Dass Chormusik in sämtlichen Medien im Verhältnis zu ihrer gesellschaftlichen Relevanz absolut und sträflich unterrepräsentiert ist, dürfte sattsam bekannt und ebenso hinreichend wie wirkungslos besprochen sein. In den wenigen Sendern, die dem Genre überhaupt Raum und Zeit geben, verstecken sich die Sendungen oder Beiträge oft so geschickt, dass sie nur von Insidern wahrgenommen werden. Bis auf wenige Ausnahmen wie Deutschlandradio Kultur gibt es kaum Sender, die neben der Ausstrahlung von Chormusikaufnahmen auch Hintergründe und Themen bündeln und redaktionell behandeln.
Handeln, nicht klagen! Holger Frank Heimsch und Johannes Pfeffer sind jung, begeistert von ihrer Sache Chor und halten sich nicht damit auf, die zahllosen runden Tische und Podiumsdiskussionen abzuwarten – sie haben vor genau einem Jahr ihr studentisches Umfeld genutzt, um ein in Inhalt und Erscheinungsform junges, frisches Radiomagazin zu gestalten. Nun mag da mancher schmunzeln und die Plattform des Hochschulradios Stuttgart, „horads
88,6“, als kleine und wenig öffentlichkeitswirksame Plattform belächeln. Aber da zu einer UKW-Frequenz heute ganz selbstverständlich die Möglichkeit gehört, weltweit im Livestream oder via Radio-App mit- und über reichlich Podcastangebote nachzuhören, ist der Wirkungskreis schier unbegrenzt groß – vor allem im Hinblick auf die Zielgruppe, die jungen Menschen von Zwölf bis ins Studierendenalter.
So sind die einzelnen Sendungen auch konzipiert. Jeden Donnerstag um 18 Uhr erfolgt die Ausstrahlung und auch wenn die Macher beide einen Hintergrund in der Chorjugend des Schwäbischen Chorverbandes haben, so kommt doch keine der Ausgaben provinziell oder bieder daher. Holger Frank Heimsch ist sowohl Initiator und Produzent als auch Moderator, seine Radiostimme spricht im Wortsinne sofort an. Da klingt professionell präsentiert, was auch professionell redigiert und geschnitten ist. Die Sendungen haben, Schwung ohne in pseudojugendliche Animation zu verfallen, sie haben eine innere Dramaturgie und Stringenz, die manchem Profi gut zu Gesicht stünde.
Bemerkenswert und ebenfalls auf eine große Reichweite hin gedacht ist die Themenwahl: Neben auch vordergründig jugendlichen Themen wie Chorfilmmusik, einem Bericht zu einem Festival junger Chöre oder einem Sommerspecial zeigen Sendungen wie „Singende Knaben und Männer“, „Singen in der Familie“ oder „Russische Klänge“, dass man inhaltlich die ganze Bandbreite der Chorszene abdecken möchte. Nicht weiter verwunderlich ist es deshalb, dass Johannes Pfeffer als eines seiner persönlichen Highlights die Sendung „Gesang in Unfreiheit“ nennt. Das Interview mit Friedhelm Brusniak hat den Blick in die Vergangenheit ebenso geöffnet wie es Perspektiven der Verantwortung für die Zukunft aufzeigen konnte.
Im Gegenteil: Man hat sich als ein weiteres Ziel gesetzt, die Amateur- mit der Profichorszene zusammenzubringen, um beide voneinander profitieren zu lassen. Dies scheint zu gelingen, denn zum Beispiel Cornelia Bend, Chormanagerin des SWR Vokalensembles bescheinigt dem Magazin zum ersten Geburtstag Kompetenz des Teams, das eine sehr gute Auswahl trifft und immer am Puls der Chormusik ist. So erschließen sich die Profichöre über das Magazin neue Hörerschichten, und Laien lassen sich von der Qualität dessen, was sie hören, inspirieren und anspornen. Wohl mit die jugendlichsten Merkmale von Vocals on Air sind die Lust am Entdecken, die Neugierde und die entwaffnende Offenheit in teils auf Chorszene-Veranstaltungen auch spontan geführten Interviews. Die rasenden Reporter aus Schwaben fahren auch nach Dortmund zur chor.com oder nach Berlin zu chor@berlin und holen sich einen Frieder Bernius oder Henning Scherf vors Mikrophon.
Und beim Schreiben dieser Zeilen wird einem bewusst, worin der eigentliche Vorteil des Mediums Radio liegt: Man kann zwar auch über Chormusik schreiben, aber man sollte sie eben doch hören. Dies allerdings stellt die Redakteure vor ein Problem, von dem jeder erfahrene Kollege ein Lied zu singen weiß: Nicht alles, was an Hörbeispielen von begeisterten Laien eingeschickt wird, ist sendefähig. Der pädagogische Effekt jedoch setzt auch hier ein, und manch junges Ensemble setzt seinen Ehrgeiz daran, auf Vocals on Air gesendet zu werden.