Im November 2017 wählte der Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg (VdMK) Gerrit Große zur neuen Vorsitzenden. Der langjährige Vorsitzende Hinrich Enderlein stellte sich nicht mehr zur Wahl. Im Rahmen eines Empfangs im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin wurde Enderlein am 9. Januar 2018 feierlich verabschiedet. Martina Münch, Brandenburgs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur und Staatssekretär Martin Gorholt würdigten die Verdienste Enderleins für die Arbeit der Musikschulen. Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des VdM, überreichte ihm in Würdigung seiner Leistungen die Ehren-Auszeichnung des Verbandes, die Goldene Stimmgabel.
Hinrich Enderlein hatte den ehrenamtlichen Vorsitz im Vorstand des Verbands der Musik- und Kunstschulen Brandenburg seit 2001 inne. Zahlreiche kulturpolitische Initiativen gehen auf sein Wirken zurück. Enderlein prägte in den Nachwendejahren als erster Kulturminister des neuen Bundeslandes die Musik- und Kunstschullandschaft in Brandenburg und brachte das bundesweit erste Musikschulgesetz auf den Weg. Seit 2001 trat er vehement dafür ein, dass das Land sich trotz Haushaltsengpässen für den Erhalt der öffentlich geförderten Musik- und Kunstschulen engagiert. Das politische Ringen um eine angemessene Landesförderung fand seinen Ausdruck in vier Volksinitiativen, die von einer breiten Unterstützung im Land getragen wurden. Katja Bobsin vom VdMK führte mit dem scheidenden Vorsitzenden ein Gespräch.
Katja Bobsin: Nach 16 Jahren geben Sie nun den Vorsitz des Verbandes der Musik- und Kunstschulen im Land Brandenburg ab. Welche Stationen und Ereignisse aus Ihrer Amtszeit sind für Sie besonders eindrücklich?
Hinrich Enderlein: Es ist schwer, aus der Fülle der Initiativen und Projekte einige herauszugreifen. Aber in der Rückschau fällt doch auf, welch erfreuliche Entwicklung die Landesmusikschultage genommen haben. Die ersten Landesmusikschultage in Beeskow (1994) erlebte ich seinerzeit noch als Kulturminister im Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Was auf zwei Bühnen und mit viel Idealismus in Beeskow begann, hat sich zu einem landesweiten Ereignis mit überregionaler Ausstrahlung und hoher Popularität entwickelt. Seit damals habe ich das Festival alle zwei Jahre wieder erlebt. Selbst widrige Witterung tat der grandiosen Stimmung keinerlei Abbruch. 2017 haben wir gerade das 12. Festival der Musik- und Kunstschulen in Luckenwalde gefeiert mit 2.000 jungen Akteuren und 35.000 Besuchern an drei Tagen.
Bobsin: In Ihrem kulturpolitischen Engagement für Brandenburgs Musik- und Kunstschulen – welche Ereignisse kennzeichnen für Sie die Entwicklung des Verbandes?
Enderlein: Politisch gesehen waren die vier Volksinitiativen die Meilensteine für die Entwicklung des Verbandes zu einem der wichtigsten Akteure im Kulturleben. Durch sie wurden die musisch-kulturelle Bildung im Land und auch der Zusammenhalt im Verband wesentlich gestärkt. Schon als Minister hat mich das Thema der gesetzlichen Sicherung der Musikschularbeit im Land umgetrieben, 1992 war die Zeit noch nicht reif dafür. Nur sieben Jahre später sammelte der Verband im Rahmen der ersten Volks-initiative 100.000 Unterschriften und damit bekam Brandenburg im Jahr 2000 als erstes Bundesland ein eigenes Musikschulgesetz. In meiner Amtszeit wurde das Instrument der Volksinitiative ein weiteres Mal erfolgreich eingesetzt, um die Streichung der Landeszuschüsse zu verhindern. In zwei weiteren Volksinitiativen konnten wir schließlich die Erhöhung der Zuschüsse und damit eine verlässliche solide Finanzierung für Musik- und Kunstschulen im Land erreichen.
2010 startete unsere landesweite Initiative „Musische Bildung für alle“. Auf Beschluss der Landesregierung erhielten die Musikschulen zwei Millionen Euro aus dem ehemaligen Parteivermögen der SED für den Kauf von Instrumenten. Wir kauften davon tausende Instrumente, um sie Schülern an allgemeinbildenden Schulen zu leihen. Damit begann an Brandenburgs Grundschulen das Programm „Klasse: Musik“, in dem alle Schüler einer Klasse von Musiklehrern und Musikschullehrern gemeinsam unterrichtet und ans Instrumentalspiel herangeführt werden – in Bläserklassen, Streicherklassen, Gitarren- und Percussionklassen. Derzeit profitieren davon 4.250 Kinder an 66 Grundschulen. Das Programm, das gemeinsam vom Bildungs- und vom Kulturministerium gefördert wird, ist integriert in die reguläre Unterrichtszeit. Es ist auch im bundesweiten Vergleich herausragend und sollte mittelfristig nun rasch ausgebaut werden, damit mehr Schülerinnen und Schüler davon profitieren können.
Bobsin: Bundesweit einzigartig ist auch die Zusammenarbeit von Musik- und Kunstschulen in einem gemeinsamen Verband
Enderlein: Richtig. Und es hat sich gezeigt, dass die Kunstschulen mit diesem Zusammenschluss ebenfalls eine gesetzliche Sicherung und eine solide finanzielle Basisförderung erhalten. Der Kunstschulbereich befindet sich noch im Aufbau. Was die Zahlen angeht, besteht nach wie vor ein Ungleichgewicht im Vergleich zu den Musikschulen. Und bis das Angebot annähernd so flächendeckend ausgebaut ist, gibt es noch viel zu tun. Aber das Potential ist riesig.
Bobsin: Nun ist der Verband der Musik- und Kunstschulen in Brandenburg auch Träger großer Landesensembles und damit wichtiger Akteur der musikalischen Spitzenförderung im Land.
Enderlein: Während der 16 Jahre meiner Amtszeit hat der Verband Ensembles gegründet oder die Trägerschaft der Orchester übernommen. Sie haben sich alle herausragend künstlerisch profiliert. Mit Jiggs Whigham konnte ein international renommierter Jazzmusiker und Bandleader gewonnen werden, der neben unserem Landesjazzorchester auch das Bundesjazzorchester leitet. Ein paar Jahre später gründete sich die „kleine“ Bigband LaJJazzO Junior, um in enger Verbindung zu den Musikschulen den musikalischen Jazznachwuchs zu fördern.
Die Young Voices Brandenburg sind eine eigene Gründung und eine bundesweit einzigartige Fördermaßnahme für den Jazz- und Popgesang unter Leitung von Marc Secara. Auch das Landesjugendblasorchester unter Leitung von Endrik Salewski ist seit einigen Jahren in unserer Trägerschaft. Die Junge Philharmonie Brandenburg wurde 1992 als Landesjugendsinfonieorches-ter gegründet und gastiert mittlerweile weltweit. Sie ist das Aushängeschild der brandenburgischen Nachwuchsförderung, ihre Profilierung und professionelle Ausrichtung verdankt sich auch der langjährigen Zusammenarbeit mit Sebastian Weigle.
Ein Interview mit Gerrit Große lesen Sie in der kommenden Ausgabe der nmz.