Frau Kohler, Sie sind vor allem in der Jazz- und Popchorszene eine „feste Größe“, aber auch als Hochschullehrerin und in anderem Kontext im klassischen Bereich der Chorszene zuhause. Was scheint Ihnen im Sommer 2011 an der Chorszene in Deutschland besonders bemerkenswert?
1. Die Durchführung des Symposions „Chor.com“ als deutschem Kongress-Festival von internationalem Rang. Eine vergleichbare Veranstaltung hat es meines Wissens in der Größe und inhaltlichen Bandbreite bei uns noch nicht gegeben. Ich bin gespannt darauf!
2. Die zahlreiche Bildung und qualitative Weiterentwicklung von Jazz-und Popchören. Wir haben sehr gute deutsche und europäische Arrangeure, die interessante Stücke schreiben. Das Wissen über die Gesangstechniken der Popularmusik verbreitet sich in der Szene rasant schnell, so dass den Chören klanglich neue und authentische Möglichkeiten offen stehen. Die Hochschulen müssen hier endlich aufwachen und diese Erkenntnisse Schul- und Kirchenmusikern nicht länger vorenthalten.
Welcher Aspekt in Bezug auf das Chorsingen heute stimmt Sie besonders hoffnungsvoll?
Hoffnungsvoll stimmt mich die Einrichtung der Chor- und Singklassen, die an vielen Schulen über das ganze Land verteilt sind. Auch die Singprojekte in Kindergärten stellen zukunftsweisende Perspektiven dar. In bestimmten gesellschaftlichen Schichten setzt sich erneut die Erkenntnis durch, dass Singen und Musizieren die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit überaus positiv beeinflusst. Es wäre wunderbar, wenn wenigsten im musikalischen Bereich der schulischen Bildung alle Kinder die gleichen Chancen hätten. Leider gehen die verantwortlichen Ministerien miserabel mit dem Potenzial von Lehrern und Schülern um: Sie kürzen den Musikunterricht an den Schulen, engen den inhaltlichen und organisatorischen Spielraum der Lehrer fatal ein und führen mit der Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen an Hochschulen eine Ausbildung herbei, die an bürokratischem Aufwand kaum zu überbieten ist, jedoch an musikalischem Niveau verliert.
Und was würden Sie sofort anordnen, wenn Sie heute als Erste zur „Ministerin für das Chorwesen in Deutschland“ ernannt würden?
• Bundesweite Einführung eines Systems zum Erlernen von Blattsingen
• Verbot von unvorteilhaft aussehender Chorkleidung
• Steuererleichterungen für Tenöre und zweite Bässe.