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Leipzig/Großhennersdorf (ddp-lsc). Die privaten Oppositionszeitschriften der ehemaligen DDR sollen ab Januar erstmals digitalisiert und für jeden zugänglich vorliegen. Das Gros der rund 14 000 Seiten sei bereits bearbeitet, jetzt folgten hauptsächlich noch kleinere Korrekturen, sagte Thomas Pilz von der Umweltbibliothek Großhennersdorf.
Ab 1. Januar können Interessierte die Hefte der DDR-Oppositionsgruppen unter der Internetadresse http://www.ddr-samisdat.de einsehen.Die Digitalisierung und Verfilmung biete zum einen einem größeren Nutzerkreis Zugang zu den Heften. Zum anderen sei die Archivierung notwendig, um die Hefte vor dem Verfall zu retten, wie der Vorstand des Bürgerarchivs Leipzig, Uwe Schwabe, sagte. Die Papier- wie auch die Druckqualität zu DDR-Zeiten seien so schlecht gewesen, dass die Hefte in den nächsten Jahren zerfallen würden. Die Papier-Originale haltbar zu machen, wie es beispielsweise bei Beständen großer Bibliotheken geschehe, sei für die Bürgerarchive der ehemaligen DDR schlichtweg nicht bezahlbar.
Von den DDR-weit rund 180 verschienenen Reihen liegen im Leipziger Bürgerarchiv rund 100. Eingelagert in Pappkartons und mit Pergamentpapier voneinander getrennt, geben die Hefte Einblick in die Gedanken der ehemaligen DDR-Opposition. Umfang und Anspruch sind dabei so unterschiedlich wie die Themen, die die SED-Gegner damals beschäftigt haben. «Der Bogen reicht von der kleinen Friedensgruppe in Quedlinburg bis zu renommierten osteuropäischen Autoren», sagt Bürgerarchiv-Vorstand Uwe Schwabe. So findet sich in einer der Pappkisten die veröffentlichten Gedanken des ehemaligen sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Michael Beleites. Er gab 1988 die «Pechblende» heraus, die sich mit wissenschaftlichem Anspruch mit dem Uran-Bergbau in der DDR befasst. Thematisch verwandt, aber von anderem Zuschnitt, beschrieb in einer anderen Kiste das «Streiflicht» Umwelttipps für den Haushalt.
Diese Hefte zu sanieren oder haltbar zu machen, wäre schlicht unbezahlbar, gibt Schwabe zu. Große Teile seien auch unter wissenschaftlichem Aspekt heute kaum von Interesse, weil sie zu sehr regional begrenzt gewesen waren. Studenten würden sich aber auch heute noch in die angestaubten Zeugnisse der letzten DDR-Jahre vertiefen, sagt Schwabes Leipziger Kollegin Monika Keller. Vor allem Studenten aus Frankreich und Italien seien häufige Gäste im Archiv.
Häufige Gäste waren in den damaligen Redaktionssitzungen auch Stasi-Spitzel. Fast in jeder Gruppe habe die Stasi einen Mitarbeiter platziert gehabt, berichtet Schwabe. Das erklärt auch, warum nur wenige Hefte verboten wurden, der Inhalt sei ja von Anfang an der SED bekannt gewesen. Vielleicht seien die Hefte auch unterschätzt worden, sagt Schwabe. Zwar sie die Verbreitung außerordentlich gering gewesen. Aber in der Masse hätten sie dann doch etwas bewirkt, ist sich Schwabe sicher.
http://www.umweltbibliothek.org