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Mit ihren Schulkonzerten begeistert die Philharmonie Südwestfalen. Dieses Mal geht es auf einen musikalischen „Weltenbummel“ – auch im Bürgerhaus Bad Berleburg. Foto: Claudia Irle-Utsch

Mit ihren Schulkonzerten begeistert die Philharmonie Südwestfalen. Dieses Mal geht es auf einen musikalischen „Weltenbummel“ – auch im Bürgerhaus Bad Berleburg. Foto: Claudia Irle-Utsch

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Flagge zeigen beim Weltenbummel

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Die Schulkonzerte der Philharmonie Südwestfalen erreichen Tausende von Kindern
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Wenn die Vorstellung beginnt, ist ganz viel schon gelaufen. Nicht nur die Musikerinnen und Musiker im Rampenlicht, sondern auch die Kinder im Saal sind bestens vorbereitet. So kann gemeinsam gelingen, was auf dem Programm steht: ein „Weltenbummel“, der auf einem Airport irgendwo im Nirgendwo beginnt und nach Prag führen soll, nach Wien und nach Paris und auch in die US-Metropole New York. Allerdings hakt es mit Flug „PHILSW2024“. Die Leuchtstäbe der Fluglotsin sind defekt. Zum Glück hat sie eine gute Idee: Edwine Guck in die Luft lädt ein zu einer Traumreise auf den Flügeln der Fantasie. Auf diesem Trip ist alles möglich, und so kann Kapitän Anton Vollgas seinem Namen alle Ehre machen. Es geht los – und wie!

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„Weltenbummel“ war in diesem Jahr das Thema der Schulkonzerte, mit denen die Philharmonie Südwestfalen (die Abkürzung „PhilSw“ korrespondiert also mit der Flugnummer des Jets) seit 40 Jahren schon in ihrem Heimatkreis Siegen-Wittgenstein unterwegs ist. Längst ist das Projekt des NRW-Landesorchesters zu einem „Exportschlager“ geworden. Mit diesem Programm geht es auch über die Grenzen: in den Kreis Olpe, den hessischen Lahn-Dill-Kreis und den rheinland-pfälzischen Kreis Altenkirchen.

Von Beginn an koordinierte die Schulkonzerte ein beim Schulamt des Kreises Siegen-Wittgenstein verorteter Arbeitskreis in enger Zusammenarbeit mit der Philharmonie-Intendanz. Prof. Hermann Große-Jäger von der Hochschule für Musik Detmold entwickelte und prägte die Programme bis 2007. Seit 2009 konzeptioniert und moderiert Claudia Runde, in Detmold als Lehrbeauftragte für Musikvermittlung/Musikmanagement tätig, die Schulkonzerte.

Das Besondere dieses Konzerterlebnisses für Grundschulkinder der Jahrgänge 3 und 4 sowie Haupt- und Förderschulkinder aus der Klasse Fünf sei, dass in jedes Konzert ausschließlich Klassen kämen, die vorbereitet seien, sagt Claudia Runde. Rund acht Wochen vor der Konzertstaffel gebe es eine verpflichtende, 90-minütige Online-Fortbildung für die Lehrkräfte. Darin übe sie bestimmte Konzert-Elemente mit den Pädagoginnen und Pädagogen ein. „Step by step“, so die Musikvermittlerin, schließlich unterrichteten die meisten Musiklehrkräfte das Fach inzwischen fachfremd.

Begleitmaterial für die Schule

Beim „Weltenbummel“ waren es ein „Reiselied“, getextet auf Edward Elgars Trio aus „Pomp and Circumstance op. 39,1“, ein Tanz mit bunten Flaggen zu Jacques Offenbachs „Can Can“ und eine Bodypercussion zu Nathan Evans’ „Wellerman“. Zu alledem liefert Claudia Runde weiteres konzertbegleitendes Material. „In PDF-Form, in Videoform, in Audioform, mit Hintergrundbeschreibungen und mit ganz konkreten Aufgaben zu dem, was für das Konzert vorbereitet werden soll.“ Dazu kommen weitere „Add-ons“: Spiele, Bilder, Geschichten – ein ganzes Paket. 

Im Vorfeld wird also eifrig geprobt: im nagelneuen Haus der Musik in Siegen bei der Philharmonie Südwestfalen und an den Schulen, wo im Unterricht mehr als 10.000 Kinder an ihren Parts arbeiten. All das wird in Theatern, Bürgerhäusern oder Schulaulen zusammengeführt und hat einen enormen Mehrwert: Die Kinder docken an bereits Erlerntes an, sind innerlich und äußerlich beteiligt an dem, was sie sehen, hören, spüren.

Claudia Runde nennt ein Beispiel: „Wenn sich im Konzert die einzelnen Instrumentengruppen mit ihrem Namen und ihrem Klang vorstellen, spielen die hohen Streicher die ersten Takte von Elgars Trio. Sofort summen oder singen einige Kinder mit.“ Keine Frage, ihr „Reiselied“ haben sie drauf, und wenn es erklingt, geht das unter die Haut. Ein ähnlicher Effekt ergibt sich bei den selbst gestalteten Fähnchen. Dazu gab es vorab einen Arbeitsauftrag: „Male oder gestalte eine Fahne, die etwas mit dem Land zu tun hat, in dem du im Moment lebst. Es kann auch die Flagge deines Bundeslands oder deiner Stadt sein. Und: Male eine zweite Fahne – entweder aus dem Land, aus dem du kommst oder wo deine Familie herstammt oder in das du gerne reisen würdest.“ Diese einfache Übung hatte das Zeug, die Kinder ins Gespräch zu bringen: über Herkunft und Sehnsucht, über Länder und Menschen, über Heimat und Fremde. Und über verschiedene Sprachen, denn im Konzert ließ es sich grüßen mit „Guten Tag“ oder „Bonjour“, „Hello“ oder „Merhaba“.

Sie habe mit „Weltenbummel“ auch zeigen wollen, wie bereichernd der Austausch quer durch die Nationalitäten sein kann, so Claudia Runde. Eine Leitfigur im Programm sei deshalb neben Edwine Guck in die Luft (die Rolle der Moderatorin) und Anton Vollgas (Dirigent Tim Hüttemeister) der Komponist Antonín Dvořák gewesen. Ihm nämlich folgten Orchester und Publikum auf seinem Weg nach Wien und Prag und nach Amerika. Dvořák habe sich interessiert für unbekannte Welten, für andere Kulturen. Das habe Vorbildcharakter: „Wenn wir uns kennenlernen, dann können wir einander besser verstehen und trotz aller Verschiedenheit eine Einheit bilden.“ 

Präzises Drehbuch

Jedes ihrer Schulkonzerte sei auf den Punkt hin konzipiert, sagt Claudia Runde. Die 60 Minuten folgten einem minutiösen Ablauf. „Ich schreibe sehr strenge Konzepte. Diese funktionieren wie ein Drehbuch. Jeder Satz der Moderation ist ausformuliert.“ Selbst wenn sie im Dialog mit den Kindern oder dem Dirigenten für einen Moment improvisiere, sei es unerlässlich, diese Flexibilität in Grenzen zu halten. Die Zeit im Blick zu haben, gehöre zu einem professionellen Anspruch dazu. Mit Blick auf das Orchester, das seiner Arbeit nachgehe und mit Blick auf die Kinder und deren Aufmerksamkeitsspanne sowie dem zeitlichen Rahmen eines Schultags.

Die Struktur der Schulkonzerte ziele darauf, im Grunde alle Kinder der entsprechenden Altersstufe zu erreichen, unterstreicht Philharmonie-Intendant Michael Nassauer: „Das Format reiht sich ein in weitere Musikvermittlungs­angebote des Orchesters. Angefangen bei den Baby- und Teddybärenkonzerten über die Schulkonzerte hin zu Games- und Filmmusikprogrammen haben wir für jede Generation etwas im Programm.“

In weiten Teilen bedienen die Schulkonzerte der Philharmonie Südwestfalen den ländlichen Raum. Auch in der Fläche, Menschen an klassischer Musik partizipieren zu lassen, Teilhabe unabhängig von sozialen Strukturen, Herkunft oder Alter zu ermöglichen, sei ein aktuelles und auch wichtiges Thema. Claudia Runde: „Man muss die Menschen dort abholen, wo sie leben, wo sie sind.“

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