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Der Neubau des Stadttheaters Pilsen. Foto: www.plzen2015.cz
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Bayerisch-böhmischer Austausch

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Pilsen als Kulturhauptstadt Europas 2015 – ein Rückblick
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Mit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ werden jährlich zwei Städte aus zwei Ländern gekürt – in diesem Jahr handelt es sich dabei um Pilsen (Tschechische Republik) und Mons (Belgien). Die Bewohner der ausgewählten Städte und deren Regionen sollen nicht nur in diesem Jahr, sondern auch darüber hinaus von der kulturellen Förderung durch die EU profitieren. Ob in Pilsen – bisher hauptsächlich bekannt für das Pilsner Urquell und die Škodawerke – der Schritt in die Nachhaltigkeit gelungen ist, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Unter dem Motto „Pilsen, Open Up!“ fanden 2015 über 600 Veranstaltungen statt: mit Offenheit für neue Ideen, Innovationen, Kreativität und neuen Kunstströmungen.

Mit dem Zug zur Kultur

Ein besonders innovatives Projekt für „Pilsen 2015“ war der „Zug zur Kultur“, dessen Programm – auf eine Idee von Erwin Aschenbrenner hin – das Centrum Bavaria Bohemia ausführte. So wurde an 40 Wochenenden für 80 Fahrten ein Abteil im Corporate Design von „Pilsen 2015“ an den „alex“ von Regensburg nach Pilsen angehängt. Von Januar bis September wurde dort jeden Samstag und Sonntag ein vielfältiges Kulturprogramm geboten – von Musikern über Zeichnerinnen bis hin zu Aktionskünstlern und Clowns. Begleitet von einem dreisprachigen Kulturscout (deutsch, tschechisch, englisch) war das Abteil bei jeder Fahrt voll besetzt – inklusive der Stehplätze. Auch Reisende, die nicht auf dem Weg zur Kultur nach Pilsen waren, gesellten sich interessiert dazu – ein Projekt, das Schule machen sollte.

Open up!

„Die Förderung des Dialogs zwischen den europäischen Kulturkreisen und denen anderer Teile der Welt und in diesem Sinne Betonung der Öffnung gegenüber anderen und des Verständnisses für andere, die grundlegende kulturelle Werte darstellen“ – dies ist das erklärte Ziel der EU für das Programm der „Kulturhauptstadt Europas“. Vor allem der bayerisch-böhmische Austausch spielte 2015 aufgrund der räumlichen Nähe eine wichtige Rolle. Dabei sollten Vorurteile revidiert und Sprachbarrieren überwunden werden. Unter dem Dachprogramm „Regio2015“ fanden in diesem Jahr 40 tschechisch-bayerische Projekte statt, die von der Gemeinnützigen Gesellschaft Pilsen 2015 in Zusammenarbeit mit dem Centrum Bavaria Bohemia und der Stadt Regensburg realisiert wurden. Neben dem „Zug zur Kultur“ zählten dazu auch Events wie das einwöchige Festival „Bayerische Kulturtage 2015“, in deren Rahmen zeitgenössische Künstler aus Bayern in Pilsen auftraten, unter anderem die Regensburger Domspatzen, und Projekte der tschechisch-bayerischen kulturellen Zusammenarbeit stattfanden.

Internationale Smetana-Tage

Nicht nur 2015 bietet Pilsen bedeutende Festivals und Konzerte. Bereits zum 34. Mal fand 2015 dort das internationale Festival „Smetana-Tage“ statt. Der bedeutende tschechische Komponist Bedrich Smetana lebte etwa drei Jahre in Pilsen und besuchte dort das Gymnasium. Trotz des kurzen Aufenthaltes hatte er großen kulturellen Einfluss auf die Stadt. Zu seinem 190. Geburtstag am 2. März 2015 eröffneten die Münchner Symphoniker unter der Leitung von Charles Oliveri-Munroe die Smetana-Tage. Seit 2013 wird das Festival von der Pilsner Philharmonie veranstaltet, die 2015 ein vielfältiges, Klassik mit Gegenwartsmusik kombinierendes Konzertprogramm konzipierte, unter anderem mit Gastorchestern wie der Staatskapelle Weimar. Neben dem Filmfestival „Finále“ und dem Puppentheaterfestival „Skupova Plzen“ zählen die „Smetana-Tage“ zu den ältesten Kulturfestivals Pilsens.

Jazz ohne Grenzen

Auch in Sachen Jazz hat Pilsen einiges zu bieten. Neben den zahlreichen Musikcafés und -kneipen mit Live-Musik fand 2015 bis Anfang Dezember das 10. Internationale Festival „Jazz ohne Grenzen“ statt, welches in der Jazzszene weltweit von Bedeutung ist und wie die „Smetana-Tage“ zu den traditionellen Veranstaltungen Pilsens gehört.  „Jazz ohne Grenzen“ – der Name ist Programm und steht ganz im Zeichen der Offenheit der Kulturhauptstadt: Neben einheimischen Musikern treten dort auch namhafte Künstler aus aller Welt auf. Außerdem werden im Rahmen des Festivals sowohl professionelle Jazzer als auch der Nachwuchs gefördert, indem neben Konzerten auch Workshops angeboten werden.

DEPO 2015 – Erster Schritt in die Nachhaltigkeit?

Außerhalb der musikalischen Projekte veranstaltete Pilsen zahlreiche Theaterprojekte, Kunst- und Fotoausstellungen, kulinarische und literarische Festivals und Vorträge zu verschiedenen Themenbereichen. Zum neuen Kulturzentrum Pilsens etablierte sich das ehemalige Depot des Städtischen Verkehrsbetriebs: das neue „DEPO 2015“. Als Zentrum für kreatives Unternehmertum beherbergt das DEPO Ausstellungen internationaler Künstlerinnen und Künstler und schafft einen Ort, wo verweilt, gearbeitet, präsentiert oder verhandelt wird. Hier können Kreativschaffende, die ihre Pläne in die Tat umsetzen wollen mit Unterstützung von Fachleuten ihren eigenen Business-Plan starten, wobei sie die Räumlichkeiten als Arbeitsraum nutzen oder auch ein Atelier oder Büro mieten können. Zudem hat dort das Residenz-Programm OPEN A.i.R. seinen Sitz, welches den tschechischen Kreativschaffenden Auslandsaufenthalte ermöglicht und außerdem die internationale professionelle Szene dorthin einlädt, um Verbindungen herzustellen. Somit ist mit der Errichtung des „DEPO 2015“, dessen Bestehen zunächst bis Ende 2016 geplant ist, in jedem Fall der erste Schritt hin zu einer Nachhaltigkeit in der Kreativszene getan.

Pilsen 2015 – wie geht es weiter?

Doch wie sieht es mit der gesamten Kulturszene Pilsens aus? Wie schnell geraten die beachtlichen Veranstaltungen, abgesehen von den schon seit mehreren Jahren bestehenden, in Vergessenheit? Was bleibt? Wie nachhaltig wurden Kooperationen gepflegt? Diese Fragen werden die kommenden Monate und Jahre beantworten. Die Finanzierungspläne für die Zukunft  sind gerade in Verhandlung. Die Gesellschaft „Pilsen 2015“ wird weiter bestehen, doch es bleibt zu klären in welcher Form und mit welchen Mitteln sie in Zukunft finanziert wird. Was hat der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ Pilsen bisher gebracht? Definitiv ist Pilsen nun nicht mehr nur als Bier- oder Industriestadt ein Begriff, sondern erscheint mittlerweile auf der Kulturlandkarte. Dies zeigte sich deutlich an den steigenden Touristenzahlen im Jahr 2015: um 34 Prozent stieg die Anzahl der Übernachtungen in Pilsen 2015 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013. Insgesamt besuchten über 600.000 Gäste aus aller Welt, vor allem aus Tschechien, Deutschland, Österreich, der Slowakei, aber auch aus Asien, in diesem Jahr die Veranstaltungen der Kulturhauptstadt. Der Altersdurchschnitt der aktivsten Zuschauer ist im mittleren Alter anzusiedeln. Das Stadtbild hat sich verändert und ist lebendiger und dynamischer geworden. Nicht zuletzt durch die Verwirklichung von Bauten und Kunstwerken – dank des Titels „Kulturhauptstadt“ zum Teil durch Europagelder finanziert – wie dem Neuen Theater Pilsen: ein architektonisches Highlight mit hochmoderner Theatertechnik – ein weiterer wichtiger Schritt in die Zukunft.

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