René Zisterer steht im Foyer des MUMUTH – Haus für Musik und Musiktheater - und sieht sichtlich zufrieden aus. Zuletzt war der Regisseur sieben Jahre lang an der Staatsoper tätig, unter anderem in der Funktion des Oberspielleiters. Nun hat er hier an der Kunstuniversität Graz die Professur für Musikdramatische Darstellung inne und ist auch Vorstand am Institut Musiktheater.
Zum Einstieg übernahm er in der aktuellen Saison ein pralles Programm: Neben der traditionellen Oper im Juni wartete die Abonnements der Kunstuniversität Graz zusätzlich mit der beim Festival steirischer herbst uraufgeführten Produktion „Paradise“ (Preisträger-Oper des Johann-Joseph-Fux-Opernkompositionswettbewerbs) auf sowie mit einer Oper im Winter („Hänsel und Gretel“). Hinzu kommt außerhalb der Abonnements das Projekt OpernKurzgenuss als Kooperation mit der Oper Graz. Es präsentiert sich als hoch komprimiertes und innovatives Format an außergewöhnlichen Orten der Stadt. Urbane Locations liefern das Bühnenbild für Kurzopern unterschiedlichster Epochen. Mit Gian-Carlo Menottis „Das Telefon“ ist im Juni die insgesamt vierte derartige Produktion zu erleben – als Open-Air auf der Murinsel (Premiere am 17. Juni).
Rektorin Elisabeth Freismuth hat das Studienjahr 2016/17 an der Kunstuniversität Graz, in dem auch das 200jährige Jubiläum des 1816 gegründeten Hauses begangen wird, unter ein Friedrich Hebbel entlehntes Motto gestellt: „Die Kunst ist das Gewissen der Menschheit“. Dem entsprach auch die Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ in der Regie von Ernst M. Binder. Er zeigte Humperdincks Märchen-Oper als Flüchtlingsdrama um zwei unbegleitete Minderjährige. Binder hat den durchschlagenden Erfolg seiner Premiere nicht mehr erlebt. Er ist am Abend davor plötzlich verstorben. Er fehlt.
An das Gewissen der Menschheit appellieren auch Georg Kaiser und Kurt Weill mit ihrem Bühnenspiel „Der Silbersee“ (Premiere am 10. Juni). Uraufgeführt im Jahr 1933 wenige Wochen vor Weills Flucht vor den Nazis, präsentiert es sich als sozialkritischer Krimi und politische Parabel zugleich. Vor dem Hintergrund brennender sozialer Konflikte der Zwischenkriegszeit entwickelt das Stück seine Handlung rund um Fragen von Schuld und Sühne. Für Regisseur Lorenzo Fioroni haben die Schilderungen von Not und Entbehrungen auf der einen und Besitzstandwahrung auf der anderen Seite im Zeitalter des „internationalen Raubtierkapitalismus“ höchste Aktualität. Gemeinsam mit dem Ausstatter Christoph Gehre (Student der Bühnengestaltung) entwirft er ein zeitloses Szenario, das die historische Botschaft immer wieder auf eine allgemeine Ebene hebt. Die musikalische Leitung der Produktion hat Dirk Kaftan, derzeit Chefdirigent an der Grazer Oper, ab 1. August 2017 Generalmusikdirektor in Bonn.
Auch in der kommenden Saison steht mit ELEKTRIC DREAMS von Matthew Shlomowitz ein Preisträgerwerk des Johann-Joseph-Fux-Opernkompositonswettbewerbs auf dem Programm. Und auch 2017/18 servieren Oper und Kunstuniversität Graz wieder OperKurzgenüsse: Bespielt werden das Innere des Grazer Schlossbergs (Dom im Berg), die gläserne „Needle“ des Kunsthaus Graz sowie der Landhaushof mit seinen berühmten Renaissance-Arkaden.
Und als Hauptproduktion präsentiert René Zisterer im MUMUTH eine kleine Sensation: die Erstaufführung von Hans Werner Henzes Oper „Gogo No Eiko“, auf der Grundlage eines Romans des japanischen Autors Yukio Mishima. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Titel „Das verratene Meer“. 2006 wurde die Oper bei den Salzburger Festspielen konzertant uraufgeführt. Eine szenische Umsetzung gab es bisher im deutschen Sprachraum noch nicht.