Seit genau zehn Jahren gibt es das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. 2013 vom Ministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen, dient es dazu, Kinder und Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen als bildungsbenachteiligt gelten, an Kunst und Kultur heranzuführen und sie dafür zu begeistern. Das Geld, das das Ministerium hierfür zur Verfügung stellt, wird über Fachverbände, die in der kulturellen Jugendbildung unterwegs sind, an Projekte und Maßnahmen verteilt. Voraussetzung ist, dass sich mindestens drei Partner in lokalen Bündnissen zusammenfinden, gemeinsam ein Projekt konzipieren und dies beim entsprechenden Verband beantragen. Eine erste „Kultur macht stark“-Periode endete 2017, die zweite schloss sich an und ging bis 2022. Eine dritte Förderperiode wurde bereits auf den Weg gebracht. Sie geht von 2023 bis 2027.
Der Verband deutscher Musikschulen ist mit seinem Projekt MusikLeben von Anfang an ein wichtiger Akteur im Förderprogramm. Dafür hat der Verband ein eigenes Projektbüro eingerichtet. Hier werden Anträge geprüft, mit Hilfe einer Jury bewertet, im Zweifelsfall justiert und bewilligt (oder abgelehnt). Nach Ende des Projekts müssen alle Verwendungsnachweise genau geprüft werden, weil der Verband natürlich Rechenschaft gegenüber dem Mittelgeber ablegt, genauer: gegenüber dem Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt, das in diesem Fall der Projektträger und damit verantwortlich für die Organisation des Gesamtprogramms ist. Über die verwaltungstechnischen Fragen und Aufgaben hinaus gehört zu den wichtigen Aufgaben der VdM-Mitarbeiter/-innen, Antragsteller zu beraten, sowohl administrativ als auch inhaltlich. Beim Programm MusikLeben muss federführend eine Musikschule den Antrag stellen, vor Ort gibt es die unterschiedlichsten Bündnispartner, mit denen Kurse, Workshops, Wochenend- oder Ferienfreizeiten oder auch aufführungsorientierte Maßnahmen durchgeführt werden.
Im Rückblick auf fünf Jahre MusikLeben 2 veranstaltete der VdM nun eine Online-Tagung, die Interessierten die Möglichkeit bot, einen tieferen Einblick in das Programm zu erhalten. Gleichzeitig gab es auch schon den Ausblick auf MusikLeben 3, denn die endgültige Bewilligung seitens des Ministeriums stand kurz bevor.
In seinem Grußwort betonte VdM-Bundesvorsitzender Friedrich-Koh Dolge, „Kultur macht stark“ sei in der 70-jährigen Geschichte des VdM mit Abstand das größte – und auch mit das erfolgreichste – Förderprojekt, das der Verband für die musikalische Bildung umgesetzt habe und umsetze. Er wies darauf hin, dass auch in der Zeit der Corona-Pandemie viele Projekte für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche durchgeführt werden konnten. Nur drei Prozent aller Maßnahmen seien zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 abgebrochen worden, 40 Prozent wurden online durchgeführt.
Volker Gerland, stellvertretender Bundesvorsitzender des VdM und Vorsitzender der MusikLeben-Jury, sprach in seiner Einführung, später auch in der Podiumsdiskussion, über einen Kulturwandel beziehungsweise eine Erweiterung im Denken und Handeln der Musikschulen, die sich, angeregt durch „Kultur macht stark“, noch intensiver darüber Gedanken machen, wie sie Zielgruppen erreichen, zu denen der Zugang bisher nicht einfach war, dies auch in Kooperation mit den jeweiligen Bündnispartnern.
In ihrem Grußwort gab Michaela Saehrendt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Referat Kulturelle Bildung und Demokratiebildung, ihrer Freude darüber Ausdruck, dass das Programm nun schon in die dritte Runde gehe und bisher mehr als 1 Million Kinder und Jugendliche erreicht habe. Nach zehn Jahren könne man auf etwa 16.000 Bündnisse und fast 200.000 Projekte zurückblicken. Saehrendt erklärte, der VdM trage entscheidend zum Erfolg des Programms bei und betonte, dass es hier nicht nur um den Zugang zu musikpädagogischen Angeboten gehe, sondern auch um die Persönlichkeitsstärkung der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen.
In einer Podiumsdiskussion mit Désirée Kleiner-Liebau, Leiterin der Abteilung Kulturelle und Politische Bildung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Andrea Tober, Prorektorin und Beauftragte für Digitale Transformation der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und Vorsitzende der Jury von „Kultur macht stark“, Michael Kempmann, Leiter des „Kultur macht stark“-Projekts „talentCAMPus“ beim Deutschen Volkshochschulverband, Markus Menke, Leiter des Hamburger Konservatoriums, und Volker Gerland ging es um Rück- und Ausblick auf das Programm. Désirée Kleiner-Liebau erläuterte die Funktion des DLR im Bereich der kulturellen Bildung und speziell beim Programm „Kultur macht stark“, Andrea Tober gab einen Einblick in die Arbeit der Jury, und Michael Kempmann stellte das VHS-Programm vor. Eine Besonderheit hier: das Peer-Konzept. Jugendliche, die bereits Teilnehmer/-innen waren, werden in der Folge aktiv in die Kursarbeit einbezogen; ein Ansatz, die Projekte noch partizipativer zu gestalten, so Kempmann. Einig war man sich darin, dass es sich bei „Kultur macht stark“ um ein lernendes Programm handelt, in dem alle mit- und voneinander lernen, Inhalte und auch administrative Fragen gemeinsam weiterentwickeln. „Es funktioniert ganz gut mit dem Lernen“, stellte Désirée Kleiner-Liebau fest.
Diskutiert wurde die Frage der Nachhaltigkeit von Projekten, die durch ihre zeitliche Begrenztheit gekennzeichnet sind. Hier zeigten sich die Beteiligten optimistisch. Allein die Tatsache, dass das Programm nun in die dritte Phase gehe, beweise, dass ein Bedarf da und dieser auch auf politischer Ebene erkannt worden sei. Viele der einzelnen Projekte werden auf lokaler Ebene fortgesetzt, viele Partnerschaften etablieren sich langfristig – und nachhaltig wirken Projekte der kulturellen Bildung auch durch die Erlebnisse, durch die die Kinder und Jugendlichen über das Ende einzelner Maßnahmen hinaus geprägt werden. Die Wirkungsforschung gerade im nicht-kognitiven Bereich sei sehr komplex, erklärt Kleiner-Liebau, laufe aber vor allem spartenspezifisch bereits an.
Vier Schwerpunkte wird es in der dritten Phase „Kultur macht Stark“ geben: die kommunale Verankerung, Projekte in ländlichen Räumen, Digitalität und Ganztag. Bezüglich der Digitalität waren die Erfahrungen stark von der Corona-Pandemie und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, vieles online zu gestalten, geprägt. Hier hat man viel gelernt und wird digitale Möglichkeiten zukünftig stärker nutzen. Einig war man sich aber auch, dass die Stärke des Programms darin liegt, Kinder und Jugendliche in Präsenz zusammenzubringen, Begegnung zu schaffen und zu festigen.
Der Ganztag wird im Programm schon deshalb eine größere Rolle spielen, weil es ab 2026 einen gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung geben wird. Hier liegen viele Chancen für außerschulische Angebote der kulturellen Bildung. Diese müssen von den Schulen allerdings auch gewollt sein.
Die zum Schluss geäußerten Wünsche der Diskutant*innen richteten sich vor allem auf eine Fortsetzung und Verstetigung des Programms. Volker Gerland äußerte einen ganz konkreten Wunsch, bezogen auf die – neue – Möglichkeit in „Kultur macht Stark 3“ auch angestellte Lehrkräfte in die Projekte einzubeziehen, die nicht vollzeitbeschäftigt sind: „Wir müssen partnerschaftlich eine vernünftige Möglichkeit entwickeln, um die Nachweisführung hinsichtlich des Einsatzes von angestellten Lehrkräften so darzustellen, dass die Musikschulen das hinkriegen. Das ist die Aufgabe, die wir jetzt schnell lösen müssen, damit sich wirklich noch mehr Musikschulen beteiligen können.“
Diesen Wunsch nahm Désirée Kleiner-Liebau mit auf den Weg. Ihr Wunsch hingegen lautete ganz einfach, „dass Sie so weitermachen, dass das Programm weiterhin so erfolgreich läuft und wir wieder ganz vielen Kindern und Jugendlichen Zugänge zu kulturellen Bildungsangeboten ermöglichen“.
Mit beeindruckenden Zahlen beleuchtete Stefan Ohm die letzten fünf Jahre MusikLeben 2. In allen 16 Bundesländern fanden Projekte statt, 175 Musikschulen nahmen teil, darunter zahlreiche im ländlichen Raum, mit insgesamt 1.833 Bündnispartnern. Mit einem Fördervolumen von 21,9 Millionen Euro konnten rund 50.000 Kinder und Jugendliche erreicht werden. Der Blick nach vorn von Dirk Mühlenhaus und Stefan Ohm erläuterte Inhalte und Voraussetzungen für die Bewerbung. Eine erste Ausschreibung soll noch in 2022 fertiggestellt werden. Informationsveranstaltungen werden wie bisher auf Fragen der (potenziellen) Teilnehmenden eingehen.
Schließlich wurden an diesem Tag auch mehrere Best Practice Projekte vorgestellt. Das Hamburger Konservatorium, mit mehr als 300 Projekten Spitzenreiter bei MusikLeben 1 und 2, stellte Projekte mit Geflüchteten vor. Weitere Präsentationen der Musikschule Dortmund, der Musikschule Bremen sowie der Baumgartmusikschule in Hamburg vermittelten ein Bild von der Vielfältigkeit der Projekte. Schließlich durften sich sechs Projekte über die Auszeichnung mit dem Best Practice Award freuen: die Musikschule Jena mit „Handmade Music“, die Musikschule Bremerhaven mit dem Projekt „Volles (R)Ohr 2019“, die Musikschule Bremen mit „Space Music“, die Musikschule Dortmund mit „TransiMus“, die Musikschule Erft-Swist mit „Arche Noah“, einem Projekt für Kinder und Jugendliche aus den von der Flutkatastrophe betroffenen Regionen, sowie das Hamburger Konservatorium mit seinen Projekten für geflüchtete Kinder und Jugendliche.
Das Résumé der Veranstaltung fiel durchaus positiv aus. Mit einem Blick auf die nächsten fünf Jahre „Kultur macht stark“ und der Hoffnung auf eine Fortsetzung ohne Enddatum verabschiedeten sich die Teilnehmenden voneinander. Jetzt kann es losgehen mit MusikLeben 3.