Mit der Roten Liste bedrohter Kultureinrichtungen, einer Analogie zu den Roten Listen bedrohter Tier- und Pflanzenfamilien, stellt der Deutsche Kulturrat alle zwei Monate in seiner Zeitung „Politik & Kultur“ gefährdete Kulturins-titutionen, -vereine und -programme vor. Ziel ist es, auf den Wert einzelner Theater, Museen oder Orchester, seien sie Teil einer Kommune oder einer Großstadt, hinzuweisen. Politik & Kultur stellt dazu die Arbeit einzelner Einrichtungen vor und teilt sie ein in Gefährdungskategorien von 0 (bereits geschlossen) bis 4 (Gefährdung aufgehoben).
Im Sommer tauchte auf dieser Liste der Studiengang Kirchenmusik an der HfK Bremen auf. Durch den Anfang August vom Bremer Senat beschlossenen „Wissenschaftsplan 2020“, durch den die Bremer Hochschulen Planungssicherheit erhalten sollen und „effizientere“ Forschungsschwerpunkte gesetzt werden sollen, ist für alle Bremer Hochschulen Sparen angesagt. Betroffen ist der Studiengang Kirchenmusik für beide Konfessionen an der Hochschule für Künste. Da die im Wissenschaftsplan vorgesehenen Mittel nicht ausreichen werden, das Studienangebot der HfK aufrecht zu erhalten, ist die Hochschule gezwungen, auch die Notwendigkeit und Finanzierbarkeit des Studienangebots Kirchenmusik zu überprüfen. Sparen kann der Rektor der HfK, Prof. Dr. Herbert Grüner, im Grunde nur über Personal. Wegfallen würde eine Professoren-Stelle für Orgelmusik und Chorleitung sowie zahlreiche ergänzende Lehraufträge. Studierende und Hochschule kritisieren die Pläne des Senats seit Monaten.
Bremen zeichnet sich durch eine jahrhundertelange Kirchenmusiktradition aus. In den Bremer Hauptkirchen St. Petri Dom, St. Martini, St. Stephani und Walle befinden sich wertvolle historische, romantische und moderne Orgeln. Durch den großen Schatz an Arp-Schnitger-Orgeln im Nordseeraum steht den Orgel- und Kirchenmusikstudierenden ein weltweit einmaliger Fundus an historischen Orgeln zur Verfügung. Das Arp-Schnitger-Institut für Orgel- und Orgelbau an der HfK Bremen (Leitung Prof. Dr. Hans Davidsson) trägt durch seine Forschungsprojekte mit dazu bei, dieses kulturelle Erbe zu erhalten.
Das Problem Kirchenmusik ist nicht nur ein bremisches, sondern besitzt bundesweite Relevanz. Friederike Woebcken, Professorin für Chorleitung an der HfK, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sowohl die evangelische wie die katholische Kirche in allen Bundesländern junge Kantoren suchen: „Durch die Zusammenlegung kleiner Gemeinden, die nur mit nebenamtlichen Kantoren ausgestattet waren, stehen mehr Geldressourcen zur Verfügung. Es werden in den kommenden Jahren neue hauptamtliche Kirchenmusikstellen entstehen. Die Bremer Alumni-Recherche der letzten 10 Jahre (erstellt im Mai 2012) belegt eindrucksvoll, dass etwa 90 Prozent der HfK-Kirchenmusikabsolventen in festen kirchlichen Anstellungen sind, zum großen Teil in gehobener Position (A-Stellen) an namhaften Kirchen.“
Bachelorstudierende versorgen in der Regel die nebenamtlichen Stellen in Bremen und Umgebung. Das Bachelorstudium soll es den Sparplänen zufolge zukünftig nicht mehr geben. Mit der verbleibenden, von den Kirchen finanzierten, halben Orgeldozentur (neun Stunden) kann die Hochschule einen kompletten Bachelor-Master-Studiengang vermutlich nicht aufrechterhalten. Der Master bleibt zwar, durch den Verzicht auf den Bachelor bricht jedoch die Basis des Kirchenmusikstudiums weg.
Die Hoffnung für den Erhalt des Studiengangs mit beiden Abschlüssen Bachelor und Master liegt auf einer Außenfinanzierung, etwa durch die Kirchen der beiden Konfessionen und/oder private oder öffentliche Stifter. ak