Fast ein Fünftel der Professuren: französisch besetzt. Die kontinuierlich und mit Abstand größte Gruppe ausländischer Studierender: Französinnen und Franzosen. Die Beziehungen zu Frankreich: lang gewachsen und herzlich. Die Hochschule für Musik Freiburg ist seit ihrer von der französischen Besatzungsverwaltung geförderten Gründung deutsch-französisch geprägt. Im Jahr 2020 baute sie die Beziehungen mit der Université de Strasbourg und der Haute école des arts du Rhin (HEAR)/Académie supérieure de musique de Strasbourg weiter aus: durch ein gemeinsames, deutsch-französisches Doktorandenkolleg für künstlerische Forschung. Ein Jahr später ziehen die Vorstandsmitglieder bei einem Treffen im Schwarzwald Resümee.
Das Doktorandenkolleg „Collège doctoral européen d‘interprétation et de création musicales” („Europäisches Doktorandenkolleg für musikalische Interpretation und künstlerische Forschung“, kurz: „Collège doctoral franco-allemand“, CDFA) ist das erste kooperative Doktorandenkolleg seiner Art in Europa. Bis zu 34 Promovierende der Hochschule für Musik Freiburg, der Université de Strasbourg und der Académie supérieure de musique de Strasbourg können hier eine strukturierte, künstlerisch-wissenschaftliche Promotion absolvieren. Für die Freiburger Hochschule ist das eine konsequente Weiterführung ihrer trinationalen Ausrichtung und ihrer besonderen Rolle im Dreiländereck, erklärt Ludwig Holtmeier, Rektor der Hochschule für Musik Freiburg und Initiator des Projekts: „Unsere Hochschule hat schon immer eine deutliche Ausstrahlung nach Frankreich hinein. Für viele elsässische Musikerinnen und Musiker ist sie bereits so etwas wie eine regionale, fast schon französische Hochschule von internationalem Rang, nur eben ein paar Kilometer hinter der Grenze. Wer sich bei uns durch die Konzertsäle oder Flure bewegt, hört sehr viel Französisch.“
Das transnationale Doktorandenkolleg CDFA vereint wissenschaftliche und künstlerische Expertise auf höchstem Niveau. Mit der Université de Strasbourg ist eine der renommiertesten und mit über 50.000 Studierenden größten Universitäten Frankreichs mit im Boot, die in ihrer mehr als 500-jährigen Geschichte zahlreiche Nobelpreisträgerinnen und -preisträger hervorgebracht hat. Die Haute école des arts du Rhin (HEAR)/Académie supérieure de musique de Strasbourg genießt in Musikkreisen ebenfalls einen exzellenten Ruf und hohes Ansehen. Sie ist mit der Straßburger Universität im „enseignement supérieur“ bereits seit dem Jahr 2011 eng verbunden.
Die Hochschule für Musik Freiburg zählt zu den führenden Musikhochschulen Europas. Sie hat insbesondere seit der Gründung des gemeinsam mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg betriebenen „Freiburger Forschungs- und Lehrzentrums Musik“ (FZM), dem Landeszentrum für musikalische Forschung des Landes Baden-Württemberg, einen besonderen Schwerpunkt in der Musikforschung.
Lücke in der Forschungslandschaft geschlossen
Mathieu Schneider, Vizepräsident der Université de Strasbourg und selbst Musikwissenschaftler, hat das Projekt maßgeblich mit vorangetrieben. „Unser Ziel ist es, mit dem CDFA ein exzellentes Studienangebot von internationaler Ausstrahlung im Bereich künstlerischer Forschung zu etablieren. Dafür haben wir gemeinsam mit unseren Partnern in Freiburg neue Strukturen geschaffen und das gemeinsame Doktorandenkolleg zu Beginn des Akademischen Jahres 2020/2021 eröffnet“, berichtet Mathieu Schneider. Das CDFA wird durch die Université franco-allemande (Deutsch-Französische Hochschule) gefördert und ist das erste deutsch-französische Doktorandenkolleg im Bereich der künstlerischen Forschung. Promovierende erhalten finanzielle Unterstützung, etwa in Form von Mobilitätszuschüssen für Fahrten zwischen den Hochschulen in Deutschland und Frankreich. In der Deutsch-Französischen Hochschule füllt das CDFA eine Leerstelle, denn bislang gab es überhaupt noch keine deutsch-französischen Doktoratsprogramme im Bereich der musikalischen Forschung.
Getragen wird das Doktorandenkolleg von den beteiligten Institutionen, was bedeutet: Es gibt eine gemeinsame Studienordnung, gemeinsame Kommissionen und eine gemeinsame Kollegsleitung. Bewerberinnen und Bewerber müssen die deutsch-französische Jury des CDFA in einer Aufnahmeprüfung von ihrem Promotionsprojekt überzeugen. Werden sie vom Promotionsausschuss als Promovierende angenommen, profitieren sie von den Einrichtungen auf deutscher und auf französischer Seite. Es gibt regelmäßige, für alle Promovierenden und Betreuenden verpflichtende gemeinsame Seminare, die abwechselnd in Freiburg und Straßburg stattfinden. Den Promovierenden steht die Infrastruktur aller drei Institutionen zur Verfügung.
Betreut werden sie von den Professorinnen und Professoren der drei beteiligten Hochschulen. Alle Promovierenden werden jeweils von einer/m „directrice/directeur scientifique“ und einer/m „directrice/directeur artistique“ betreut. Die Betreuung kann auch institutionenübergreifend stattfinden. So werden etwa einige Promovierende künstlerisch in Straßburg und wissenschaftlich in Freiburg betreut und umgekehrt. Neben der schriftlichen Dissertation, der Disputation und der künstlerischen Präsentation („récital“) müssen in dem dreijährigen, strukturierten Studienprogramm noch weitere Studienleistungen erbracht werden. Es wird mit der Graduierung zum „Ph. D.“ abgeschlossen.
Wissenschaftlicher und künstlerischer Anteil
Am CDFA werden nur künstlerisch-wissenschaftliche Promotionsprojekte angenommen, erklärt Claudia Spahn, Mitglied des Kollegsvorstands und Prorektorin für Forschung und Internationales an der Hochschule für Musik Freiburg: „Die Auswahl der Promovierenden erfolgt zum einen nach ihrem künstlerischen Niveau, das sehr hoch sein muss. Einige der aktuell Promovierenden sind bereits erfolgreich als Künstlerinnen und Künstler oder Komponistinnen und Komponisten tätig. Gleichzeitig müssen zum anderen die wissenschaftliche Expertise der Bewerberin oder des Bewerbers und das Promotionsthema so vielversprechend und das Exposé so gut ausgearbeitet sein, dass eine betreuungsberechtigte Wissenschaftlerin beziehungsweise ein Wissenschaftler davon überzeugt wird, die Betreuung zu übernehmen. Da es sich um eine strukturierte Promotion handelt, ist auch ein realistischer Zeitplan wichtig.“
Interaktion von Forschung und Musikpraxis
Die Gründungsmitglieder des CDFA sind davon überzeugt, dass die Interaktion von Forschung und Musikpraxis großes Potenzial birgt, erklärt Vincent Dubois, Direktor der Académie supérieure de musique de Strasbourg: „Wir sind der Ansicht, dass das größte Wissen und die interessantesten Innovationen dann erarbeitet werden, wenn musizierende Forscherinnen und Forscher sowie forschende Musikerinnen und Musiker Hand in Hand tätig sind. Deswegen soll der forschende Blick auf Musik am CDFA nicht von außen, sondern von innen heraus erfolgen. Die Forschenden sollen die Materie, mit der sie sich beschäftigen, auch praktisch beherrschen, sie sich also auch spielend oder singend erschließen können.“
Bilanz: Hohe Akzeptanz, lebendiger Austausch
Nach einem Jahr sind 14 Promovierende am CDFA eingeschrieben. Die Bewerbungszahlen waren von Anfang an hoch und steigen weiter. Die Aufnahmeprüfungen finden einmal pro Jahr abwechselnd in Freiburg oder in Straßburg statt.
Die Bilanz ein Jahr nach dem Start ist rundum positiv: Bei ihrem jährlichen Bilanztreffen im Schwarzwaldort St. Märgen bei Freiburg berichten die Vorstandsmitglieder, dass das CDFA großen Zuspruch und hohe Akzeptanz erfahre und sich ein lebendiger Austausch entwickelt habe. „Die geringe Distanz zwischen den Städten wird tatsächlich ‚gelebt‘. Die Kontakte zwischen den Institutionen gehen weit über den Kontext des Doktorandenkollegs hinaus. Und um diese alltäglich praktizierte Nähe geht es ja in der transnationalen Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Region“, hebt Ludwig Holtmeier hervor.
Das „Collège doctoral franco-allemand“ (CDFA):
- Gemeinsames Doktorandenkolleg von Hochschule für Musik Freiburg, Université de Strasbourg und Haute école des arts du Rhin (HEAR)/Académie supérieure de musique de Strasbourg
- Erstes kooperatives Doktorandenkolleg seiner Art in Europa
- Bietet strukturierte, künstlerisch-wissenschaftliche Promotionsmöglichkeit für bis zu 34 Promovierende
- Vereint wissenschaftliche und künstlerische Expertise auf höchstem Niveau
- Wird gefördert durch die Université franco-allemande (Deutsch-Französische Hochschule)
Weitere Informationen zum CDFA und zum Bewerbungsprozess gibt es unter:
www.mh-freiburg.de/forschung/college-doctoral-franco-allemand