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Treppenhaus. Foto: Hufner
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Wesentliche Punkte angesprochen

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Gregor Willmes über zwei Wettbewerbe von Bechstein Stiftung und C. Bechstein Pianoforte AG
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Herzlichen Dank für Ihre Anfrage und die Zusendung des schönen Beitrags zum Thema „Musikwettbewerbe und ihre Jurys“. Ich finde den Essay von Nora Sophie Kienast sehr gut, da viele Probleme angesprochen werden, die mir im Laufe der Zeit immer wieder begegnet sind. Allerdings war ich nie Juror von internationalen Wettbewerben, sondern als Journalist nur bei kleineren Wettbewerben als Juror tätig. Und die Carl Bechstein Stiftung und die C. Bechstein Pianoforte AG veranstalten zwar jeweils einen Wettbewerb jährlich, aber auch diese sind nur national ausgeschrieben und funktionieren deshalb in vielen Punkten vielleicht auch anders als größere Wettbewerbe. In der Beschreibung unserer beiden Wettbewerbe kann ich auf einige der wesentlichen Punkte eingehen, die auch Nora Sophie Kienast angesprochen hat.

Im Brucknerhaus Linz veranstaltet die C. Bechstein Pianoforte AG jährlich den Bechstein-Bruckner-Wettbewerb Österreich, der sich bereits dadurch von den meisten Wettbewerben abhebt, dass es nur insgesamt neun Teilnehmer*innen geben kann, da diese von den neun Musik­universitäten und Konservatorien in Österreich nominiert werden. Das hat den Vorteil, dass hier nicht Hunderte von Teilnehmer*innen vorspielen und – um es etwas böse zu formulieren – die Juror*innen die ganze Zeit wach bleiben können.

Die Jury stelle ich so zusammen, dass nur Juror*innen berufen werden, die nicht in Österreich unterrichten. Zudem kommen sie zumeist aus verschiedenen Ländern, so dass die Chance, dass sich die Juroren untereinander kennen, gering ist. Und ich lade in jedem Jahr andere Juror*innen ein, damit sich hier erst gar nicht zu enge Verbindungen bilden können. Die Juror*innen müssen zudem angeben, ob sie in irgendeiner persönlichen Beziehung zu den Teilnehmer*innen des Wettbewerbs stehen. Zum Glück war dieses in den ersten drei Wettbewerben bisher nicht der Fall. Denn bei „nur“ drei Juror*innen wäre es schlecht, wenn eine bzw. einer ausfallen würde. Und natürlich hat die Autorin recht, wenn sie schreibt, dass es nichts nützt, wenn sich der Juror oder die Jurorin bei demjenigen Kandidaten oder der Kandidatin enthält, da er natürlich auch durch die Bewertung der anderen Teilnehmer*innen Einfluss auf die Gesamtwertung nehmen kann.

Wir versuchen in der Regel, eine Mischung aus aktiven Pianist*innen sowie Klavierprofessor*innen in der Jury zu haben, zumal ja auch viele Professor*innen noch aktive Pianist*innen sind. Ein Grund, warum Veranstalter wohl gerne auf Professor*innen als Juror*innen zurückgreifen, ist sicherlich der, dass aktive Pianist*innen selten in Jurys gehen, weil ihnen diese Tätigkeit für die eigene Konzertkarriere nichts bringt und Juror*innen in der Regel nicht gut bezahlt werden. Das wiederum hat damit zu tun, dass Veranstalter an Wettbewerben normalerweise nichts verdienen und daher die Budgets beschränkt sind. Hinzu kommt, dass aktive Pianist*innen in der Regel nicht die Zeit haben, mehrere Tage am Stück bei einem Wettbewerb zu sein, da sie entweder Konzerte geben oder neue Programme lernen müssen. Mitarbeiter aus Agenturen, Journalisten oder Dirigenten in Jurys einzuladen, kann sinnvoll sein. Ich habe aber leider auch bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass diese dann doch zumeist nicht so ausgeprägte Repertoirekenntnisse und Erfahrungen im Klavierbereich hatten wie die Pianist*innen in der Jury und so ein gewisses Ungleichgewicht zwischen Fachleuten der ers­ten und zweiten Kategorie entstand …

Dass man Teilnehmer*innen bei einem Wettbewerb hinter einer Wand verstecken soll, halte ich für absoluten Quatsch. Denn natürlich zählt zur Bühnenpräsenz nicht nur die akustische Seite. Und in Konzertsälen – und dort müssen die Preisträger*innen später bestehen – spielen die Pianist*innen auch nicht hinter einer Wand …

Zum Bewertungssystem: In unseren Wettbewerben gibt es in der Regel eine Juryordnung, die ich vor dem Wettbewerb mit dem Juryvorsitzenden abstimme. Und es hat hier noch nie Proteste oder Änderungswünsche gegeben. Es gibt bei uns kein Punktesys­tem. Punktesysteme führen immer zu Problemen, da jede Jurorin, jeder Juror ein anderes Empfinden im Umgang mit Punkten hat und ein Punktesystem nach meiner Meinung geradezu dazu einlädt, Teilnehmer*innen abzuwerten, wenn man sie aus irgendeinem Grunde nicht mag oder man einem anderen Teilnehmer oder einer anderen Teilnehmerin einen Vorteil verschaffen möchte.

Beim Bechstein-Bruckner Wettbewerb muss jede Jurorin bzw. jeder Juror nach der ersten Runde genau so viele Namen auf seinen Zettel schreiben, wie Kandidat*innen für die zweite Runde zugelassen sind. Danach wird ausgezählt und mathematisch entschieden. Nur bei einer gleichen Anzahl von Stimmen bei mehreren Kandidat*innen kann diskutiert bzw. erneut abgestimmt werden. In der Finalrunde gibt es eine zweistufige Wertung: In der ersten Runde schreiben die Juror*innen nur drei Namen auf die Zettel. Danach wird ausgezählt und es ergibt sich oftmals schon ein klares Bild, wer den ersten, zweiten oder dritten Preis bekommen soll. Bei Stimmgleichheit wird zwischen den Teilnehmer*innen mit den meisten Stimmen noch einmal gewählt, wer den ersten, zweiten bzw. dritten Preis erhalten soll. Und erst vor dieser zweiten Abstimmung können auch Argumente ausgetauscht werden.

Wir versuchen, Gespräche zwischen den Juror*innen im Hinblick auf die Teilnehmer*innen während des ganzen Wettbewerbs zu unterbinden. Wir können und wollen die Juror*innen des Wettbewerbs nicht separieren, da ein lebendiger Austausch und gute Jury-Essen bei niedrigen Honoraren wesentlich sind für eine gute Stimmung in der Jury, was sich wiederum positiv auf den ganzen Wettbewerb auswirkt. Aber ich begleite als Wettbewerbsleiter die Jury die gesamte Zeit, bin also nicht nur bei allen Jurysitzungen anwesend, sondern auch bei allen gemeinsamen Essen. Insofern bekomme ich mit, falls jemand über die Teilnehmer*innen sprechen möchte, und kann das unterbinden. Dass sich Juroren vielleicht trotzdem abends an der Hotelbar oder während eines gemeinsamen Spaziergangs unterhalten, lässt sich nicht ausschließen. Aber unsere kleinen Wettbewerbe sind in meiner Einschätzung nicht so bedeutend, dass sich hier eine bewusste Manipulation für eine Jurorin oder einen Juror lohnen würde.

Die Bewertungskriterien der Jury stellen wir bei unseren Wettbewerben immer auf unsere Internetseite. Wesentliche Kriterien für die Beurteilung sind in der Regel: „Künstlerische Gestaltung, Tonqualität, Spieltechnik, Texttreue und das stilistische Verständnis“. Aber Musik ist Kunst und kein Sport. Eine künstlerische Gestaltung lässt sich nicht in Zahlen oder Punkten messen. Insofern kann es sich bei einer Jury-Entscheidung nur um die Ansammlung persönlicher Einschätzungen von Menschen mit Erfahrungen in diesem Bereich handeln.

Deshalb schreiben auch wir immer ins Reglement: „Die Jury ist nicht verpflichtet alle Preise zu vergeben. Die Entscheidungen der Jury sind unanfechtbar. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.“ Wer möchte nach dem Wettbewerb mit enttäuschten Teilnehmer*innen oder (bei Kindern und Jugendlichen) enttäuschten Lehrer*innen und Eltern diskutieren? Ich war andererseits bei all unseren Wettbewerben in den letzten Jahren immer wieder überrascht, wie einig sich die jeweiligen Jurys in der Regel bei den Bewertungen der Teilnehmer*innen waren.

Die Carl Bechstein Stiftung veranstaltet einmal im Jahr den „Carl Bechstein Wettbewerb für Kinder und Jugendliche“. Der Wettbewerb findet in Berlin statt und ist national ausgeschrieben. Die Jurys sind etwas größer als in Linz (fünf bis sechs Juror*innen) und bestehen auch hier in der Regel aus Lehrenden und/oder aktiven Pianist*innen. Jedes Jahr wird neu gemischt. Und da der Wettbewerb auch jährlich zwischen den Kategorien „Klavier solo“, „Klavierduo“ und „Klavier und ein Streichinstrument“ wechselt, ist das Feld der Juror*innen entsprechend größer, zumal bei der letzten Kategorie auch Streicher hinzukommen. Bei den Bewertungskriterien kommt bei den Kammermusikwettbewerben das Kriterium des Zusammenspiels hinzu, was bei manchem kindlichen oder jugendlichen „Stargeiger“ beziehungsweise mancher „Starcellistin“ schon zu Enttäuschungen geführt hat. Die Juryentscheidungen werden ähnlich wie bei dem Wettbewerb in Linz gefällt. Einmal haben wir übrigens versucht, einen Wettbewerb im Bereich „Jazz“ auszurichten.

Und ich kann verraten, dass in einer Musikform ohne ausgeschriebene Partituren die Bewertungskriterien ganz anders gefasst werden müssen und nach meiner Einschätzung noch mehr persönlicher Geschmack in die Bewertungen einfließt.

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