Im letzten Jahr hat die nmz einen Chorportraitwettbewerb ausgeschrieben. Unter den Einsendungen war auch ein Beitrag aus Würzburg. Der Monteverdichor hat folgende Notizen verfasst. Der Text des Siegers im Chorportraitwettbewerb im Wortlaut.
„Natürlich singen wir nur Monteverdi, das sagt doch schon der Name.“
Der Name dient vor allem dazu, als studentischer Chor unsere Bescheidenheit zum Ausdruck zu bringen. Nein, wir sehen ihn als Anreiz und verstehen unseren Namen daher vielmehr als zu erreichenden Maßstab musikalischer Qualität und bahnbrechender John-Eliot-Gardiner-Tempi. Außerdem schlägt auch das Konzertrepertoire des Monteverdichors eine Brücke von der damaligen zeitgenössischen Musik unseres meisterhaften altitalienischen Namensgebers und seiner Kollegen hinüber bis zur heutigen. Die Idee einer Umbenennung in Dissonanter Dodekachor Würzburg ist allerdings noch nicht vom Tisch.
„Hinter den 16 Pauken des Berlioz- Requiems hat man uns gar nicht mehr gehört.“
Das kann auf keinen Fall sein! Denn die brausende Stimmgewalt unserer teilweise über 100 Sängerinnen und Sänger ist legendär. Musikalisches kann unsere quantitative Größe nicht diminuieren, das vermögen höchstens die beengenden Umstände in unserer liebgewonnenen Heimstätte, der Neubaukirche Würzburg.
„Bei Penderecki brauche ich keine Noten. Die Melodien gehen ja auf Anhieb ins Ohr!“
Es ist wahr, manchmal singen wir auch Stücke, die sich dem gemeinen Chorsänger nicht auf den ersten Blick in der Fülle ihrer Harmonik, Melodik und Rhythmik erschließen. Spätestens nach dem Verhallen des letzten Clusters im Konzert ist aber jeder von der Größe der Stücke überzeugt – Musikvermittlung intern. Und schließlich hat sich der Monteverdichor anspruchsvollem Chorrepertoire verschrieben. In unserer jährlichen Serie „Würzburger Chorsinfonik“ bringen wir jedes Werk nur in jeweils zwei Konzerten zum Erklingen. Unsere Spezialität sind Herausforderungen: Würzburger Erstaufführungen und Uraufführungen zu Unrecht vergessener Werke.
„Ich glaub, für‘s Konzert zieh‘ ich meine höchsten Schuhe an …“
Das passiert nur einem Monteverdi-chor-Newbie. Denn unsere Stücke sind für gewöhnlich lang und Stühle nicht vorgesehen – oder zumindest nur für das Publikum. Bei neun Konzerten im Jahr hat man auf jeden Fall genügend Gelegenheit, falsches Schuhwerk zu bereuen. Unser Dresscode ist schlicht, zeitlos und bei 30° C atemberaubend raffiniert: schwarz. In den Frauenstimmen mit deutlichem Trend zum kürzeren Saum.
„Die Intonation ist so perfekt, daran kann man nicht mehr arbeiten.“
Moll-Terz hoch intonieren, Dur-Terz tief intonieren, Moll-Terz hoch intonieren, Dur-Terz tief intonieren – das sind die Phrasen, aus denen Monteverdichor-Tattoos für die Ewigkeit gebrannt sind. Auf Perfektion unseres Chorklanges, besonders in den Schluss-
akkorden, legt unser Dirigent höchs-ten Wert. Reine Stimmung ist das Zauberwort; das wohltemperierte Klavier, die Ursache allen Übels!
„Wir suchen nur neue Sänger in den Männerstimmen.“
Tun wir nicht, denn wir haben tatsächlich, wovon andere Laienchöre nicht einmal zu träumen wagen – eine beneidenswerte Männerquote, die wir von Konzert zu Konzert auf Grund positiver Mundpropaganda weiter aufmörteln können. Auch für unser Frauenchor-Panorama haben wir schon anerkennende Worte des renommierten Komponisten Wolfram Buchenberg erhalten. Unsere Besetzung richtet sich in Anzahl und Stimmlage flexibel nach den musikalischen Anforderungen.
„Gottseidank liegen die Konzerte nicht inmitten der Klausurenphase!“
Mit Singen allein ist es bei uns nicht getan, wir sind nicht nur ein Chor. Gleichzeitig sind wir auch alle nebenberuflich Würzburger Studenten und Konzertveranstalter. Denn das ehrenamtliche Verwaltungsteam setzt sich aus allen Chorsängern zusammen: Künstlerisches Betriebsbüro, Marketing, Pressearbeit, philologisch exquisite Redaktion, wichtige Vorstände, gewiefte Sponsorenabteilung, freundlicher Vertrieb, IT-Pros und muskelgestählte Orchesterwarte – hinter und vor der professionellen Kulisse agiert das Wir.
„Unser Dirigent hat zu viel Freizeit.“
Ganz im Sinne von „Das Herz will, was das Herz will“ hängt selbiges Herz unseres Dirigenten Prof. Matthias Beckert mindestens 25 Stunden an 8 Tagen die Woche, bei Schnee, Nieseln und Hurricane an seinem Chor. Sein Engagement für uns liegt jenseits eines gültigen Limes und sein Dirigat kann locker mithalten mit jedem sportlichen Usain Bolt (Tanzen, Wirbeln, Stretching und Springen), jedem überzeugenden Cicero (Mimik, Gestik, Augenkontakt) und ganz allgemein Chuck Norris. Der hat den Monteverdichor nämlich auf Grund von Burnout abgegeben.
Der Monteverdichor Würzburg ist ein erfolgreicher Konzertchor aus Studenten und Alumni aller Fakultäten der Universität Würzburg und der Hochschule für Musik Würzburg. Er ist Träger der Kulturmedaille der Stadt Würzburg und wurde beim Bayerischen und beim Deutschen Chorwettbewerb mit dem Prädikat „sehr gut“ ausgezeichnet. Den renommierten Chor leitet seit 1998 Matthias Beckert – Dirigent und Professor für Chorleitung an der Hochschule für Musik Würzburg.
Anja Schödl, Marcella Großer