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Das Logo war das Erste, das es vom Landesjugendchor gab. © Landesmusikrat Hamburg

Das Logo war das Erste, das es vom Landesjugendchor gab.

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Im Prozess des Werdens: Der Landesjugendchor Hamburg

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In fast allen Bundesländern (außer Bremen und Hamburg) gibt es bereits einen Landesjugendchor, der zumeist vom jeweiligen Landesmusikrat getragen wird. Hier sollen junge Sänger, die sich irgendwo zwischen Schule, Ausbildung und Beruf befinden, gefördert werden und natürlich auch sängerisch bei der Stange gehalten werden, bis sie einen für sie geeigneten Chor im Erwachsenenbereich gefunden haben. In Hamburg hat der Landesmusikrat nun auch einen solchen Chor ins Leben gerufen und mit Cornelius Trantow einen hochkaratigen Chorleiter verpflichten können. Ende September beginnt die erste Probenphase – aber es fehlen noch immer einige Sänger, besonders Tenöre und Bässe.

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Hamburg hat eine reiche Chorlandschaft, von Kinder- und Jugendchören über Schulchöre bis hin zu Amateur-, Semiprofi- und Profichören für die Erwachsenen. Dabei kann man sich als Sänger aussuchen, was einem stilistisch am meisten liegt: Volkslieder und Folklore, Kirchenmusik, Musicals, a-cappella-Musik mit menschlicher Beatbox, Rock, Pop – was auch immer. Der Vorteil eines Stadtstaates ist es, dass sich über den öffentlichen Personennahverkehr auch fast jeder Ort innerhalb Hamburgs problemlos erreichen lässt. Über das sehr empfehlenswerte Chorportal Hamburg (https://www.chorportal-hamburg.de) kann man sich seit einigen Jahren schnell einen wunderbaren Überblick über die vielfältigen chorischen Aktivitäten der Hansestadt verschaffen.

Und nun: noch ein Chor. Um es gleich vorwegzunehmen: Hier entsteht kein Konkurrenzangebot für irgendeinen der anderen bereits existierenden Chöre. Ganz im Gegenteil: Wer im Landesjugendchor Hamburg mitsingen will, soll – das ist ausdrücklich gewünscht – in seinem bisherigen Chor weiter mitsingen! Zielgruppe sind Sänger und Sängerinnen im Alter von 15 bis 27 Jahren, die sich irgendwo zwischen „noch im Schulchor“ und „noch nicht im Erwachsenenchor angekommen“ befinden. Dabei ist es den Initiatoren wichtig, dass dieser Chor neben reinem gemeinschaftlichen Singen auf hohem Niveau auch speziell der musikalischen Weiterentwicklung der Sänger verschrieben hat.

Der Landesmusikrat Hamburg, der seit 1978 so etwas wie der Dachverband des musikalischen Lebens in Hamburg ist, das Sprachrohr der Hamburger Musikszene, hat den neuen Chor ins Leben gerufen. Zunächst wurde dabei die Stelle des künftigen Chorleiters ausgeschrieben. Etwa 40 Bewerber wollten sich dieser anspruchsvollen Aufgabe annehmen; vier der Bewerber wurden ausgewählt und durften sich einer Kommission persönlich und musikalisch vorstellen. Einige Chorsänger fanden sich zu einem spontanen Probenchor zusammen, um den Bewerbern die Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren und ihre Vorstellungen zum Klingen bringen zu können. Am Ende setzten sich die Erfahrung und das Alter durch – in erster Linie aber ein sehr besonderer und zugewandter Umgang mit den einzelnen Chorsängern und dem Chor. Cornelius Trantow, der an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg für die chorleiterische Ausbildung der zukünftigen Schulmusiker zuständig ist, wurde einstimmig zum ersten Chorleiter des Chores gewählt.

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Cornelius Trantow ist der erste Chorleiter des Hamburger Landejugendchores und will den Sängern vermitteln, dass man umso glücklicher wird, je mehr man singt. © Thekla Ehling

Cornelius Trantow ist der erste Chorleiter des Hamburger Landejugendchores und will den Sängern vermitteln, dass man umso glücklicher wird, je mehr man singt.

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Trantow ist in der Chorszene kein Unbekannter. Mit seinem Chor, dem „Ensemble vocal“, konnte er zahlreiche nationale und internationale Preise gewinnen, so einen 1. Preis beim Deutschen Chorwettbewerb 2006 und Preise in Marktoberdorf, Tolosa (Spanien), Cork (Irland), Mosbach, Debrecen (Ungarn) und Llangollen (Wales). Seit 1999 ist er Professor in Hamburg. Dort wurde er 2011 mit dem „Hamburger Lehrpreis“ ausgezeichnet. 2018 konnte Trantow zum zweiten Mal einen 1. Preis beim Deutschen Chorwettbewerb erringen: der von ihm 2014 gegründete „Kammerchor der Hochschule für Musik und Theater“ gewann mit der höchsten im Wettbewerb vergebenen Punktzahl die Kategorie „Gemischte Chöre“.

Zunächst studierte Trantow in Bielefeld und Oldenburg Physik, anschließend Kirchenmusik in Hamburg. So sehr im das Orgelspielen Spaß machte, so sehr merkte er, dass er für dieses spezielle Verhältnis „Mensch & Maschine“ nicht geboren war. Nach dem B-Examen 1996 schloss er ein Aufbaustudium Chordirigieren bei Hannelore Pardall an und erwarb 1999 das Diplom. Er besuchte zahlreiche Meisterkurse für Chor- und Orchesterleitung, unter anderem bei Eric Ericsson, Frieder Bernius, Carl Høgset und Wolfgang Schäfer. Seit 1999 ist er Professor in Hamburg. Sein besonderes Interesse gilt Werken zeitgenössischer Komponisten. Daneben arbeitet er als Chorleiter, Chorleitungslehrer, vocal coach, Juror und nun auch als Leiter des Landesjugendchores Hamburg.

„Ich brauche nicht noch einen Chor“ sagt Trantow ganz klar und schränkt gleich wieder ein: „mit jungen Leuten arbeiten ist cool!“ Trantows Ansatz, einen Chor zu „leiten“ unterscheidet sich deutlich von dem, was die meisten Chorsänger heute noch immer erleben: da steht einer vor dem Chor, wedelt mit den Armen, hört die Fehler des Chores, benennt sie und probt so lange, bis alles schlussendlich stimmt. Trantow beschreibt seine Art der Chorleitung dagegen so: „Ich stehe vor dem Chor, mache eine gute Figur und betreibe Musikvermittlung.“ Er möchte seine Sänger dazu bringen, selbständig aktiv Musik auszuüben. Dazu müssen sie in erster Linie einmal hören; hören, was die anderen machen bzw. singen. Dabei geht es um die Lautstärke, die Melodielinien, den Ausdruck usw. Seine Chorsänger sollen nicht reagieren sondern agieren – das ist sein Wunsch. So erzählt er viel über Werke und ihre Struktur, gibt Einblicke in die Musik und lässt die Sänger zuhören und verstehen, was sie da singen.

Eine seiner unzähligen Übungen geht so: er fordert die Sänger auf zu hören, wer die Melodie singt und wer die Begleitung. Die Melodiesänger mögen immer dann aufstehen, wenn sie die Melodie singen und sie ein bisschen lauter, quasi als führende Stimme. Die Nebenstimmen bleiben sitzen und passen sich in der Lautstärke an die Hauptstimme an. Wenn die Melodie in eine andere Lage wechselt, steht diese auf, die anderen setzen sich und wieder wird zugehört und die eigene Stimme der Situation angepasst. Das sollen die Sänger eigenständig tun – eben miteinander „agieren“. Durch dieses Kennenlernen der Musik ist es den Sängern dann in jedem Raum möglich, sich mit den gelernten Techniken und dem neuen Selbstbewusstsein der neuen Situation anzupassen. Wenn Musik so verstanden ist und so gesungen werden kann, dann entwickeln sich auch im und für den Chorleiter ein neues Verständnis und eine neue Aufgabe; aus Trantows Sicht muss er als „Leiter“ bei der Aufführung nur noch „freundlich lächeln und motivieren“. Nur in seltenen Fällen – quasi, wenn etwas schief zu gehen droht – muss er noch einmal eingreifen, den genauen Takt schlagen oder einzelne Einsätze geben.

Das ist die Richtung, in der Trantow seine neuen Sängerinnen und Sänger führen will. Die ersten dieser Sänger wurden jüngst bei einem Casting bereits ausgewählt. Es war ein bisschen wie überall: die Männerstimmen waren knapp bemessen, die Tenöre sehr rar gesät. Von 12 angemeldeten Interessenten sind zwei erst gar nicht zum Termin erschienen. Die restlichen Aspiranten wurden aber alle genommen beziehungsweise einer soll sich stimmlich noch ein wenig weiterbilden und darf sich beim zweiten Vorsingen wieder der Jury stellen. So hat der Chor nun fünf Soprane, davon zwei Knabensoprane, zwei Altistinnen und je einen Tenor und Bass. Die beiden Knabensoprane werden demnächst 15 Jahre alt, der Bass ist bereits 26 Jahre alt – das ist die Spanne. Dabei waren nicht nur die stimmlichen Fähigkeiten entscheidend, sondern eben auch die sozialen Fähigkeiten, die Bereitschaft für einen guten sozialen Umgang.

Die Atmosphäre bei der Vorstellung war fast familiär, nur eine kleine Jury war anwesend. Diese wollte ein bisschen über die Person und den sängerischen und musikalischen Werdegang erfahren. Es gab eine kleine Stimmbildung und einen Gehörcheck. Mitbringen sollte jeder Bewerber ein Stück, mit dem er sich „wohl fühlte“, ein (Solo-)Lied oder eine Chorstimme – auch mit Klavierbegleitung. Es musste nicht unbedingt ein besonders schwieriges Stück sein, aber es durfte gern auswendig vorgetragen werden und sollte zeigen, wie ausdrucksfähig der Sänger singen kann. Dann wurde noch die Fähigkeit des Vom-Blatt-Singens mit einer tonalen Stimme getestet. Zum Schluss bekam jeder Bewerber noch eine Einschätzung seiner Stimme und seiner Entwicklungsmöglichkeiten mit auf den Weg.

Der Chor wird Ende September seine Arbeit mit einem ersten Probenwochenende in Büsum aufnehmen. Pro Jahr gibt es zwei Projektphasen. In jeder Phase gibt es zwei Probenwochenenden, einen Intensivprobentag und zwei Konzerte. Wer mitmachen will, muss sich für ein Jahr verpflichten und an allen Terminen teilnehmen – aber das ist ein absolut überschaubares Pensum, auch neben dem Singen im eigenen Heimatchor. Der Landesjugendchor muss noch größer werden. Trantow kann sich alles zwischen ca. 16 und locker über 40 Mitstreitern vorstellen. Noch sind viele Plätze frei! Das nächste Vorsingen findet am 3. September statt.

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