiläumsfeierlichkeiten mit, wie es sich für eine Musikschule gehört, vielen Konzerten und Aufführungen begannen dementsprechend bereits Ende November 2011 und dauern noch mindestens bis zum heurigen Schuljahresende an. Großes Motto der Veranstaltungsreihe ist „Musikschule für alle“, dies ist gleichzeitig die Bezeichnung für das Konzept, nach dem die von mittlerweile rund 1.000 Schülern besuchte, äußerst erfolgreiche, zurzeit laut Schulleitung allerdings ausgelastete Einrichtung, an der bei mehr als 20 Lehrern Singen und eine große Palette an Instrumenten gelernt werden kann, arbeitet. „Wir wollen offen sein für alle“, sagt Schulleiter Lothar Kirsch über das Konzept. „Von Kindergartenkindern bis zu den Senioren soll jeder, der will, zwanglos und freiwillig mitmachen und Angebote annehmen können.“
Ursprünglicher Auslöser für die Gründung einer Singschule in Landsberg am Lech war ein Nachwuchsproblem – und das bereits vor Mitte des 19. Jahrhunderts: Die bei Gottesdiensten so wichtigen Sing- und Chorknaben wurden weniger, der Gesang immer dünner. Zeit aktiv zu werden und die Gesangsausbildung nicht mehr, wie es damals üblich war, nur den kirchlichen Einrichtungen zu überlassen, dachten sich die Verantwortlichen bei der Stadt wohl und ließen im Jahr 1842 einem Rechtsrat Statuten für eine Singschule als öffentliche Anstalt entwerfen. An der Schule sollten Knaben und Mädchen kostenlosen Gesangsunterricht genießen, „um den Sinn für Musik zu beleben und zu befördern und insbesondere die Freude am Gesange zu wecken“. Im Jahr 1887 schließlich war es soweit, der Musikunterricht wurde neu geregelt, allerdings stand die musische Ausbildung noch nicht ganz auf eigenen Beinen. Gut 30 Jahre später änderte sich das, als die Stadtschulkommission befand, dass es sich bei der Singschule „um eine von der Volksschule getrennte Einrichtung“ handelt. Erster Leiter der Singschule mit mehreren Abteilungen wurde Ignaz Peslmüller. Das Kind gedieh und entfaltete sich – bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939, als der damalige Bürgermeister die Singschule, an der mehr als 200 Schülerinnen und Schüler unterrichtet wurden, schloss, weil es für ihn „wichtigere Dinge“ gab. Mit der Wiederöffnung im November 1946 begann die fast 30 Jahre währende „Ära Holzmann“. Unter der Leitung des Chorregenten Otto Holzmann befand sich die Singschule schnell wieder auf der Erfolgsspur. Neben Singklassen und Chören gab es Orffgruppen, für die nach und nach Instrumentarium angeschafft wurde. Mit der Umbenennung in die noch heute gültigen Bezeichnung „Städtische Sing- und Musikschule“ trugen die Verantwortlichen 1971 dem erweiterten Angebot vor allem im Instrumentalbereich Rechnung. Gleichzeitig erfolgte der Beitritt zum Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen und zum Deutschen Musikschulverband. Nach dem plötzlichen Tod von Otto Holzmann während einer Chorprobe übernahm Gertraud Moratscheck für acht Jahre das Zepter. Die mittlerweile 91-jährige, immer noch musikalisch aktive Lehrerin, ist ein echtes Gewächs der Landsberger Singschule. Ersten Musikunterricht erhielt sie dort im Jahr 1929, ab 1950 bis zu ihrem Ruhestand unterrichtete Moratscheck an der städtischen Einrichtung. Der nachfolgende Sing- und Musikschulchef Karl Zepnik, heute künstlerischer Leiter an der Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf, machte sich vor allem für die Gesangsausbildung stark. Zepnik initiierte Kinder-, Jugend- und Jugendkammerchor sowie vor allem das im In- und Ausland überaus erfolgreiche Vocalensemble. Er begann mit Einzelunterricht Gesang, förderte Mutanten in besonderer Weise.
Seit Januar 2007 füttert Lothar Kirsch als Leiter die Städtische Sing- und Musikschule Landsberg am Lech mit vielen neuen Ideen. Kooperationen mit Grund-, Haupt- und Mittelschulen, Konzerte in verschiedensten Einrichtungen – unter Kirschs Leitung öffnet sich die Schule immer mehr. Seit 2008 unterstützt zudem ein Förderverein organisatorisch und finanziell die musikalische Bildung der Schüler.
Ein Erfolgsmodell
Derzeit werden 1.001 Schüler aller Altersstufen von 22 Musiklehrern unterrichtet. Das Angebot ist groß gefächert, es beginnt bei musikalischer Früherziehung und endet bei Schlagwerk noch lange nicht. Musikverbundene Zeitgenossen zwischen 0 und 100 Jahren, die sich Fertigkeiten an einem Instrument aneignen möchten, haben die Qual der Wahl zwischen Tasten-, Zupf-, Streich-, Blas- und Schlaginstrumenten. Chöre von der ersten Sing- bis zur Abendklasse, der Chor für alle singbegeisterten Erwachsenen sowie verschiedenste Instrumentalensembles komplettieren das Angebot. Der Unterrichtserfolg lässt sich unter anderem messen an unzähligen Preisen und Auszeichnungen, die Schüler gewannen oder erhielten. Beispielsweise haben 20 junge Erwachsene, die in den letzten Jahren mit dem Kulturförderpreis des Landkreises Landsberg ausgezeichnet wurden, ihre Grundausbildung an der Schule genossen. Seit 1990 haben Schüler beim Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“ 180 erste Preise gewonnen, dazu kommen 42 erste Landes- und neun erste Bundessieger.
Veranstaltungen
Festlicher Auftakt des Musikschuljubiläums war „Das klingende Rathaus“ Ende November 2011, mit Ansprachen und viel Musik für geladene Gäste. Seither reiht sich eine Gala an die andere. Es folgten Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ mit dem Jugendsinfonieorchester und BR-Rundschaumoderator Alex Dorow. „Die jubilierende Musikschule“ hatte sich einen Tag lang im Stadttheater einquartiert, Chöre luden zu einem geistlichen Chorkonzert in eine der beiden Stadtpfarrkirchen ein. Weiter ging es mit dem traditionellen Sankta Lucia Singen des Vocalensembles, einige Nachwuchsorchester luden zu „Es weihnachtet von allen Saiten“ ein. Das durch viele Ehemalige verstärkte Musikschulblasorchester blies dem alten Jahr quasi den Marsch, allerdings mit weihnachtlicher Musik. Damit ist die Luft natürlich noch lange nicht raus, am 26. Februar geht es im Stadttheater weiter mit dem Musical „Aglaia“. Selbst die Lehrer stehen nicht zurück, am 25. März wollen sie ebenfalls im Stadttheater zeigen, dass sie nicht nur unterrichten, sondern auch musizieren können. Rund um Christi Himmelfahrt (17. Mai) sind „Die Landsberger Stadtmusikanten“ in Schule und Stadttheater mit ihren Instrumenten unterwegs. Neben anderen Solisten und Ensembles wird die Schlagzeugklasse „Licca Percussiva“ am 16. Mai in einem eigenen Konzert für mächtig Furore sorgen. „Die Weltentrommler“ erwarten mit „Immerimtakt“ aus der Schweiz und „KissPercussiva“ aus Bad Kissingen zwei befreundete Schlagzeugensembles, die sich wie Licca Percussiva aus Schülern der dortigen Musikschulen rekrutieren.