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Gangsterchic in der Spielstätte Nord (Schauspiel Stuttgart). Foto: Lothar Bertrams
Gangsterchic in der Spielstätte Nord (Schauspiel Stuttgart). Foto: Lothar Bertrams
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Musikmagie und Gangsterchic

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Einer der Sieger im nmz-Chorporträtwettbewerb: der Jazzchor Stuttgart
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25 Menschen treffen sich jeden Mittwoch im Bürgerzentrum West. Egal, ob es schneit, regnet, stürmt oder der Stuttgarter Kessel kocht. Eine ist Ingenieurin, einer ist Pfarrer, andere sind Lehrer oder Architektinnen, manche arbeiten bei der Stadt, andere in kreativen Berufen. Der Jüngste ist 30, die Älteste 55 Jahre alt. Vermutlich wären sie sich nie begegnet. Aber etwas hat sie zusammengebracht: der Gesang. Und der Jazz.

Wibke (Sopran): „Mit Jazz verbinde ich was Cooles. Und genau das ist der Jazzchor!“

Hier hat August der Starke seinen Daumen ins Geländer gedrückt, ein paar Schritte weiter ragt die neu aufgebaute Frauenkirche in die Höhe und dort drüben ließ sich der Fürst eine barocke Partymeile in Stein meißeln. Dresden fliegt am Jazzchor Stuttgart vorüber. Denn kurz nach der Stadtführung fängt schon die Stellprobe für das 1. Dresdner Chortreffen an, verwunschen im Wald gelegen. Am Tag davor ist die Stuttgarter Delegation durchs Elbsandsteingebirge gewandert, hat geräucherte Forelle gegessen, einen Überraschungsauftritt bei einer Hochzeit hingelegt und beim Warten auf die Elbfähre spontan Lullabye gesungen. „Das Ergebnis ist ein Erlebnis“, findet ein älterer Herr. „Super, dass ihr das macht, sonst hören doch alle nur Techno.“ Dann im Rennschritt zurück zum Hostel, blitzschnell umziehen, weiter zum Auftritt in die St. Pauli Ruine. Dann ins Bett fallen. Uff. Und keiner meckert, dass es ein Fünfbettzimmer ist. Take Five!

Hannah (Alt): „Mit das Tollste am Jazzchor ist, dass es keinen Klüngel gibt – obwohl die Gruppe so groß ist.“
Daniel (Tenor und gebürtiger Dresdner): „Warum wir in Dresden waren? Ich wollte, dass ihr mal die schönste Stadt Deutschlands kennen lernt!“

Rückblende: Ein Palazzo in Venedig. Die Hausherrin wirkt skeptisch. Jazz? Dass der gastgebende Chor, Le Insolite Note aus Mestre, ein prima Konzert hinbekommt, ist klar. Aber die Stuttgarter? Während des Auftritts versteckt sich die betagte Dame hinter einem Samtvorhang. Lugt ab und zu hervor. Der Palazzo füllt sich mit Klängen. Töne schaukeln durch den Raum, sanft und fließend, wie das Lagunenwasser. Perlen von der Wänden, hüpfen in die Herzen. Java Jive. Tuxedo Junction. Bei mir bist du schön. Und die Zuschauer, altehrwürdige Venezianerinnen und Venezianer, erst sehr ernst, fangen an zu lächeln. Und zum Schluss klatschen sie im Takt. Plötzlich bewegt sich der Vorhang und die Hausherrin steht im Saal. „Wir Venezianer lieben die Musik“, sagt sie auf Italienisch. „Uns verbindet jetzt eine wunderbare deutsch-italienische Freundschaft.“

Christine (Tenor): „Christiane, die als Adriana Celentana 24.000 baci singt, muss unbedingt in den Artikel mit rein.“
Susan (Sopran): „Ein ganz tolles Event fand ich unser nächtliches Singen am San Marco Platz. Und am nächsten Tag ist Venedig fast im Hochwasser untergegangen!“

Ein tintenblauer Abend später. Beim Verbeugen schier ins Wasser gefallen. Denn Le Insolite Note und der Jazzchor Stuttgart singen zusammen auf einer Holzbarke, die vor einem Restaurant im Kanal angelegt hat. Als sich beim Schlussapplaus alle nach vorne beugen, kentert der Kahn beinahe. Aiuto! Hilfe! Doch grade noch mal gut gegangen. Alle schwanken. Und lachen. Die Zuhörer klatschen. Musica und commedia – das passt nach Venedig! Danach feiern die beiden Chöre mit den Restaurantgästen. Tanzen, singen, essen – wer braucht da schon Sprachkenntnisse?   

Christiane (Chorleiterin): „Das türkisfarbene Wasser in Venedig hat uns inspiriert. Unsere Auftrittsklamotten sind jetzt türkis-schwarz. Motto: Casino mafioso.“
Burkhard (Bass): „Wir klingen nicht nur schön, sondern sehen dabei auch noch unglaublich gut aus!“

Der Jazzchor Stuttgart ist offen, trifft gerne andere Chöre. Wie Jazzika bei der Nacht der Jazzchöre in Karlsruhe. Oder die Wild Roses Crew und Chortissimo in Dresden. Oder Le Insolite Note, die zum Gemeinschaftskonzert „Venezianische Neckarperlen“ nach Stuttgart reisten. Und immer schwingt ein Stückchen der neuen Musikfreunde mit, wenn man sich längst verabschiedet hat. Die Art sich zu verbeugen. Einen Song anzukündigen. Sich auf der Bühne zu bewegen. Beim Singen zu strahlen.

Ingrid (Sopran): „Ich finde den Chor horizonterweiternd – in jeder Beziehung.“
Alex (Bass): „Christiane ist als Chorleiterin keine klassische Führungskraft. Bei uns kann jeder mitreden und Impulse geben.“

Der Jazzchor Stuttgart ist unkonventionell, experimentiert gerne. Hat neben Jazz und Swing auch Pop, African-Vocals, Bossa Nova, Hip Hop oder Soul im Repertoire. Lässt sich bei den Proben von kreativem Chaos nicht verwirren und nimmt nichts bierernst. Liebt es, wenn Nils und Alex Äffle und Pferdle auf Schwäbisch singen. Wagt es auch, musikalisches Neuland zu betreten – beispielsweise mit In C von Terry Riley beim Wandelkonzert im Württembergischen Landesmuseum. Tritt mit anderen Chören und Musikern bei der Tangomesse von Martin Palmeri und Sacred Concert von Duke Ellington auf.

Siggi (Alt): „Singen und swingen befreit!“
Sabine (Sopran): „Spannend finde ich, dass wir alles auswendig singen. Dabei entsteht eine unglaubliche Dynamik, die Konzentration ist spürbar.“

Der Jazzchor Stuttgart lernt gerne von Profis. Wie etwa von Philip Lawson, dem früheren Bariton der King’s Singers. Ihn hat’s vor einem Jahr mit dem Jazzchor in ein Feriendorf auf die Schwäbische Alb verschlagen. Sehr exotisch, findet der Brite. Und er gibt Tipps, wie die Sängerinnen und Sänger bei den Liedern mit der Lautstärke arbeiten können. Wenn von Andrea Figallo die Rede ist, klopfen sich alle mit der flachen Hand gegen die Brust. Flapp-flapp-flapp. So hat der Ex-Sänger der Flying Pickets und aktuelle Bass der Wise Guys bei einem Workshop erklärt, wie man den Beat halten kann. Flapp-flapp-flapp. Hilft heute noch.

Gerhard (Bass): „Wir sind groovy!“

Als Straßenmusiker in Konstanz, beim Festakt im Stuttgarter Rathaus, bei privaten Festen, im Traditionstheater Rosenau, auf einer venezianischen Barke, in einer Dresdner Kirchenruine – es ist der Gesang, der 25 Menschen verbindet. Und der Jazz.

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