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Wo spielt denn nun eigentlich die Musik?

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EDUR – Der interkommunale Leistungsvergleich von Musikschulen lässt Raum für Spekulationen
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EDUR heißt das gemeinsame Projekt des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) und der Bertelsmann-Stiftung, mit dem die Qualität der kommunalen Musikschulen gesteigert, die Transparenz der Leistungen mit Kennziffern erhöht und der eigene Standort gegenüber vergleichbaren Musikschulen bestimmt werden können soll.

EDUR heißt das gemeinsame Projekt des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) und der Bertelsmann-Stiftung, mit dem die Qualität der kommunalen Musikschulen gesteigert, die Transparenz der Leistungen mit Kennziffern erhöht und der eigene Standort gegenüber vergleichbaren Musikschulen bestimmt werden können soll. Die öffentliche Hand wird auf kommunaler und Länderebene auch künftig die Musikschulen fördern, aber nur in dem Maße, als diese ihren Bildungsauftrag an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, für die sie geschaffen wurden, nachweislich im öffentlichen Interesse handeln und zudem die besten Anbieter sind.“, schreibt Dr. Gerd Eicker, Vorsitzender des VdM im Vorwort der Hochglanzbroschüre, in der die ersten Zwischenergebnisse des Leistungsvergleiches zwischen 49 kommunalen Musikschulen vorgestellt werden. Davon kommen gleich 28 aus Sachsen-Anhalt. Hier hat man sich gleich im Kollektiv am EDUR-Projekt beteiligt. Die Überzeugungskraft der Projektziele dürfte hier weniger eine Rolle gespielt haben als die Tatsache, dass das Land Sachsen-Anhalt die Vergabe seiner Fördermittel an öffentliche Musikschulen damit verbindet. Das Gesetz zur Förderung der Musikschulen in Sachsen-Anhalt sieht nämlich eine Evaluation sprich Bewertung der Musikschulen vor. Und ohne Bewertung keine Förderung. Da bietet sich EDUR praktisch an. Zusätzlich soll „die Verbandszugehörigkeit mit einer nachweislichen Qualität verkoppelt werden“, so Britta Scheller, Geschäftsführerin des VdM Sachsen-Anhalt. Das alles sollen die von der Bertelsmann-Stiftung und VdM entwickelten 18 Kennzahlen leisten. „Der Leistungsvergleich wurde als Instrument zur Selbststeuerung kultureller Institutionen entwickelt und geht von der Grundidee aus, dass ein künstlicher Wettbewerb Innovations- und Evolutionstendenzen im öffentlichen Bereich vorantreiben kann.“, meinen jedenfalls Claudia Walther und Kerstin Schmidt von Bertelsmann. Diese Methode wird auch bei den öffentlichen Theatern von der Bertelsmann-Stiftung angewandt. „Öffentliche Kultureinrichtungen müssen immer wieder überzeugend darstellen, wie wichtig ihr gesellschaftlicher Auftrag ist und ob die zur Verfügung gestellten Mittel wirtschaftlich effektiv und effizient sowie zur Zufriedenheit der Bürger einer Kommune und der Nutzer der Einrichtung eingesetzt sind.“ heißt es dort weiter. Ob hier Kennzahlen tatsächlich weiterhelfen, muss bezweifelt werden. Denn Sparrunden gingen in der Vergangenheit auch an den erfolgreich agierenden Kultureinrichtungen nicht vorbei. Gutes Wirtschaften verhalf bei Stadtkämmerern fast nie zu einem Bonus – leider.

Bleibt also die Innovationskraft und die Evolution. Natürlich sind die Musikschulen bislang nicht in ihrer Entwicklung stehen geblieben, weil sie die Kennziffern der Kreismusikschule im Emsland nicht kannten. Aber mit den Kennziffern geht’s schneller vorwärts und man weiß dann halt, wo man steht – im Vergleich mit anderen.

Was aber bringen die Kennzahlen wirklich? Praktische Beispiele werden in der Broschüre nur wenige genannt. Die Projektkoordinatorin beim LVdM Sachsen-Anhalt, Andrea Scholz, nennt die Ergebnisse der Schüler-/Elternbefragung. Diese habe gezeigt, dass viele Eltern mit den Öffnungszeiten der Sekretariate unzufrieden seien, da es teilweise in den Musikschulen keine oder nur wenige Verwaltungsmitarbeiter gäbe. Auch die Gebührenhöhe sei an die obere Grenze des Möglichen für viele Eltern angekommen. An diesen Problemen müsse gearbeitet werden. Ja, natürlich. Aber wie, bitte schön? Mit Bordmitteln sind diese Probleme bestimmt nicht lösbar. Und ob sich im strukturschwachen Sachsen-Anhalt ein ausgefeiltes Sponsoring entwickeln lässt darf wohl mit Recht bezweifelt werden. Welche Daten erhebt also EDUR und was lässt sich daraus ableiten? Den 18 Kennziffern sind vier Ziele zugeordnet: 1. die Aufgabenerfüllung, 2. die Kundenzufriedenheit, 3. die Mitarbeiterzufriedenheit und 4. die Wirtschaftlichkeit.

Obwohl in der Broschüre an mehreren Stellen explizit betont wird, dass der interkommunale Leistungsvergleich nicht unkommentiert Zahlen präsentieren soll und diese nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden sollen, sind die Kennziffern von elf Musikschulen im EDUR-Bericht 2001 ohne jeden Kommentar der Broschüre beigelegt. Drei Vergleichsringe werden darin mit nackten Zahlen präsentiert. Ein Vergleichsring von Kreismusikschulen, ein Vergleichsring grosse Städte und ein Vergleichsring kleine Städte. Der Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr 2000. Der Auswertungsstand der Juli 2001.

Wer ist der Beste und warum? Diese Frage kann mit den reinen Zahlen nicht beantwortet werden. Positive Korrelationen verschiedener Daten lassen sich nicht entdecken. So scheinen die Krankheitsquote und Fortbildungstage der Musiklehrer in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Zufriedenheit der Schüler und Eltern zu stehen. In der Kreismusikschule Teltow-Fläming betrug im Jahr 2000 die Krankheitsquote der Musikschullehrer 4,9 Prozent. In der Kleinstadt Herrenberg nur 1,5 Prozent. Obwohl die Schwaben pflichtbewusster zu sein scheinen, sind die Schüler und Eltern mit der Musikschule weniger zufrieden als im Kreis Teltow-Fläming. Dort vergaben die Schüler die Note 1,6 und die Eltern die Note 1,8. Die Musikschule Herrenberg, die von VdM-Bundesvorstandsmitglied Doris Froese geleitet wird, erhielt von den Schülern nur die Note 2,6 und von den Eltern die Note 2,3. Mit den Lehrerfortbildungstagen verhält es sich ähnlich. Ein Trend ist auch hier nicht erkennbar. Die Kreismusikschule Gütersloh gibt zum Beispiel 1,6 Fortbildungstage pro Lehrer an und die Kreismusikschule Osnabrück nur 0,6 Tage. Die Kundenzufriedenheit differiert jedoch kaum. Selbst die Gesamtzufriedenheit der Musikschullehrer mit ihrer Tätigkeit korrespondiert nicht evident mit den ermittelten Krankheitsquoten. Fachleute der empirischen Forschung nennen dieses Phänomen die Zufriedenheitsfalle: Niemand vergibt gerne schlechte Noten.

Mehr Aufschluss ergeben deshalb Fehleranalysen. So die Befragung von Eltern, die ihre Kinder vom Unterricht abgemeldet haben. Doch dieser Ansatz fehlt und dafür benötigt eine Musikschule keine Vergleichskennziffern. Noch weniger Aufschluss ergeben die Zahlen zur Wirtschaftlichkeit der Musikschulen. Das Angebot und die Kundenzufriedenheit der Musikschule bilden sich nicht erkennbar bei der Höhe der kommunalen Zuschüsse ab. Mit 10,6 Prozent Anteil der Musikschüler gemessen an der Einwohnerzahl ist die Musikschule der Stadt Calw klarer Spitzenreiter in der Gunst der Bürger und schon allein zahlenmäßig ein Faktor in der Kommunalpolitik. Dennoch beträgt der kommunale Zuschuss nur 20,2 Prozent der Gesamtausgaben. Der Anteil der Schüler der Kreismusikschule Teltow-Fläming an der Einwohnerzahl beträgt hingegen nur 0,6 Prozent. Die Kommunalpolitiker bezuschussen trotzdem 63 Prozent der Gesamtausgaben der Musikschule. Auch die Quote der Schüler, die an “Jugend musiziert“ teilnimmt gibt keinen Qualitätsaufschluss.

Was bleibt sind viele Zahlen und Spekulationsmöglichkeiten. Der feste Grund, den sich die Protagonisten von EDUR versprochen haben, ist jedenfalls nicht erkennbar. Die Qualität und die Existenz der kommunalen Musikschulen wird auch weiterhin in der Auseinandersetzung mit dem Kämmerer und den Betonfraktionen in den Kommunalparlamenten erstritten werden müssen.

Infos zu EDUR sind erhältlich unter musikschulen.de und stiftung.bertelsmann.de

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