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Dolf Rabus (1946–2013) Foto: Bertram Maria Keller
Dolf Rabus (1946–2013) Foto: Bertram Maria Keller
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Ansteckende Chorbegeisterung

Untertitel
Zum Tod des Wettbewerbs- und Festivalerfinders Dolf Rabus
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Am 18. Dezember 2013 ist Dolf Rabus im Alter von 67 Jahren gestorben. Er, der in seinem ereignisreichen Leben zahllose Kämpfe für die Musik und gegen Kleingeisterei und Bedenkenträgertum gewonnen hatte, hat sich in seinem letzten Kampf dem heimtückischen Krebs beugen müssen. Dabei zeigte er sich auch in der Auseinandersetzung mit seiner Krankheit als der große Kämpfer, der nie aufgibt und entgegen jeglicher medizinischer Erwartung auch hier zeitweise die Hoffnung einer Gesundung nähren durfte. So erlebte man Dolf bei seinem letzten Kammerchorwettbewerb im Mai 2013 noch voller Zuversicht und Aktivität, die alle Zweifel zu vertreiben schienen. Aber auch der Kampf gegen die Krankheit hat Kräfte gekostet, die letztlich aufgebraucht waren.

Schaut man auf die Vita von Dolf Rabus, so mag man kaum glauben, dass eine Person ein solch gewaltiges Pensum bewältigen kann. Eigentlich ein diplomierter Architekt, wurde er doch zu einer der wichtigsten und pofiliertesten Persönlichkeiten der nationalen und internationalen Chorszene. Sein Leben galt der Musik, speziell der Chormusik. Seine umfassende Bildung ermöglichte ihm auch den Blick über den Tellerrand und mündete schließlich in einem weltumspannenden musikalischen Netzwerk. Studien der Musikwissenschaft und Kunstgeschichte, die Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen (man mag sich bildhaft vorstellen, wie Dolf die Kids mit seiner Begeisterung angesteckt hätte) komplettierten seine Ausbildung. Eben diese Begeisterungsfähigkeit, verbunden mit ständiger Infektionsgefahr, zeichnete Dolf Rabus aus. Sie hinterließ zahlreiche Spuren und Zeugnisse auf seinem Lebensweg. Schon während seiner Studienzeit in Freiburg baute er die Jugendmusikschule Westlicher Kaiserstuhl-Tuniberg auf. Als Bildungsreferent des Landesmusikrats Niedersachsen (1978–80) gründete er den Landesjugendchor Niedersachsen. Diese überaus erfolgreiche Tätigkeit trug ihm einen Ruf nach Bonn  zum Deutschen Musikrat und die Geschäftsführung für den 1. Deutschen Chorwettbewerb 1982 in Köln ein. Als stellvertretender Generalsekretär hatte er die Zuständigkeit über die gesamte Laienmusik in Deutschland inne.

Sein Lebenswerk krönte er jedoch mit seinen Projekten in Marktoberdorf: Die Mitbegründung der Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf und ein 22 Jahre währendes Direktorat, das angefüllt war mit innovativen Projekten. Schließlich seine Lieblingskinder: der inzwischen zu den weltweit bedeutendsten Wettbewerben zählende internationale Kammerchorwettbewerb (1989) und die alle fünf großen Weltreligionen einschließende Musica sacra (1992). Hier zeigte sich der große Kommunikator Rabus, für den Musik immer mehr war als nur Selbstzweck. Sie sollte Gemeinschaft stiftend, Völker verbindend und dem Frieden verpflichtet sein. Musik als Bindeglied und Weltsprache, die keiner Übersetzung bedarf. Und so wäre seine Vita auch unvollständig, würde sie nicht noch eine Reihe internationaler Aufgaben umfassen. Besonders exponiert sind dabei seine Zeit als Generalsekretär von Europa cantat (1995–2000) und verschiedene Projekte der Internationalen Föderation für Chormusik (IFCM), deren Gründungsmitglied er auch war.

Dieses erworbene Wissen konnte Dolf Rabus dann auch seit 2004 bis zu seinem Tode als Mitglied im Beirat Chor des Deutschen Musikrats einbringen. Zahlreiche Auszeichnungen (u.a. Bundesverdienstkreuz und die Medaille „Pro meritis scienciae et literarum“) waren die logische Folge dieser beeindruckenden Vita.

Dolf Rabus war ein Besessener. Was er sich vorgenommen hatte, setzte er auch in die Tat um. Er packte an, konnte überzeugen und begeistern. Und wenn er einmal in Fahrt war, konnte ihn niemand bremsen. Er brannte für seine Ideen, in ihm loderte Feuer, gleich einem Vulkan. Sein Einfallsreichtum kannte keine Grenzen. Originell die Idee seines Komponistenhäuschens auf dem Marktoberdorfer Schloss, in das er Komponisten einlud (und notfalls einschloss…) oder die Feier der Jahrtausendwende auf dem Oberdorfer Schlossberg. Wenn es um Fragen der Jurybesetzung oder der Verpflichtung der aktuellsten Vokalensembles ging, öffnete Dolf seinen Laptop und spulte Namen aus aller Welt ab. Er kannte sich einfach aus und war top aktuell. Unvergessen auch seine kindliche Freude, wenn er im Vorfeld seines Kammerchorwettbewerbes wieder einen Chor (in Kanada oder Neuseeland oder sonstwo) entdeckt hatte und von dessen Niveau fasziniert war. So lebte er auf seinen Wettbewerb zu.

Dabei war er immerzu von großer Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit, ein gerader Charakter, auf den man sich verlassen konnte – und ein warmherziger Gastgeber. Die Chorwelt hat einen ihrer größten Motivatoren, Innovatoren und Realisatoren verloren, eine herausragende Persönlichkeit und einen wunderbaren Menschen. Dolf Rabus wird der Chormusik fehlen. Wir wissen uns in der Trauer mit seiner Familie vereint.

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