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Bernd Redmann. Foto: HMTM
Bernd Redmann. Foto: HfMuT München
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Belastende Situation für die Münchner Musikhochschule

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Die nmz im Gespräch mit Präsident Bernd Redmann über Regelungslücken und Richtlinien
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Der frühere Präsident der Hochschule für Musik und Theater München, Siegfried Mauser, ist im Mai dieses Jahres wegen sexueller Nötigung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Mauser in Berufung gegangen ist. Die Vorwürfe reichen in seine Zeit als Hochschulpräsident zurück. Anfang Juni trat die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) zu ihrer Sommertagung in Weimar zusammen. Unter anderem wurde dort eine Arbeitsgruppe gegründet, die Richtlinien zum Thema sexuelle Diskriminierung, Beläs­tigung und Übergriffe erarbeiten soll. Andreas Kolb sprach mit Bernd Red­mann, Präsident der Hochschule für Musik und Theater München, über die Auswirkungen auf sein Institut.

neue musikzeitung: Auf der jüngsten Rektorenkonferenz der Musikhochschulen wurde eruiert, an welchen Hochschulen es ausgeformte Richtlinien zum Thema sexuelle Belästigung und berufliche Diskriminierung gibt. Um was geht es dabei?

Bernd Redmann: Wir Rektoren haben uns vorgenommen, in einer Arbeitsgruppe einen Entwurf für Richtlinien zu machen, die für alle deutschen Musikhochschulen gute Grundlagen darstellen. Jede Musikhochschule kann dann entscheiden, ob sie diese Richtlinien – gegebenenfalls auch modifiziert – übernehmen möchte. Es ist nicht das erste Mal, dass das Thema auf der Rektorenkonferenz angesprochen wurde, das Thema hat gesellschaftliche Aktualität. Die gesellschaftliche Sensibilität zum Thema sexueller Diskriminierung, Belästigung oder Übergriffe hat zugenommen in den letzten Jahren. Das ist ein wichtiger und positiver Entwicklungsschub. Der Gesetzgeber muss darauf reagieren, auch wir als Musikhochschulen sind aufgerufen, uns damit auseinanderzusetzen.

nmz: Sind Künstlerische Hochschulen eher betroffen?

Redmann: Unsere Ausbildungsbereiche sind, was dieses Thema betrifft, sensible Bereiche. Wir haben sehr viel Einzelunterricht. Es geht in Musik um Emotionen, es geht um persönliche Begegnung. Ein Stück weit wäre professionelle Musikausbildung unmöglich, wenn dieser persönliche Kontakt und Zugang zwischen Lehrenden und Studierenden nicht gegeben wäre. Das bedeutet, dass die Lehrenden ein hohes Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen müssen, diesen engen Bezug zu ihren Studierenden so auszuüben, dass keine Übergriffe stattfinden.

nmz: Welche konkreten Auswirkungen hat die Arbeitsgruppe für die Münchener Hochschule?

Redmann: Wir haben im Haus Vorarbeiten geleistet. 2013 wurde von einer Arbeitsgruppe ein Flyer aufgelegt „Nein heißt Nein“, der auch an anderen Musikhochschulen Beachtung gefunden hat. Die Grundidee „Nein heißt Nein“ formuliert ein Ziel, das von der damaligen und bis heute gültigen Gesetzeslage noch gar nicht erreicht wird. Nämlich dass eine verbale Abwehr einer Handlung des Gegenüber zum Markieren einer Grenze ausreicht. In der aktuell diskutierten Gesetzesnovelle soll diese Forderung nun auch in der Rechtsprechung umgesetzt werden. Wir haben an der Hochschule schon Ende letzten Jahres eine AG zu dieser Thematik eingerichtet, um differenziertere Richtlinien zu erarbeiten. Die Ergebnisse dieser AG werden noch vor der Sommerpause in Senat und Hochschulrat besprochen. Sie werden in die nun neu gegründete AG der Rektorenkonferenz als Input einfließen.

nmz: Die Bundesbeauftragte für Diskriminierung, Margot Weber, gab den Hinweis, Studenten seien weniger gut geschützt als Verwaltung und Lehre.

Redmann: Das ist eine rechtliche Lücke, die es zu schließen gilt. Es geht nicht nur um den Fall, dass Studierende Opfer von Übergriffen werden –  Übergriffe können auch von diesen begangen werden. Es gibt an Musikhochschulen verschiedene Beteiligtengruppen: Verwaltung, Lehre, Studierende, Lehrbeauftragte, Festangestellte im Mittelbau, Professoren. In jeder Gruppe gibt es ein eigenes disziplinarrechtliches Instrumentarium an Aktionsmöglichkeiten, wenn Übergriffe begangen werden. Das gleiche gilt beim Opferschutz. Die Lücken sind bei den Studierenden am größten, sowohl was die Opfer- als auch was die Täterseite angeht. Da existiert eine Regelungslücke, die wir mit den Richtlinien der genannten Arbeitsgruppe der Hochschulrektorenkonferenz schließen wollen.

nmz: In der Musikhochschule München fand am 28. April eine Vollversammlung zu den Themen sexuelle Belästigung, Diskriminierung jeglicher Art, Mobbing, Stalking und körperliche Gewalt statt. Welches Feedback haben Sie darauf erhalten?

Redmann: Die Kernaussagen der Veranstaltung und die differenzierten Diskussionsbeiträge wurden inner- und außerhalb der Hochschule durchweg positiv aufgenommen. Es wurde auch die Ermutigung an eventuelle Opfer von Übergriffen ausgesprochen, sich vertraulich bei den Ansprechpartnern und -partnerinnen der Hochschule zu melden. Es gab in den letzten Wochen jedoch keine weiteren Gesprächswünsche. Weitere aktive Maßnahmen sind geplant, etwa eine anonymisierte Befragung aller Hochschulmitglieder zu diesem Thema. Die soll uns dazu dienen, etwaige Handlungsbedarfe zu ermitteln: Gibt es an unserer Hochschule Formen sexueller Diskriminierung, Belästigungen oder Übergriffe. Wir wollen eine sichere Basis gewinnen.

nmz: Kann die Hochschule Stellung beziehen zum aktuellen Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Siegfried Mauser und auch gegen einen inzwischen vom Dienst suspendierten Kompositionsprofessor?

Redmann: Die Hochschule möchte, dass das Verfahren gegen Prof. Dr. Mauser rechtsstaatlich zu einem Abschluss gebracht wird. Von Anfang an haben wir die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft unterstützt. Jetzt vertrauen wir darauf, dass das Verfahren zu einem gerechten Urteil führt. Wir haben keinen Einblick in die Details der Ermittlungen. Natürlich ist es eine belastende Situation für unsere Hochschule. Der zweite Fall kommt auf uns zu. Die Ermittlungen sind noch nicht ganz abgeschlossen. Ob Anklage erhoben wird, ist Entscheidung des Staatsanwalts. Es ist offen, ob das Gericht die Anklage zulässt. Insgesamt geht es nicht um aktuelle Probleme, sondern um Vorwürfe, die in der Hauptsache etwa zehn Jahre zurückliegen und sich über einen langen Zeitraum erstrecken.

nmz: Die Münchener Hochschule steht durch die Personalie Mauser also im Scheinwerferlicht?

Redmann: Natürlich wünschen wir uns Öffentlichkeit und Berichterstattung der Presse eigentlich zu unserer erfolgreichen Ausbildungsarbeit. Aber wir versuchen, dieses Scheinwerferlicht produktiv zu nutzen indem wir zeigen, dass wir alles dafür tun, um unsere Hochschulmitglieder bestmöglich gegen sexuelle Übergriffe zu schützen und im erweiterten Sinne gegen jede Form von Diskriminierung.

nmz: Die Musikhochschule München hat eine Frauenbeauftragte plus zwei Stellvertreterinnen. Konnten diese schon in die laufenden Verfahren eingreifen?

Redmann: Die Aufstockung auf drei Stellen ist erst in jüngster Vergangenheit erfolgt. Generell ist es unsere Linie, den Betroffenen die Schwellenangst davor zu nehmen, mit ihrem Erlebnis nach außen zu gehen. Das ist der entscheidende Schritt: dass die Täter konfrontiert werden. Durch das erweiterte Handlungsinstrumentarium an der Hochschule wollen wir diese Schwellenangst senken.

nmz: Wäre Mediation anstelle von juristischen Konsequenzen denkbar?

Redmann: Das möchte ich nicht so vereinfachen. Da muss man sehr genau differenzieren zwischen strafrechtlich relevanten Übergriffen und einem weiten Feld, das unter „Beläs-tigung“ zusammengefasst ist. In diesem engeren Bereich gibt es vielleicht die Möglichkeit, durch Mediation und Kommunikation wieder Klüfte zu überbrücken. Wenn dies nicht der Fall ist, muss die Hochschule dafür sorgen, dass die Arbeitsbereiche der Parteien auseinander dividiert werden. 

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