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Der Pianist Michail Lifits. Foto: Felix Broede
Der Pianist Michail Lifits. Foto: Felix Broede
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Das Feuer entfachen

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Prof. Michail Lifits lehrt als neuer Professor für Klavier in Weimar
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Das Klavierinstitut der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar verjüngt sich und freut sich über hochkompetente Verstärkung: Seit dem Sommersemester 2022 lehrt Michail Lifits als neuer Professor für Klavier in Weimar.

Der 40-Jährige war pädagogisch vorher als Dozent an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover sowie im Rahmen nationaler und internationaler Meisterkurse tätig. Als Gewinner des Busoni-Wettbewerbs blickt er auf eine weltweite Konzerttätigkeit mit Rezitals und als Solist namhafter Orchester zurück. So konzertierte er unter anderem mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Residenzorchester Den Haag, der NDR Radiophilharmonie Hannover, dem Haydn Orchester Bozen, der Hong Kong Sinfonietta und den Münchener Symphonikern. Seit 2011 ist Lifits Exklusivkünstler beim Label „Decca“. Geboren 1982 in Taschkent (Usbekistan), übersiedelte Michail Lifits als 16-Jähriger nach Deutschland. An der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover studierte er in den Meisterklassen von Karl-Heinz Kämmerling und Bernd Goetzke. Weitere pianistische und musikalische Impulse gewann er von seinem langjährigen Mentor Boris Petrushansky an der Accademia Pianistica „Incontri col Maestro“ in Imola, Italien.

Herr Prof. Lifits, worauf kommt es in der Ausbildung junger Pianist*innen besonders an?

Während meiner Arbeit mit den angehenden Künstler*innen möchte ich das Feuer in ihren Augen entfachen und sie zum Leuchten bringen, so dass sie eine tiefe Leidenschaft für das Klavierspiel und ihren zukünftigen Beruf entwickeln. Genau dieses Leuchten in den Augen und die Begeisterung für Musik bringe ich auch als Lehrer mit in den Unterricht: Dadurch entsteht ein musikalischer Energieaustausch auf Augenhöhe. Deshalb fühle ich mich nach einem mehrstündigen Unterrichtstag keineswegs erschöpft, sondern inspiriert. Mein innigster Wunsch ist es, die Liebe der Studierenden zur Musik zu stärken und sie dazu zu bringen, an sich selbst und ihre Fähigkeiten zu glauben. Dabei ist es nicht meine Absicht, homogene Lifits-Schüler*innen zu formen, sondern vielmehr, dass jeder seinen individuellen Weg, seine eigene Handschrift und Persönlichkeit findet. Infolgedessen entsteht ein facettenreiches Kaleidoskop unterschiedlichster musikalischer Persönlichkeiten.

In welcher Weise informieren Sie bereits während des Studiums über die späteren beruflichen Perspektiven?

Natürlich sehe ich es als meine vorrangige Aufgabe an, hervorragende Pianist*innen auszubilden, die es später auf die großen internationalen Konzertpodien schaffen. Dazu nutze ich auch mein eigenes Netzwerk und versuche, meinen Studierenden über die regelmäßig stattfindenden Klassenabende in der Hochschule hinaus, Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen. Zudem ist es jedoch auch von großer Bedeutung, dass die jungen Menschen ein breitgefächertes Interesse für sämtliche Aspekte der Musik entwickeln. Deshalb möchte ich im Studienverlauf unterschiedliche berufliche Wege aufzeigen, indem ich Türen öffne und Neugier wecke. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass die jungen Menschen offen sind und bereits während ihres Klavierstudiums Fächer wie Liedgestaltung, Kammermusik oder auch das Unterrichten für sich entdecken. Dieses „für sich entdecken“ ist weitaus effektiver als ein belehrendes Gespräch, denn anschließend kann man ja beobachten, wofür sie sich am meisten begeistern.

Was sind Ihre nächsten künstlerischen Projekte?

Geplant sind unter anderem ein Schnittke-Projekt in der Hamburger Elbphilharmonie und ein Projekt mit Sabine Meyer bei der Schubertiade Vorarlberg. Bei meiner nächsten CD-Aufnahme bin ich immer noch dabei, mich für ein Programm zu entscheiden – das dauert bei mir stets einige Zeit, weil ich mich als Künstler nicht mit zusammengewürfelten Werken identifiziere. Für mich ist ein roter Faden innerhalb einer Einspielung oder eines Konzertprogramms sehr wichtig. Deshalb habe ich mich noch nicht entschieden, ob ich die acht Impromptus von Franz Schubert als Teil meines fortlaufenden Schubert-Projekts, ein Alfred-Schnittke-Programm für Klavier und Streicher oder lieber eine Chopin-Aufnahme realisieren möchte. Mein Herz muss wirklich für ein Programm brennen, damit ich das Gefühl habe, als Künstler authentisch zu sein. Abschließend möchte ich anmerken, dass sich das Musikgeschäft stetig verändert und der Fokus heutzutage vermehrt auf den Künstler*innen und dem Repertoire liegt, während das Label, unter dem eine Aufnahme erscheint, an Bedeutung verliert. Darin besteht aber auch für junge Menschen eine große Chance, die ihre künstlerischen Projekte in ganz unkonventioneller Weise verwirklichen können.

An welchem Klavierrepertoire hängt Ihr Herz besonders stark?

Das kann ich pauschal gar nicht beantworten. Wie bereits erwähnt, schätze ich die Klaviermusik von Franz Schubert zutiefst. Seine Werke bestechen durch ihre Farbigkeit, Tiefgründigkeit, formale Raffinesse und die zeitlose Qualität, die mich immer in ihren Bann zieht. Schuberts späte Klaviermusik erschafft zudem eine intime, persönliche Atmosphäre und offenbart eine Tiefe und Vielschichtigkeit, die mich immer wieder bewegt. Wenn ich jetzt Leopold Stokowski zitieren darf: „Ein Maler malt seine Bilder auf der Leinwand. Musiker malen ihre Bilder auf der Stille.“ Genau das fasziniert mich so an der Klaviermusik von Schubert, diese unendliche Stille, aus der die Musik herausgezaubert wird. Über Schubert hinaus begeistere ich mich natürlich auch für die Klaviermusik der Wiener Klassik, der Romantik und die Klaviermusik des 20. und 21. Jahrhunderts.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, was war die Schlüsselbegegnung Ihres musikalischen Werdegangs?

Diese Frage kann ich sehr genau beantworten: Als ich im Semi-Finale des Busoni-Wettbewerbs vor der Bühne auf meinen Auftritt mit einem Mozart-Konzert wartete, war ich unheimlich nervös, weil ich das Konzert noch niemals gespielt hatte und mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf schossen, was eine Frau im Backstage-Bereich bemerkte. Sie sprach mich daraufhin an und fragte, warum ich so nervös sei. Nach dem ungeschickten Versuch, meine Nervosität in Worte zu fassen, unterbrach sie mich sehr freundlich und meinte: „Stop! Es geht nicht um Sie. Es geht um die Musik!“ Dieses „Stop. It’s not about you“ hat mein gesamtes Leben verändert. Letztendlich sind wir doch so privilegiert, in der Zeit leben zu dürfen, in der diese wunderbare Musik bereits komponiert wurde und wir sie erleben dürfen. Genau das versuche ich auch meinen Studierenden mit auf den Weg zu geben, dass man sich glücklich schätzen darf, sich mit diesen Meisterwerken identifizieren und ausdrücken zu können.
P.S. Damals gewann ich auch den Sonderpreis für das beste Mozart-Konzert :-)

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jan Kreyßig.

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