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Ein gelbes Theatergebäude mit kleinen Palmen- und Kakteengewächsen vor dem Eingang.

Das Lehár Theater in Bad Ischl ist Schauplatz des Short Operetta Festivals. Foto: Daniel Leitner (www.badischl.at)

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Böse Operette

Vorspann / Teaser

Das Bad Ischler Lehár Theater wird im Rahmen der Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 in Kooperation mit der Universität Mozarteum und dem Lehár Festival zum Austragungsort eines Short Operetta Festivals, das die von den Nationalsozialisten verdammte Operette wiederbeleben möchte.

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„Die Region hat eine große Theatergeschichte, in der Gegend ist viel Literatur entstanden. Für dieses Potenzial, diese Tradition, die in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde, wollen wir Starthilfe geben: Wie kann man es schaffen, Theater in eine Region (zurück) zu bringen?“ Diese Frage steht für Alexander Charim, Regisseur, Kurator und Projektleiter bei der Kulturhauptstadt Salzkammergut, im Zentrum des vielfältigen Programms. Am 2. und 3. Juli zeigt das Short Operetta Festival im Lehár Theater drei Uraufführungen von jungen Komponist:innen und Librettist:innen, die in einem Wettbewerb ausgesucht wurden: zeitgenössische Operetten von aufstrebenden Teams, inszeniert von Studierenden der Universität Mozarteum aus den Bereichen Schauspiel, Regie, Szenografie, Gesang und Orchester sowie dem französischen Ensemble Multilatérale, das im Rahmen der Akademie ARCO 2024 wieder in Salzburg zu Gast sein wird. 

Die „böse“ Operette wurde als Genre vom Nationalsozialismus völlig zerstört, wegen des angeblich skandalösen Einflusses der Musik und wegen der überwiegend jüdischen Autor:innen. Nicht nur private Theater wurden zu dieser Zeit vernichtet, auch die für die Operette typische, spezielle Art von Humor und der überaus kritische Umgang mit Zeitgeschichte. Was heute fast ausschließlich als Kitsch und Nostalgie wahrgenommen wird, war einst eine hochpolitische Form des Theaters. „Die Teilnahme von jungen Künstler:innen mit heutigen Positionen, das, was wir mit den Short Operettas machen wollen, gibt es in der Region sehr wenig. Dabei war Bad Ischl in den 20er- und 30er-Jahren ein totaler Operetten-Hotspot! Die gesamte Wiener Operettenszene verbrachte hier ihre Sommerfrische und belebte den Ort. In einem satirischen Zeitungsartikel aus dieser Zeit habe ich den Satz gefunden: Hier sitzen an jeder Ecke drei Librettisten.“ Die Jury bestand aus Elisabeth Gutjahr und Christoph Lepschy (Universität Mozarteum), Magdalena Hoisbauer (Volksoper Wien), Thomas Enzinger und Angela Schweiger (Lehár Festival Bad Ischl) und Alexander Charim (Kulturhauptstadt Bad Ischl 2024). Das Ausloten der inhaltlichen Bandbreite aktueller Themen einerseits und das Finden von modernen Herangehensweisen an das Genre andererseits rücken das kritische und subversive Potenzial der Operette in ihrer „Heimatstadt“ wieder ins Licht – wenn auch die Themen nicht überraschen, die Werke befassen sich mit der unmittelbaren Gegenwart, dem Klimawandel, Kapitalismus, mit Rechtsextremismus und mit rechten gesellschaftlichen Tendenzen.

„Die schrumpfende Stadt“ von Lea Willeke (Libretto) und Tanja Elisa Glinsner (Komposition) ist eine Parabel auf den Klimawandel und setzt sich humorvoll mit der dystopischen Fabel einer schrumpfenden Stadt aufgrund einer klimatischen Veränderung auseinander. Fernando Strasnoy (Komposition) und Giuliana Kiersz (Libretto) beschäftigen sich in „L’écosystème humain?“ mit der Sprache rechter Politiker:innen und experimentieren mit Textbausteinen. „The Bat Bomb“ von Alexander R. Schweiß (Komponist) und Lena Reißner (Libretto) ist ein Gedankenexperiment zu einem absurden Vorschlag eines Wissenschaftlers an den amerikanischen Präsidenten während des Zweiten Weltkriegs: Fledermäuse mit Brandbomben zu bestücken und damit in japanischen Städten Angst und Schrecken zu verbreiten. „In den 20er- und 30er-Jahren war die Operette etwas, mit dem Lebensentwürfe auf die Probe gestellt, neue Aspekte ausprobiert wurden – gerade im Bereich der weiblichen Emanzipation oder Selbstbestimmung. Uns ist wichtig, dass alles mit Humor passiert und Gegensätze aufgebrochen werden, zwischen dem Ernsten und dem Unterhaltsamen, zwischen der politischen Botschaft und der leichten Kost.“ Für Alexander Charim holt dies auch die Frage nach dem Unterhaltungstheater der zukünftigen Generation in den Vordergrund, welche Art von Theater für die „Generation Netflix“ funktioniert und ob beziehungsweise welche neuen Möglichkeiten Theater hier bieten kann. Der Vorhang hebt sich also für eine kühne Reise in die Welt der Operette, um Vergangenes zu würdigen, die Gegenwart zu hinterfragen und die Zukunft des Theaters neu zu gestalten.

salzkammergut-2024.at

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