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Chor@Ostbahnhof – Auftakt der Nacht der Chöre beim diesjährigen Festival Chor@Berlin. Foto: Alexander Zuckrow
Chor@Ostbahnhof – Auftakt der Nacht der Chöre beim diesjährigen Festival Chor@Berlin. Foto: Alexander Zuckrow
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Großer Bahnhof für den Berliner Chorgesang

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Eindrücke vom Festival Chor@Berlin im Berliner Radialsystem IV
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Wenn das Radialsystem schwirrt: Vom 21. bis zum 24. Februar feierte das Festival Chor@Berlin, das dieses Jahr schon zum dritten Mal stattfand, die vielen Facetten des Chorgesangs zwischen Profi-Ensemble und Ich-kann-nicht-singen-Chor. Ein Highlight war auch diesmal die Nacht der Chöre, in der zahlreiche Berliner Laienchöre nacheinander auftraten.

Sogar oben bei McDonalds kleben Leute hinter der Glasscheibe und äugen hinunter. In der Eingangshalle des Berliner Ostbahnhofs ist ein Schauspiel zu erleben, das man hier nicht alle Tage hat. Das Festival Chor@Berlin, das im nahen Radialsystem stattfindet, hat seine Aktivitäten bis in den Bahnhof ausgeweitet und Singende in Scharen hierher ausgesandt. Drei Chöre geben nacheinander ein Konzert in der Halle, postiert an deren entgegengesetzten Enden, um zum Schluss in der Mitte zusammenzukommen und ein Bahnhofsstück zu singen, das die Komponistin Sabine Wüsthoff eigens für diesen Anlass geschrieben hat. Die ungewöhnliche Aktion fungiert als Auftaktspektakel für die „Nacht der Chöre“, die das Herzstück und eigentlich wohl auch der Höhepunkt des Chorfestivals im Radialsystem ist. Das hat nicht ausschließlich musikalische Gründe. Der mutmaßliche musikalische Höhepunkt von Chor@Berlin ist nämlich bereits am Abend vorher begangen worden, als das Festival mit dem Auftritt des Ensembles Vocalconsort eröffnet wurde. In „Vocalconsort“ haben sich professionelle Sänger/-innen zusammengeschlossen, um sich gemeinsam vorwiegend der Alten Musik zu widmen, und es in dieser Formation zu einiger Prominenz gebracht. Sehr zu Recht, wie sich im Radialsystem zeigt, wo Vocalconsort mit einem Programm auftritt, das den für einen Eröffnungsabend durchaus eigenwilligen Titel „Über das Ende“ trägt. Die Tonsetzer Bach, Schütz, Schein und andere barocke Epochengenossen liefern die Musik zu Texten, die sämtlich den Verfallsgedanken in den Mittelpunkt stellen. In Töne umgesetzt und von den Vokalartist/-innen des Vocalconsort spannungs- und bezugsreich dargeboten, ist die Endlichkeit des Lebens an diesem Abend jedoch kein Grund zur Traurigkeit, sondern im Gegenteil Anlass für ein wirklich beglückendes Konzerterlebnis.

Allerdings blieben an jenem ersten Abend etliche Stühle leer, da man im Radialsystem stark zusätzlich aufgestuhlt hatte. Und sollte man sich gefragt haben, wozu das gut sei, so beantwortet sich diese Frage am Folgeabend, eben in der „Nacht der Chöre“, von selbst. Wenn sechs Laienchöre in einer einzigen Veranstaltung auftreten, sind viele Stühle nötig; denn während die Professionellen nicht zu jedem Auftritt den halben Freundeskreis einladen, tun Amateure das gern. Zum Glück ist der große Saal gut belüftet. Denn im eigentlich sehr geräumigen Nebensaal, der als Foyer fungiert, wird während der Pausen schnell die Luft zum Atmen knapp. Die drangvolle Enge stört aber nicht, sondern scheint eher noch die freudig-erregte Stimmung zu verstärken. Etwas ist anders als bei anderen Festivals, denn Mitwirkende und Zuschauer mischen sich stärker als sonst. Die weitaus meisten der Anwesenden sind entweder selbst als Chorsänger beteiligt oder kennen jemanden von den Mitwirkenden. Das Radialsystem schwirrt wie ein großer musikalischer Pausenhof.

Sechs Chorauftritte von jeweils einer halben Stunde, dazwischen zwei Pausen und zwei Publikums-Mitsingrunden, das alles braucht seine Zeit. Doch wenn man eingangs noch überlegt haben sollte, ob dieser Abend nicht womöglich zu lang werden könnte, ist es dann doch erstaunlich einfach, sich mittreiben zu lassen. Die Chorvergleiche erweisen sich als nicht nur in musikalischer Hinsicht hochinteressant, sondern auch in puncto Bühnenpräsenz, Ausstrahlung und Notensicherheit. Wenig überraschend besteht eine deutliche Korrelation zwischen allen Punkten. Je höher der Anteil der Sänger, die es vorziehen, lieber intensiv in die Noten zu sehen als Kontakt zur Dirigentin zu halten, desto fader der musikalische Ausdruck. In der A-Note, also was die saubere Ausführung betrifft, musizieren übrigens alle Ensembles auf hohem Niveau. In der B-Note aber gibt es feine Unterschiede. Die vocal-concertisten Berlin unter Kristian Commichau, deren Spezialität es ist, Nicht-Vokalwerke zu scatten, also Instrumentalstimmen mit sinnfreien Silbenfolgen wie „dabadabadaaa“ singend umzusetzen, sind definitiv ein inspirierender Höhepunkt. Auch Kerstin Behnke und ihr Kammerchor Tonikum haben mit Werken so unterschiedlicher Komponisten wie Martin und Monteverdi ein eindrucksvolles und stimmiges Programm mitgebracht. Und als letzte, es geht schon gegen Mitternacht, treten die preisgekrönten Fabulous Fridays auf, die natürlich gar kein richtiger Laienchor sind, sondern der Jazz-Pop-Chor der Berliner Universität der Künste. Das erklärt und entschuldigt, dass sie so unglaublich jung, sexy und begabt ganz locker auf der Bühne agieren, natürlich keine Noten brauchen und dabei auch noch unglaublich gut singen können. Und das Schönste dabei ist: Man sieht ihnen an, dass es wirklich Spaß macht.

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