Mit Andreas Scholl unterrichtet seit dem Wintersemester 2019/20 einer der renommiertesten Countertenöre der Welt an der Universität Mozarteum Salzburg.
Ermöglicht wurde dies – wie bei seinem ebenfalls in Salzburg lehrenden Violinkollegen Maxim Vengerov – durch eine dreijährige Stiftungsprofessur. Und so wie Andreas Scholl einst von jenen Stars profitierte, mit denen er während des eigenen Studiums arbeiten durfte, gibt er nun sein Wissen an die nächste Generation weiter – seit mittlerweile mehr als 20 Jahren unterrichtet er „neben“ der Bühnenkarriere aufstrebende Sängerinnen und Sänger.
„Man lernt auch selbst wahnsinnig viel durch das Unterrichten. Als junger Lehrer muss man zunächst verbalisieren, was man instinktiv macht. Als junger Sänger wiederum genügt es anfänglich vielleicht, ein Instinktsänger zu sein, doch wenn irgendwann ein Problem kommt, man nicht zu 100 Prozent fit ist und sich die Kräfte anders einteilen muss, ist das gelernte Wissen um die eigene Stimme unabdingbar. Zudem ist es mir natürlich ein Anliegen, Studierende dazu zu inspirieren, ihren eigenen Weg zu finden. Sich auf der Bühne zu zeigen und eine eigene Idee umzusetzen, auch wenn sie ganz anders klingt als das, was alle anderen vor einem gemacht haben, kostet viel Mut – und den will ich den Studierenden mitgeben“, beschreibt Andreas Scholl die Herausforderungen des Unterrichtens und seinen positiven Zugang, den er sich von den eigenen Vorbildern abgeschaut hat: „Bei allen ging es immer darum, die eigene Persönlichkeit zu finden. Es hilft keinem Studierenden, niedergemacht zu werden – ich bin kein Richter, sondern Lehrer.“
Andreas Scholl entstammt einer musikalischen Familie aus dem Rheingau („Mein Großvater, mein Vater, mein älterer Bruder – alle haben im gleichen Knabenchor gesungen.“) und ist mit fast täglichen Gesangsstunden und wöchentlicher Stimmbildung bei einer Gesangspädagogin aufgewachsen. „Dass das ein unglaubliches Geschenk war, wurde mir natürlich erst im Nachhinein bewusst. Denn anders als etwa bei Pianisten, die sehr früh professionell gefördert werden, geschieht das beim Gesang meist erst im Teenager-Alter“, erzählt der heutige Bühnenprofi, der erst durch die Countertenor-Stimme auf die Idee kam, aus der Leidenschaft einen Beruf zu machen. „Als im Alter von 13, 14 Jahren der Stimmbruch kam, ich mit meiner Kopfstimme aber weiterhin hoch singen konnte, ermutigten mich sowohl meine Stimmbildnerin als auch der Chorleiter. Bis dahin hatte ich mich eigentlich nicht zum Sänger berufen gefühlt“, erinnert sich Andreas Scholl, der als Jugendlicher eher eine Polizistenkarriere als ein Künstlerleben im Sinn hatte.
Sein Operndebüt feierte Andreas Scholl erst 1998, als er bereits ein renommierter Konzertsänger war. Und obwohl er seither immer wieder auf den größten Opernbühnen der Welt gastiert, schlägt sein Herz nur zum Teil für das Musiktheater: „Ich habe die Oper immer geliebt, aber das Problem bei Opernproduktionen ist, dass sie der Familie und dem Umfeld viel abverlangen. Für die Produktion von ,Giulio Cesare‘ musste ich neun Wochen nach Kopenhagen. Also habe ich einen VW-Bus vollgeladen und bin hochgefahren, während zu Hause das Leben weiterging. Es ist ein großes Opfer, das andere bringen müssen, damit man sich als Opernsänger verwirklichen kann – und der Preis ist mir oft zu hoch. Zumal ich auch die Herausforderung eines Liederabends sehr mag. Egal ob es Lautenlieder, Lieder von Brahms, Haydn, Mozart oder Schubert sind – auch hier muss man Geschichten erzählen.“
Für die Zeit in Salzburg hat sich Andreas Scholl einiges vorgenommen: „Die Universität Mozarteum gehört zu den Top-Adressen weltweit und es ist mir eine Freude und Ehre, die nächsten Jahre hier zu sein. Als momentan einziger Lehrer in der Sparte Barockgesang ist es für mich auch eine tolle Möglichkeit, Akzente zu setzen. Gemeinsam mit den anderen Gesangsklassen werden wir etwas sehr Schönes aufbauen.“