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Von weißen Ochsen und blinden Kühen

Untertitel
Neue Notenausgaben für Pianistinnen und Pianisten kurz durchgesehen
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Gabriel Fauré (1845–1924): Pièces brèves pour piano op. 84, Peters, London 7601 (2003)

Die kaum gepielten, acht Stücke enstanden 1898 bis 1902 mit Ausnahme der dritten und sechsten Fuge, die beide aus Faurés Jugendzeit stammen. Das achte Werk „Andante“ kam später auch als „8. Nocturne“ heraus. Es sind meist getragene, klangschöne Werke, von denen einige als Übungen zum Vom-Blatt-Spielen gedacht waren. Diese Ausgabe geht auf die erste Edition von 1902 und auf den korregierten Nachdruck von 1924 zurück, fügt zusätzliche Korrigenda und einen kritischen Kommentar an. Die „Pièces brèves“ fordern eine weite Griffspanne, eignen sich dennoch vorzüglich als Hinführung zu größeren Werken des Komponisten.

Graham Waterhouse (geb. 1962): Praeludium op. 32 für Klavier (1992), Lienau, Frankfurt/Main, (2002), RL 40820, ISMN M-011-40820-9

Der in München lebende, erfolgreiche englische Komponist und Cellist Graham Waterhouse, überrascht stets mit seinem attraktiven Einfallsreichtum im Bereich von Cello, Kammermusik, Instrumentalkonzert und Klavier. Sein sechsminütiges Praeludium entpuppt sich als dramatisches Konzertstück mit sprudelnden Figurationen, lyrischen Einschüben, polyphonen Elementen, harmonischen Raffinessen und einem zielstrebig gesteigerten, enormen Schluss. Empfehlung: ein Reißer romantischer Prägung aus dem unmittelbar zeitgenössischen Musikschaffen.

Alexander Tcherepnin (1899–1977): Expressions. 10 Stücke für Klavier op. 81 (1951), Belaieff, Frankfurt/Main (2000), Bel 637

Früher bei Leeds Music veröffentlicht, gibt diese Ausgabe einen Anstoß, sich mit Tcherepnins ziemlich vernachlässigtem Klavierwerk zu beschäftigen, in dem dieser schöne Zyklus das Spätwerk des russischen Komponisten eröffnet. Die Titel „In der Todesstunde“, „Caprice“, „Die dumme Geschichte des weißen Ochsen“, „Dieb in der Nacht“, „Auf dem Jahrmarkt“, „Barkarole“, „Blinde Kuh“, „Früh Morgens“ verweisen auf den programmatischen Charakter der fantasievollen, gut klingenden Musik, die keine großen technischen Probleme aufweist.

Leopold Godowsky (1870–1938): Sonate e-moll für das Klavier (1910/11), Lienau, Frankfurt/Main, (2001), RL 408 00, ISMN M-011-40800-1

Godowskys monströse einstündige, frühe und einzige Klaviersonate kann man selten im Konzert, jedoch öfters auf CD hören, was durchaus auf den vorliegenden Reprint der alten Lienau-Ausgabe von 1911 zurückzuführen ist. Ein Fehlerverzeichnis und zusätzlich angebrachte Taktzahlen erleichtern die Orientierung. Leider verzichtete Godowsky auf die eigentlich notwendigen Fingersätze und Angaben zum Pedalgebrauch. Wer die beträchtlichen spieltechnischen und gestalterischen Anforderungen an die dicht kontrapunktisch gesetzten, ein wenig spröden Ecksätze mit je 20 Minuten Spieldauer scheut, dürfte mit den kürzeren verbleibenden drei Sätzen, dem Adagio, besonders dem Scherzo und dem Walzer einen dankbaren und spielbaren Einstieg in die polyphone Klangwelt des Komponisten finden.

Franz Möckl (geb. 1925): Das Klavierwerk, Folge 9, Kleine Begebenheiten. Sechs Klavierstücke MWV 270; Haas, Köln (2004), ISMN M-2054-0402-4; Das Klavierwerk, Folge 10, Fünf Nachtstücke MWV 273, Haas, Köln (2004), ISMN M-2054-0407-9

Der vielfach verlegte Komponist, Musikpädagoge und Chordirigent Franz Möckl schuf neben Chorwerken und Kammermusik auch diverse Klaviermusik. Die spätromantisch anmutenden, im Falle der Nachtstücke etwas gewichtiger auftretenden Werke, könnten ihren Platz im Musikunterricht finden.

Karl Heinz Pick (geb. 1929): Trois Pièces pour Piano (1973), Helm-Baynov, Kempten (2004), HB 7003

Der Pianist und Hochschulprofessor Karl-Heinz Pick schuf zahlreiche Liedzyklen und oft gespielte Klaviermusik. Die drei Stücke, „Tango“, „Valse musette“ und „Etude chromatique“, stellen eine Hommage an Darius Milhaud, Francis Poulenc und Frédéric Chopin dar. Sie arbeiten mit dem entsprechenden Klangkolorit der „Saudades do Brasil“ von Milhaud, der vierhändigen „Valse musette“ von Poulenc und der a-moll Etüde op. 10, 2 von Chopin, jedoch in eigenständiger Ausarbeitung. Die Neuausgabe enthält in der Etüde gegenüber der alten Petersausgabe eine Motivänderung, welche die Widmung an Chopin verdeutlichen soll. Die anspruchsvollen Stücke eignen sich gut für Jugendwettbewerbe.

Benjamin Yusupov (geb. 1962): Crossroads No. 2 for piano (2004), Sikorski, Berlin 8527, ISMN M-003-03355-6

Der russisch-israelische Komponist und Dirigent erfreut sich mit Werken aus unterschiedlichen Gattungen internationaler Wertschätzung. Seine Musiksprache verbindet europäisch-russische Klang- und Stilmuster mit jüdisch-israelischem Kolorit. Crossroad No. 2 lebt von einer raschen Folge bizarrer Gegensätze in Tempo, Dynamik und Klangstil. Der Ablauf verschiedener Figurationen, orientalische Folklore, die Skala von Pianissimo bis zum dreifachen Forte, alles im Wechsel mit einem wiederholt auftretenden Choral machen die Spannung des Stückes aus, das nach einem grandiosen Höhepunkt rätselhaft verklingt. Neugierige, versierte Spieler mit Lust auf Abwechslung werden hier auf ihre Kosten kommen.

Alejandro Geberovich (geb. 1948): Revancha. Tango-Milonga für Klavier zu sechs Händen (2002), Helm-Baynov, Kempten (2004), HB 1050

Der in Österreich lebende argentinische Pianist, Dirigent, Pädagoge und Herausgeber unbekannter Werke von Eberl, Diabelli und Mendelssohn bekam 2002 beim „Ersten Musikschulwettbewerb der Musiklehranstalten Wien“ für Revancha den Sonderpreis für das beste zeitgenössische Werk. Tonales Klangempfinden verschmilzt mit frei- bis polytonalen Effekten im Rahmen des Tango Nuevo.

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