Bonn - Seine 9. Sinfonie schrieb Beethoven, als er fast nichts mehr hören konnte. Die tragischen Umstände machen die Bewunderung für sein Werk umso größer. Heute hätte man ihm wohl helfen können, sagen Mediziner. Bei einer Fachtagung geht es um den Patienten Beethoven.
Ludwig van Beethoven war in seinen letzten Lebensjahren fast völlig ertaubt. Heute könnte der Komponist (1770 -1827) mit Hilfe der Medizin wahrscheinlich weiter hören. Zwar kenne man die genaue Diagnose seiner Hörstörung nicht, sagte der Freiburger Musikermediziner Bernhard Richter bei einer Fachtagung am Universitätsklinikum Bonn zum Thema «Ludwig van Beethoven - der Gehörte und der Gehörlose». Heute würde man ihn vermutlich operieren oder ihm ein Hörgerät oder elektronische Hörhilfen geben. Damit hätte man auf jeden Fall seine Fähigkeit verbessern können, sich mit anderen zu unterhalten.
Als fast vollkommen ertaubter Musiker komponierte er einen Teil seiner bedeutendsten Werke, so auch die weltberühmte 9. Sinfonie mit der «Ode an die Freude» oder die Missa Solemnis. Die tragischen Lebensumstände begründen einen Teil der Bewunderung für den in Bonn geborenen Komponisten. Bei der bis Samstag dauernden Tagung im Rahmen des Jubiläums zum 250. Geburtstag behandeln Musikwissenschaftler und Mediziner das Phänomen Beethoven, auch mit Blick auf seine Psyche.
Der Komponist hörte in seinen letzten Lebensjahren so schlecht, dass er sich seit 1818 mit Hilfe von Konversationsheften verständigte: Dort schrieben seine Gesprächspartner ihre Bemerkungen hinein, Beethoven las mit und antwortete. Er benutzte auch Hörrohre, um Unterhaltungen besser zu verstehen. Diese großen Geräte werden im Bonner Beethovenhaus, dem Geburtshaus des Komponisten, ausgestellt.
Der Komponist habe mehrere Krankheiten gehabt, sagte der Freiburger Musikermediziner Richter. «Alle denken immer an die Schwerhörigkeit. Gelitten hat er aber sehr stark unter Bauchbeschwerden.» Die habe er Zeit seines Lebens gehabt, wochenlang lag er deshalb im Bett. «Deswegen hat er häufiger nicht komponieren können als wegen seiner Schwerhörigkeit», sagte Richter. Die Hörprobleme wurden unter anderem mit Tropfen aus Mandelöl oder Meerrettich behandelt.
«Ich bin ... beynahe immer krank», hatte Beethoven einmal berichtet. Musikermediziner Richter sagte, der Komponist habe auch fortwährend große Ängste gehabt und mehrfach davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen. «Er hat um sich herum schwere Krankheiten erlebt», sagte er über die Jahre des jungen Beethoven in Bonn. Seine Mutter sei vermutlich an Tuberkulose gestorben, der Vater nach ihrem Tod in Trunksucht verfallen. «Er musste mit unter 20 Jahren für seine jüngeren Brüder aufkommen.»
Bei der Tagung geht es auch um das Kapitel Frauen. Über Beethovens viele - und letztlich vergeblichen - Versuche, eine Frau zu finden, sei viel bekannt, sagte Richter. Beethoven, der die meiste Zeit seines Lebens in Wien verbrachte, habe sich immer dem Adel zugehörig gefühlt und sich ständig in seine Klavierschülerinnen verliebt.