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Bewährte Strukturen, neue Impulse

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Umbruch an der Jazzabteilung der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim
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Unlängst verwies „Die Zeit“ auf Frank-Walter Steinmeier und die These „Der Jazz gehört zu Deutschland!“ – dieser Satz müsste doch jetzt mal drin sein. Auch wenn dieser Satz bislang noch nicht gefallen ist, hat die Jazzausbildung an deutschen Musikhochschulen seit vielen Jahren einen festen Platz. So lange, dass mittlerweile die erste Professoren-Generation in den Ruhestand geht. An der Musikhochschule in Mannheim ist ein solcher Generationenwechsel gerade in vollem Gange.

Eigentlich sollte nach dem Wunsch des damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth in Mannheim eine Musical- und Showakademie unter Caterina Valente entstehen. Im Prinzip eine vorausschauende Idee in einer Zeit, in der populäre Musik und Kultur in der Hochschullandschaft noch keinen sehr hohen Stellenwert besaßen. Auch wenn diese Pläne letzten Endes wieder gekippt wurden, führten sie doch zur Gründung einer Jazzabteilung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Jürgen Seefelder und Jörg Reiter waren die ersten Professoren dieser Abteilung und erarbeiteten ein Curriculum für die Ausbildung.

Der Schwerpunkt liegt demnach seit der Gründung 1994 vor allem auf einer guten handwerklichen Ausbildung der Musiker. Zu diesem Handwerk zählen neben einem Verständnis für komplexe Harmonien und Rhythmen vor allem Improvisation und Interaktion im Zusammenspiel. Es soll ein Know-how vermittelt werden, um sich in den verschiedenen stilistischen Bereichen des Jazz und der populären Musik sicher bewegen und dies auch pädagogisch fundiert vermitteln zu können. Dieses Handwerk wird neben den theoretischen Fächern besonders in verschiedenen Ensembles vermittelt, die es zu unterschiedlichen Stilistiken gibt. Die Grenzen von Jazz zu anderen Formen populärer Musik sind hier fließend. Daher gibt es auch Kooperationen mit der Popakademie und der orientalischen Musikakademie, die den musikalischen Horizont der Studenten erweitern.

Um das musikalische Handwerk zu professionalisieren, gibt es das vierjährige Bachelor-Studium Jazz/Popularmusik. Der aufbauende zweijährige Master-Studiengang bietet den Studierenden aufgrund weniger Pflichtveranstaltungen die Möglichkeit, an ihrem künstlerischen Profil zu arbeiten. Fachbereichssprecher Prof. Frank Kuruc betont, dass alle Absolventen unterschiedlich klingen und es von Seiten der Hochschule kein stilistisches oder klangliches Ideal gibt, das die Studierenden anstreben müssen. Die Individualität der Studenten sei das Wichtigste. Entsprechend ist diese auch schon ein wichtiges Kriterium bei den Aufnahmeprüfungen.

Auf die berufliche Situation der Absolventen angesprochen, betont er, dass fast alle Studenten einen Platz in der Musiklandschaft gefunden haben und ergänzt: „Wenn man Musik nur aus der Motivation heraus studiert, dass man Geld verdienen möchte, gibt es viel bessere Sachen, die man studieren kann. Mit Musik Geld zu verdienen, war noch nie leicht, aber möglich.“

Das Jahr 2020 ist für die Jazzausbildung in Mannheim in zweierlei Hinsicht ein ganz besonderes. Da wäre zunächst die Herausforderung des „digitalen Semesters“. Vieles ist hier online möglich. Prof. Bernhard Meyer betont hier auch die Vorteile des Onlineunterrichts, da gerade anhand von Videos, die die Studierenden aufnehmen, im Nachhinein sehr genau auf Details eingegangen werden kann. Gemeinsames Musizieren in Echtzeit funktioniert jedoch nicht. Hier liegt der Schwerpunkt, besonders bei den Ensemblefächern, im Analysieren von Songs und der Fragestellung, wo Schwierigkeiten auftreten und wie diese zu bewältigen sind.

Darüber hinaus ist die ganze Abteilung von einem Umbruch gekennzeichnet. Gegenwärtig sind drei der insgesamt elf Professuren neu ausgeschrieben. Vor kurzem wurde Rainer Böhm, ein Alumnus des Hauses, zum neuen Professor für Jazz-Piano ernannt. Robert Landfermann und Bernhard Meyer wurden gerade als Professoren für Jazz-Kontrabass und Jazz-Elektrobass berufen. Alle stammen aus einer Generation, die ihr Handwerk selbst an deutschen Musikhochschulen erlernt hat und für die Jazz aus Europa und Deutschland den gleichen Stellenwert hat wie der aus dem Mutterland USA. Bei einem solchen Umbruch stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob und wenn ja, wie sich der Jazz in den letzten Jahren geändert hat und wie eine Hochschule dem begegnen soll oder muss.

Strukturell wird in näherer Zukunft die Ausbildung nicht sehr von dem bewährten System abweichen, erklärt Prof. Kuruc. Vielleicht ist ein bewährtes Ausbildungssystem in Zeiten einer sich schnell ändernden Musiklandschaft auch eine gute Sache. Wenngleich sich die Tonerzeugung und Soundästhetik in den letzten Jahren auch im Jazz gewandelt haben, sind die grundlegenden Strukturen jedoch gleich geblieben. Es bleibt abzuwarten, in welcher Form sich eine Ausbildung mit einer neuen Generation von Professoren ändert, die eine gänzlich andere musikalische Sozialisation haben.

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