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Belebt die Konkurrenz das Geschäft?

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Ein feuilletonistischer Rückblick auf ein Jahr Philharmonie Essen
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Nicht weit von Essen liegt im dicht besiedelten Ruhrgebiet Dortmund: Dort wurde im September des Jahres 2002 das neue Konzerthaus eröffnet. Und schnell trennten sich die Stadt und der Eröffnungsintendant Ulrich Andreas Vogt, ohne den das ganze Projekt erst gar nicht entwickelt worden wäre. Die Politiker mäkelten an den Auslastunsgzahlen herum und verpflichteten Benedikt Stampa aus Hamburg. Wenn solches Anspruchsdenken der Maßstab der musikalischen Dinge sein sollte, hätte Essens Philharmonie-Chef Michael Kaufmann recht schlechte Karten – und ein Problem. Seine erste Spielzeit verzeichnet genau 264.773 Konzertbesucher. Die Auslastung beträgt sicher nicht 70 Prozent. Deutlich darunter. Vogt musste gehen, weil er nicht die Traumquote von 85 Prozent erreichte.

Diese Zahlen sagen indes nicht wirklich viel. Ein neues Haus benötigt einfach eine Anlaufzeit von gut drei Jahren. In Dortmund stehen übrigens auch viel weniger Plätze zur Verfügung; in Essen muss man im großen Krupp-Saal immerhin 1906 Plätze füllen, um ausverkauft zu sein, was nicht eben häufig der Fall ist. Die Ruhrregion, die früher nur die mittlerweile abgerissene Mercatorhalle in Duisburg als angemessenes Konzertforum besaß und von vielen Weltstars zwangsläufig gemieden wurde, wird nun nach und nach zur vitalen Musikregion. Die Bochumer Symphoniker wünschen sich nichts so sehnsüchtig wie ein eigenes, neues Haus. In Duisburg baut man eine neue Halle, um das bedauernswerte Orchester aus dem dumpf tönenden Musicalhaus zu befreien.

Belebt Konkurrenz das Geschäft? Das ist in diesem Falle stark zu bezweifeln, denn es gibt ja auch noch eine staunenswerte Zahl an Opernhäusern – die Essener Philharmonie liegt unmittelbar neben dem vornehmen Aalto-Theater – in diesem von Arbeitslosigkeit gezeichneten Gebiet, das auf Strukturwandel setzt, setzen muss. Es gibt kleine Städte, die unter der Macht der großen Musik-Städte spürbar leiden. Da gibt’s bereits traurigen Besucherschwund. Da sieht die Zukunft trübe aus.

Michael Kaufmann, zuvor an der Kölner Philharmonie tätig, hat in seiner ersten Spielzeit vor allem gezeigt, dass er nicht dem Mainstream folgt, dass er mit Anspruch einen wichtigen Musikstandort schaffen will. Sein fordernder Schönberg-Zyklus wäre zweifellos nicht ein Muss gewesen, setzte aber ein deutliches Zeichen: Hier geht es um Gehaltvolles. Interpreten wie das Tonhalle Orchester Zürich mit Michael Gielen, das Ensemble Modern, das Auryn-Quartett oder das SWR Sinfonieorchester, ebenfalls unter Gielen, waren bei diesem großen Festival, das nun sicher kein Publikumsrenner war, Garanten für gewissenhafte Deutungen. Und es waren auch hier die Orchester der Region eingebunden. Die Duisburger unter Darlington oder die Bochumer unter Sloane, der nun übrigens seinen Mahler-Zyklus weiter ausbauen wird.

Natürlich gastieren in Essen nun auch die Stars der Klassik-Szene, die sich in Berlin, Hamburg oder München ein Stelldichein geben. Partner der Philharmonie präsentieren gewissermaßen Meisterkonzerte. Da kommen dann eben Kurt Masur und die feinen Londoner Philharmoniker. Das Klavier-Festival Ruhr hat einen attraktiven Veranstaltungsort hinzugewonnen. Dass Michael Kaufmann es geschafft hat, die amerikanischen Big Five einzuladen, ist sicherlich eine Großtat. Pierre Boulez und Chicago waren schon da. Gerade, zu Beginn der zweiten Saison, kam Lorin Maazel mit den New Yorkern sogar für zwei Abende. Die Spitzenpreise liegen dann bei solchen Highlights bei 145 Euro.

Auch das gehört zum Thema „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Irgendwann erschöpfen sich nämlich die finanziellen Mittel bei jedem Musikfreund.

Dass Michael Kaufmann, dessen Etat von 6,5 Millionen Euro auch durch Sponsorenhilfe auf sicherem Fundament steht, aber eben nicht nur auf die Hochglanz-Klassik setzt, ist sein Verdienst. Der bereits begonnene Mahler-Zyklus demonstriert ebenso wie Christoph Sperings an der historischen Aufführungspraxis orientierter Beethoven-Zyklus mit dem „Neuen Orchester“, dass Kaufmann die gestalerische Konzentration liebt. Und auch die Residence-Künstler stehen nicht für künstlerische Anbiederei. Der originelle HK Gruber aus Wien, der die Rotterdamer wie die Essener Philharmoniker dirigierte, der Geiger Frank Peter Zimmermann, der mit Marek Janowski und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gleich an drei Abenden wesentliche Violinkonzerte der 20er-und 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts präsentierte, der Grenzgänger Uri Caine und das Petersen Quartett begleiteten die erste Saison des neuen Hauses. Michael Kaufmann geht bei solchen Engagements natürlich nicht auf Nummer Sicher. Er will der Termin-Beliebigkeit entgehen.

Sein Haus ist kein Zirkus Allerlei. Und das schlägt sich dann selbstredend bei den Platzausnutzungen nieder.

Für Essen gilt, was auch für Dortmund hätte gelten müssen: Man benötigt einen langen Atem, um Abo-Reihen aufzubauen. Michael Kaufmann hat offenbar in Essen Rückendeckung. Die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2010 ist auch eine Verpflichtung zur Kontinuität. Und da gehört die Philharmonie zu den Leuchttürmen.

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